Deep Purple, Mother’s Cake [13.07.2023: Stadthalle, Graz]
Fast fünf Jahrzehnte nach ihrem legendären (das Ende der Mark III-Bandphase besiegelnden) Auftritts in der Eishalle von Liebenau, beehren Deep Purple (in der Mark IX-Besetzung) neuerlich Graz – diesmal in der Freiluftarena B der Stadthalle.
Angesichts des regnerischen Wetters ist es erfreulich, dass die Location überdacht ist. Als Mother’s Cake ärgerlicherweise eine Viertelstunde früher in ihr Set starten, als es der offizielle Timetable vorgesehen hat, stehen dennoch zahlreiche Besucher im Regen außerhalb der eigentlichen Begrenzung: derweil es sich auf der linken Seite vor der Bühne in Sardinien-Manier stapelt, herrscht auf der rechten Seite praktisch gähnende Leere.
Bis Deep Purple pünktlich um 21.00 Uhr auf der Bühne stehen werden, sollte sich diese Anordnung jedoch noch verteilen und auch zu einer beinahe ausverkauft scheinenden, angenehm locker gefüllten Besucherdichte steigern.
Wie dem auch sei, die Innsbrucker Mother’s Cake werden ihrem Ruf als kompetenter Support Act für große Namen (egal ob unsterblich zeitlos oder sich den Ausläufern legendärer Karrieren nähernd) gerecht und liefern eine tadellose Show, die im progressiv angelegten Rock mit all seinen funky Tendenzen Assoziationen von Pink Floyd bis Rage Against The Machine zulässt – und dabei dennoch niemandem die Schau stiehlt, weil die Handwerkskunst funktioniert, das Songwriting jedoch auf emotionaler Ebene ziemlich kalt lässt. Die wirklich guten Hooks und Melodien fehlen , es greift höchstes plakatives, wie der banale President-Vorschlaghammer, nachhaltig hängenbleibend.
Keine Frage: Mother’s Cake können, was sie tun und machen zwischen einigen coolen Abfahrten grundlegend auch nichts falsch. Dennoch tun sich spätestens bei (dem prolongiert spontan hinter das eigentlich bereits angekündigte Ende angehängten, jedoch bei einem Blick auf die mit deckungsgleicher Setlist versorgten Bukarest-Show das selbe Finale bietenden) Runaway und Toxic Brother merkliche Längen auf: das 45 minütige, solide Set beansprucht doch ein klein wenig mehr Zeit, als die gebotene Substanz der Band rechtfertigt.
Setlist:
The Beetle
Crystals in the Sky
I’m Your President
The Sun
The Operator
Lonely Rider
Runaway
Toxic Brother
Ganz anders sieht die Sache bei Deep Purple aus, die rund eineinhalb Stunden nach dem Einstieg mit dem unkaputtbaren Highway Star über die (leider etwas entblueste) Schönheit When a Blind Man Cries bis hin zum (eine ohnedies vom ersten Moment an euphorische Stimmung auf ein frenetisch gefeiertes Hoch treibenden) Doppel aus Space Truckin’ und Smoke on the Water von Highlight zu Highlight und Klassiker zu Klassiker rittern, eine kurzweilige Spielfreude an den Tag legen, die ihresgleichen sucht – etwaige Erwartungshaltungen erstaunlicherweise doch ansatzlos und absolut übertreffend.
Das liegt auch an Neo-Gitarrist Simon McBride, der eine wunderbar ausgelassene Performance an den Tag legt, und seinen beinahe doppelt so alten Kollegen ein gesundes Maß an Energie injiziert. Bassist Roger Clover (der den 1975 in Liebenau heulenden Hughes in jeder Hinsicht übertrifft) und der stoische Kraftlackl Ian Paice treiben als Rhythmussektion mit einer abgeklärten Dringlichkeit, deren tighter Druck songdienlich besticht und die überall sprießenden Solo-Exzesse der restlichen Band in einen niemals fahrigen Rahmen packt: unerschütterlich, präzise und munter.
Am wichtigsten aber: diese Band hat einfach so merklich und authentisch dermaßen Spaß am Spielen – nicht nur, wenn sich Don Airey vom Kellner Rotwein kredenzen lässt und dann das mühelos vom Avantgarde-Keyboard-Ausflug zur Bar-Jukebox und weiter ins Klassik-Medley wechselnde Schaulaufen auspackt). Sie klingt zu keiner Sekunde so sehr vom Alter mitgenommen, wie Ian Gillan es körperliche augenscheinlich ist: die Hände des bald 78 jährigen Sängers zittern oft, immer wieder geht er während instrumentaler Passagen und unzähliger Soli kurz hinter die Bühne um sich zu erholen, seine Bewegungen sind generell hölzern.
Doch er genießt die dabei noch möglichen Moves und lieferte stimmlich einfach ab, legt sein Organ (auch wenn nicht alle Töne sitzen) in die Kurven und ringt sich vor allem bei Lazy oder Into the Fire imposantes, langgezogen-röhrendes ab.
Es gibt also tatsächlich kaum etwas zu bekritteln an diesem Abend.
Gut, der neuere, aber seit jeher altbacken wirkende Ohrwurm No Need to Shout fällt als einzige Nummer ein wenig ab, während das heroische Uncommon Man neben den vielen Evergreens ebenso mühelos besteht, wie das Iron Maiden‘eske Anya, bevor Perfect Strangers ideale Stadion-Tauglichkeit demonstriert. Eine tolle Erinnerung daran, dass Deep Purple auch nach ihren ikonischen Heydays noch starke Songs geschrieben haben.
Was noch? Der Sound passt, die Lichtshow ebenso, das (durchschnittlich auch schon einige Lenzen zählende) Publikum hat Smartphones (und ist gewillt, diese auch ausgiebig zur Dokumentation des Abends zu nutzen – wenngleich nicht derart penetrant wie es etwas bei den Arctic Monkeys der Fall war) und die Zugabe gerät mit längst übergesprungenen Funken durch Hush (als keckes Tauziehen zwischen Keyboard und Gitarre) und einem überlangen Black Night sowieso zum Triumphzug.
So verdammt vital wie diese Band dem Dasein als rein nostalgischer Legacy Act ein Schnippchen schlägt, lässt das schon mit der Zunge schnalzen – da können sich einige Epigonen immer noch eine Scheibe abschneiden.
Setlist:
Highway Star
Pictures of Home
No Need to Shout
Into the Fire
[Guitar Solo]
Uncommon Man
Lazy
When a Blind Man Cries
Anya
[Keyboard Solo]
Perfect Strangers
Space Truckin‘
Smoke on the WaterEncore:
Hush
[Bass Solo]
Black Night
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