Dec. 99th – December 99th
Mit dem Vermächtnis des Mos Def im Rücken und einer turbulenten Geschichte rund um seine Veröffentlichung kann December 99th, die wohl für sich stehen müssende Kooperation von Yasiin Bey und Ferrari Sheppard, eigentlich nur enttäuschen.
Zumindest ein wenig ratlos entlassen. Was zum Teufel soll beispielsweise dieses permanent in die Songs fliegende Sekundenpfeifen, zu dem man nichts anderes als händische Vogelgesten vor Augen haben kann? Ein Spleen, der spätestens nach dem ersten Durchgang unheimlich penetrant (auch weil so uninspiriert in die Nummern entlassen) die Nerven malträtieren muss, hier aber ebenso zum guten Ton gehört wie repetitive Mantra-Wiederholungen ala „Gone gone gone..“ oder „And it goes like this!„.
Nicht die einzige Frage, die nach jenen knapp 31 Minuten offen bleibt, die also das unmittelbare – und dann doch wieder auf Raten eingeleitete, im Falle von December 99th zudem unpünktlich daherkommende – Exklusiv-Ende der Karriere von Dante Terrell Smith alias Mos Def alias Yasiin Bey einleiten. Eine Karriere, in den letzten Monaten (neben einer veränderten Charakterwahrnehmung in der Öffentlichkeit) rund um die Inhaftierung des mit einem semiseriösen Fantasy-„World Passport“ reisenden Bey ohnedies gelitten hatte und nun mit dieser Kooperation mit Design-Kumpel Ferrari Sheppard eine leidlich spannende Randnotiz erfährt.
Dabei ist die Grundidee der Konstellation durchaus interessant, da sie die angestammte Mos Def-Komfortzone verlässt. Soll heißen: Bey taucht auf December 99th in einen melodiösen, R&B/Soul-infizierten, Pseudo-Kid Cudi– Singsang ein, als dass er tatsächlich rappt. Was in diesem Fall allerdings auch bedeutet, dass der 43 Jährige sich darauf beschränkt Vokale enervierend in die Länge zu dehnen und nach oben zu ziehen. Eine stimmliche Gangart, die sich grundsätzlich auch gut mit den dösenden Beats vertrüge, die Ferrari Sheppard irgendwo in der Schnittstelle aus Gonjasufi und Shabazz Palaces bastelt: Reduziert in Trance gebastelte Landschaften, düster und minimalistisch, die durchaus charismatisch funktionieren und etwa mit dem ätherischen SPESH sogar für vereinzelte Highlighs sorgen, in Summe zudem einen durchaus ästhetisch-angenehmen Gesamtfluß ergeben.
Das Problem ist allerdings, dass sich die beiden Kreativköpfe hinter Dec. 99th so auch immer wieder in ein ernüchternd spannungsarmes, gleichförmig plätscherndes Klangbild verlieren, das wie hinter einem valiumschweren Schleier zu passieren scheint. Die Grenze zwischen Entspannung und Langeweile ist da eine gefährliche, die besten Momente wehen flüchtig durch den Hintergrund.
Eine Misere, für die bei genauerer Betrachtung dann durchaus überraschend hauptsächlich Bey verantwortlich zu machen ist, wie der abschließende, sauber jazzend-schnipsenden Instrumentaltrack Heri vorführt, in dem die dunkel pulsierenden Klanggrundgerüste von Ferrari Sheppard ihre Stärke im Alleingang vorführen dürfen. Bey dagegen hingegen klingt bis zu dieser hinten raus genehmigten Auszeit mit Fortdauer immer schlampiger und unfokussierter, kann keinerlei Spannungen mit seinen wenig nachhaltigen Gedankenschwällen erzeugen. Leger, geschmeidig und kurzweilig ist das immer, klar – in Seaside Panic Room sogar verhalten dramatisch. Über allem schwebt jedoch auch das Gefühl es hier mit unfertigen Skizzen zu tun zu haben, zu denen Bey halbherzige Exkursionen mit seiner Stimme wagt. Wo ist da nur der Biss, der Hunger in der Performance? Ideen wie über das ziellose Ambient-Skellet von Special Dedication ohne Inspiration zu lamentieren hinterlassen wenig berauschend, einem lustlosen Jam über eine instrumentale Talentprobe.
Die Möglichkeit sein Repertoire in von ihm selbst noch relativ unbegangene Territorien zu pushen, nutzt Bey jedenfalls nur auf ermüdend schlaftrunkene Art und Weise. Der direkte Vergleich zu ähnlich verorteten alten Großtaten wirkt gar wie blanker Hohn. Gelungene Vorabtracks wie NAW haben im Grunde zudem bereits alles gesagt, worum December 99th nun in ausschweifenderem Maße (und trotz seiner kompakten Spielzeit mit viel zu viel Leerlauf) lamentiert. Am Ende steht so eine Platte die ohne zwingendes Element leider förmlich nach Frühpensionierung schreit und eher wie eine unverbindliche Beschäftigungstherapie für Bey anmutet, die dazu dient um Twitterman Ferrari Sheppard den Fuß in die Produzententür bekommen zu lassen.
Freilich alles Unterstellung, doch dem bisherigen Schaffen des einstigen Visionärs wird December 99th eben keineswegs gerecht. Nicht nur angesichts der Erwartungshaltung, ohne die man dieses Intermezzo wohl wenigstens ohne Groll vorbeidümpeln lassen kann – gänzlich ohne Reiz ist das Debüt des Duos freilich auch so nicht. Dass December 99th zu den letzten Zeugnissen eines herausragenden Ausnahmekünstlers zählen wird, macht die Angelegenheit dennoch bitter. Wobei, abwarten: Vielleicht korrigieren die angekündigten Platten Negus in Natural Person und die Mannie Fresh-Kooperation As Promised das Bild ja noch und schicken den Nomaden Yasiin Bey ohne bitteren Beigeschmack in den Ruhestand.
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