Delving – All Paths Diverge
All Paths Diverge: Nick DiSalvo erforscht drei Jahre nach Hirschbrunnen noch ergiebiger jene retrofuturistischen Pfade, die sich hinter den Klangwelten erstrecken, aus denen Elder ihre Songs ziehen.
Wo das erste Album von Delving als Beschäftigung für den Wahl-Berliner während der Pandemie-Zeit geboren wurde, ist All Paths Diverge nun weitestgehend zwischen den Tourpausen von DiSalvos Stammband entstanden: Den Faden von Hirschbrunnen aufnehmend, fühlt sich das Zweitwerk nun auch deswegen noch ein kleines bisschen mehr wie eine Variation von Elder selbst an.
Rein instrumental gehalten erforscht DiSalvo mehr oder minder auf Alleingängen eine alternative Realität, in der die Gold & Silver Sessions das Spektrum in die 70er, zum Space und Krautrock, zur Berliner Schule und zum mannigfaltigeren Einsatz von analoger Elektronika samt nebulösen Retro-Synth-Schleifen umgelenkt hat. Wo die Psychedelik den Prog- wie Postrock in kosmischer Neugier schweifen lässt (und damit nicht nur in Chain of Mind an Grails denken lässt), dort reklamiert Delving trotz einer gewissen Deckungsgleichheit zu jedem Zeitpunkt eine eigene Identität und stellt in mancherlei Hinsicht gewissermaßen das in die Breite gehende Worldbuilding dar, wenn Elder das plotgetriebene Narrativ sind.
Fesselnd und unterhaltsam balanciert DiSalvo sein Songwriting als instinktiven Alkt, der Sound dazu ist klar und kraftvoll, organisch.
Während man also anderswo darüber diskutieren kann, ob Elder ohne Vocals nicht noch besser wären, entfaltet Delving seinen imaginativen bildgewaltigen, vom Artwork nahezu perfekt eingefangenen Soundtrack tatsächlich umso ungebundener und läuft vor allem in der überragenden zweite Hälfte zur bestechenden Form auf, nachdem die Motorik von New Meridian als Herzstück eine meditative Sogwirkung aufgetan hat.
Dann wandelt das neugierige Zodiak seine Nostalgie verspielt in einen Flirt mit Stoner-Motiven und einer folkloristischen Natürlichkeit samt Ambient-Ausklang um, träumt das atmosphärische The Ascetic melancholisch, bis es herrlich freidreht, oder setzt Vanish With Grace dem virtuosen Jam plötzlich einen derart unerwarteten Beat-Switch zum Mindfuck vor, dass All Paths Diverge als konzeptionelle Antithese zu „Alle Wege führen nach Rom“ auch keine Gedanken über den Müßiggang in Komfortzonen mehr gelten lässt.
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