Deerhunter – Timebends

von am 6. November 2019 in Single

Deerhunter – Timebends

Vielleicht war Why Hasn’t Everything Already Disappeared? sogar Deerhunter selbst ein wenig zu konventionell geraten. Dagegen steuern sie nun mit der 13 minütigen (digitalen) Stand-alone-Single Timebends an.

Aus dem Nichts kommend soll man den Nachsatz nämlich durchaus auch als Wurzelbesinnung verstehen, wie die Band rund um den derzeit vielbeschäftigten Bradford Cox erklären lässt: “A separate entity to their eighth studio album Why Hasn’t Everything Already Disappeared? ‘Timebends’ is a partly improvised stream-of-consciousness outpouring. Recorded live direct to tape and in one take with minimal overdubs and mastered using a completely analogue signal chain, ‘Timebends’ recalls Deerhunter’s early avant-garde recordings and reaffirms their position as one of this generation’s most dynamic live acts.

Timebends ist also ein neopsychedelischer Trip geworden, ein strukturoffener Jam zwischen einnehmenden Konturen und progressiver Formlosigkeit. Er beginnt catchy als balladesk am Klavier schwelgendes Stück mit Bradford Cox als Crooner, der sich von einer entspannt zurückgelehnten Band bald in die 70er tragen lässt, seine latente Eingängigkeit dort kratzbürstig als unaufgeregter Rock flanieren lässt, die quietschende Gitarre jedoch immer mehr in ätherischen Welten schickt, als hätten Pink Floyd die Lounge für sich entdeckt. Dort mäandert die Nummer traumwandelnd, bevor Cox und ein keckes Cembalo nach knapp sechs Minuten beginnen, die Spannungen ganz ungezwungen und verspielt murksend anzuziehen. Langsam aber sich gewinnt Timebends an Fahrt, tänzelt locker und optimistisch pendelnd vorneweg, der Klimax will jedoch nicht zu formelhaft fixiert werden.

Rund um die Zehnminutenmarke entscheiden sich Deerhunter nämlich lieber für einen massiv polternden Rhythmuspart, in denen die Drums schon beinahe ein Solo spendiert bekommen – der direkt folgende Übergang zur Rückkehr des einleitenden Pianoparts ist jedoch nachlässig und abrupt gestaltet, fühlt sich wie auch die finale Andeutung der dissonanten Kakophonie zu rasch abgehandelt an. Hier hätten der so wenig auf Kompaktheit und Präzision gebenden Nummer ein paar zusätzliche Minuten gut getan.
Generell ist Timebends aber zu unverbindlich, um einen wirklichen Rausch zu erzeugen, und lässt auch in jeder Passage gefühlt ein wenigSubstanz liegen. Gerade der niemals stattfindenden Exzess lässt die Single eher wie eine Startrampe für erst live folgende, tatsächlich erschöpfende Eskalationen wirken, die durchaus möglich wären – und auf Tonträger doch vermisst werden. Damit kann man gut leben – solange jemand Deerhunter möglichst bald wieder vor die eigene Haustüre holt.

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