Death Cab for Cutie – The Blue EP

von am 10. September 2019 in EP

Death Cab for Cutie – The Blue EP

Thank You For Today hatte ja bereits zaghaft angedeutet, dass Death Cab for Cutie sich nach dem schwachen Chris Walla-Abschied Kintsugi vielleicht nur neu akklimatisieren würden müssen, um im Schatten ihrer einstigen Großtaten eine gewisse Relevanz wiederfinden zu können. The Blue EP übertrifft diese leise Hoffnungen nun sogar.

Zugegeben, die Erwartungshaltung war nach den jüngsten beiden Studioalben nicht unbedingt die größte. Auch ungewöhnliche Features und souveräne Sologänge waren eher nette Bagatellen aus dem Umfeld der schwächelnden Indie-Herzensbuben. Dennoch überrascht es nicht nur aufgrund der gesunkenen Qualitätsmesslatte, dass Death Cab for Cutie  nun relativ unvorbereitet mit der wohl besten Veröffentlichung seit Codes and Keys um die Ecke biegen.
The Blue EP führt dafür den Weg der vergangenen Jahre zwar quasi fort, geht jedoch weiter in die Tiefe, wächst im umliegende Zonen und artikuliert seine Kompositionen mit einer breiteren Selbstsicherheit als zuletzt. Die allgegenwärtigen Keyboardtexturen sind nunmehr integraler Bestandteil und instinktiv verflochtene Element des Charakters des Klanggewands, keine ausschmückende Patina. Die Gitarren klingen fester, akribischer und verspielter, auch detaillierter, der Sound ist dichter, gewichtiger.
Allerdings merkt man den fünf Songs aufgrund der verschieden gewuchteten Nuancen an, dass mit Rich Costey, Peter Katis und der Band selbst quasi drei verschiedene Produzenten am Werk waren – die Platte ist also homogen und trotzdem nicht vollends aus einem Guss.

In To The Ground wird ein sphärischer Ambientbeginn aus dem Synthesizer von wuchtigen Drums und später dängelnden Gitarren begleitet, alles bleibt flächig, elegisch und unaufgeregt, dennoch irgendwo beinahe heavy. Als würden Death Cab for Cutie hymnisches Arena-Material als ruhenden Indierock an der Grenze zum räumlichen Dreampop spielen, gibt sich das Szenario unwirklich, bevor das Finale pocht wie ein massives Feuerwerk ohne jene Stadion-Penetranz pocht, die etwa Coldplay in dieser Ausgangslage wohl destillieren würden.
Zudem steht die kräftige, aber nichtsdestotrotz auch wattiert-verwaschene Produktion von Costey der Band hier merklich besser, als sie es später in Before the Bombs tut. Dort bilden die dominanten, physisch so präsenten Drums nämlich einen nicht angenehmen Kontrast zum restlichen Geschehen, selbst wenn die Nummer im Refrain den Verstärker braten lässt. Generell ist auch die Komposition dahinter unausgegoren, begnügt sich mit einem uninspirierten Chorus.
Gerade nach der deutlich packenderen Single Kids in ’99. Die Reflektion der Pipeline-Katastrophe von Bellingham lebt von der Kommunikation eines hibbeligen, niemals stillsitzenden Schlagzeuges in dem rhythmisch drumherum oszillierenden Saiteninstrumenten voll funkelnder Nostalgie.

Stichwort Nostalgie: Zeitweise knüpfen Death Cab for Cutie sogar klare Assoziationen zu ihren eigene Heydays, nicht von ungefähr ausgerechnet in den titelstiftenden Songs. Man In Blue ist eine lautlos pochende Anmut, fürsorglich und abgedämpft. Melancholisch fließen die Gitarren im Äther, die Gesangslinie ist tröstend und klassisch, emotional aufwühlend, wundervoll und traurig, eventuell ein bisschen zu wenig konsequent und ausführlich. Zumindest ein vergängliches Kleinod.
Über allem steht jedoch das abschließende Blue Bloods als ein im Vintage schimmerndes, entschleunigtes Kaleidoskop, das sich romantisch in Zeitlupe dreht, auch in die 80er blickt und vor allem majestätische Transatlanticism-Vibes pflegt, wenn die Nummern hinten raus episch kreischende Gitarrenwände in eine sanfte Katharsis übersetzt, die sich kraftvoll und trotzdem introspektiv verausgaben.
Ein überwältigender Abspann mit spektakulär-unspektakulär verglühendem Klimax, der keine Detonation benötigt, um sich in die Grandezza verlieren zu können. Als bester Song der Band seit Jahren könnte dieses erhebende Triumphstück auch im Alleingang eine neue Zuversicht in die Zukunft von Death Cab for Cutie finden, doch ist es die düsterblaue Beleuchtung dieser EP im Allgemeinen, durch die der Blick nach vorne plötzlich in einem so optimistischen Licht wie lange nicht strahlt.

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