Deathcrash – Less

von am 25. März 2023 in Album

Deathcrash – Less

Less trägt seinen Namen in mehrerlei Hinsicht zu Recht: Deathcrash haben an der einen gravierenden Schwäche von Return gearbeitet, dabei aber auch ein bisschen aus den Augen verloren, dessen Stärken in vollem Ausmaß zu entfalten.

Mit 38 Minuten Spielzeit dauert Less tatsächlich ziemlich genau eine halbe Stunde kürzer, als das deutlich zu ausführlich geratene Debütalbum.
Ein formbewusster Umstand, den man grundlegend begrüßen kann. Zumal: wie gut das Nachdrehen dieser Stellschrauben auch wirklich funktionieren kann, lässt sich etwa im erst unaufgeregten, dann aber scharfkantiger am Post Hardcore aufplatzenden Empty Heavy nachhören, wo sich die Emo-Tendenz der Band destillieren wie nie zuvor, gerade, wenn sich die aggressiven Spannungen in einem intensiven, gar Brand New‚esken Klimax entladen, und das ohne Umwege gefundene Ende daraufhin auch zeigt, dass das übergeordnetere Gefüge die Dramatik und Dynamik der einzelnen Songs weiterträgt (selbst wenn dies nicht ausschließt, dass das seine ruhige und harmonische Gangart wieder ruppiger in die Kurven legende Duffy’s mit seiner verführerischen Leier direkt darauf leider die komplett gleich zugespitzte Struktur wählt). Ein Distance Song klingt in ähnlicher Ausrichtung, nur etwas weniger konsequent, als hätten Chastity eben nicht die Abzweigung zum Pop genommen, sondern Deathcrash-typisch zu Slint, Codeine, Mogwai und Caroline, stets etwas bedächtig (ausge)wogen(d)es in der Kompaktheit transportierend.
Manchmal aber scheint Less diese Balance in gewisser Weise gar zu sehr gefunden zu haben.

Hatte sich Return über das Jahr hinweg zu einem der besten Alben 2022 gemausert und gerade entlang seiner Highlight-Nummern stets am Ball gehalten und immer wieder in den Bann der Platte zurück geholt, ist Less nun konsistenter und lässt seinen Verlauf von keinen herauseragenden Glanztaten überschatten. Was weniger das grundlegende Niveau meint, als das Fehler von Amplituden (nach oben), wie auch eine generelle Unscheinbarkeit, den Mangel an restlos euphorisierenden Augenblicken. Die sehnenden Melodien greifem selbstsicherer und unmittelbarer, aber auch etwas banaler. Ihrem Amalgam aus Slowcore und Postrock können Deathcrash diesmal keine derartigen Sternstunden a la Unwind abringen. (Auch wenn der Opener Pirouette, der sich wunderbar nostalgisch und melancholisch rumpelnd und plingend wie ein aus der Zeit gefallenes Fundstück der 90er im Andenken an ausfasernde Ought sammelt, die vertreute Sparsamkeit mit grandiosem, vollem Sound zelebrierend, verdammt knapp an diese Hochphasen rankommt, indem er die atmosphärische Tiefenwirkung der Band auf ein wuchtig-verletzlich funkelndes Podest hebt).

Insofern scheitert Less eben schon auch an seinem Vorgänger – paradoxerweise vielleicht jedoch, weil das Songwriting diesmal nicht den Raum oder Volumen hat, um diesmal den Anlauf über die Hürden zur wirklichen Ausnahme-Qualität zu nehmen.
Zwar lässt der engere Fokus eben einige neu gewichtet Nuancen zu, provoziert diese aber nicht zur vollen Entfaltung, geht diesmal lieber einen Schritt zu wenig, als noch einmal über die Stränge zu schlagen – und bleibt ohne überwältigende Genieblitze über weite Strecken in der seltsam unbefriedigenden Mitte, in der so extrem viel Potential nur angedeutet wird, wo bisher um das Anpacken der Möglichkeiten zu ausführlich gelauert wurde. Ein Hexenkreis, der in Summe aber bei aller Ambivalenz doch in erster Linie die Klasse der Band unterstreicht.

Das wunderbar kontemplativ in sich selbst ruhende Instrumental And Now I Am Lit pflegt etwa ein betörend ineinander verflochtenes Gitarren-Perlen über dem angedeutet schabenden Bass darunter, bleibt aber, tja – wirklich!, viel zu kurz, um seine Stimmung erschöpfend zu erforschen, weswegen die Nummer ein wenig unverdient „nur“ wie ein Interlude anmutet. Turn mäandert ruhig, droht hinten raus einmal mehr mit der rauen Katharsis, beherrscht sich aber und klingt ein wenig wie eine schaumgebremste Cloud Nothings-Nummer. Am gravierendsten für eine ernüchtern könnende Rezeption ist aber, dass das knapp achtminütige Dead, Crashed als Schlusspunkt an der Kippe zur kantigen Trance plätschernd zu unverbindlich und auf gefällige Weise unterwältigend ausfällt, und Less nach einer ohnedies schon weniger starken zweiten Hälfte so kein erfüllendes Finale beschert, sondern den auf den Erstkontakt enttäuschenden Grower als durch und durch (überdurchschnittlich!) solide Platte verpuffen lässt, der seine Ambitionen lieber nur ansatzweise auslotet, als Gefahr zu laufen, die Pferde mit sich durchgehen zu lassen.

Ein bisschen ist es so, als hätte der bisherige Arbeitsprozess von Deathcrash so ausgesehen, Ideen und Motive zu erforschen, die dabei entstehenden Ergebnisse aber nur unzureichend für die Gesamt-Album-Perspektive in Form zu bringen – derweil diesmal das angepeilte Endergebnis mit einem prägnanteren Spannungsbogen vorab feststand und man den Inhalt daran angepasst zu ersinnen begann. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Das alles mag sich dann wohl weitaus negativer anhören, als es tatsächlich ist – doch Return hat die Ansprüche an die Briten eben einerseits nach oben geschraubt, und andererseits ist weniger manchmal halt doch nicht mehr.

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