Death Cab For Cutie – Kintsugi
Dass Chris Walla nach knapp 18 Jahren stufenweise den Abschied von Death Cab for Cutie antritt scheint – wenn man innigen Szenen wie beim letzten gemeinsamen Konzert richtig deutet – keinerlei zwischenmenschliches Zerwürfnisse zu Grunde zu liegen. Als Außenstehender mutmaßt man viel eher: Vielleicht hat sich der 39 Jährige Tausendsassa mit dieser Band einfach nur zu langweilen begonnen?
Der Abnabelungsprozess war ein schleichender: Während 2014 längst klar ist, dass Walla Death Cab for Cutie den Rücken kehren wird, übernimmt er auf dem achten Studioalbum der Herzensbalsamierer aus Washington noch ein letztes Mal die Rolle als Gitarrist und Co-Songwriter, tritt aber bereits als angestammter Produzent der Band zurück und übergibt das Ruder an Rich Costey. Dessen etwas dickerer Sound fällt dann aber gar nicht unbedingt gravierend ins Gewicht, denn ‚Kintsugi‚ bricht die Grundbausteine des Vorgängers ‚Codes and Keys‚ nun beinahe nahtlos auf und klebt die einzelnen Teile (seinen Titel in gewisser Weise durchaus rechtfertigend) mit einem marginalen Weniger an Synthies und einer Nuance Mehr an Gitarren neu zusammen, ganz so, als gelte es Walla die charmantesten kleinen Akzente auf einer relativ aktzentefreien Platte setzen zu lassen.
Über ‚Little Wanderer‚ stülpt er so etwa eine heimelige The Cure-Atmosphäre, vermischt sie mit behutsamer Death Cab for Cutie-Fürsorge und den schon seit längerem etwas creepy-stalkend wirkenden Love-Lyrics von Gibbard zu einem unaufdringlich fliesenden Popsong. ‚You’ve Haunted Me All Your Life‚ entfaltet sich melancholisch als sparsame Gitarrenminiatur, die verträumt ihren Weg geht und eine meditative Wohlfühlzone evoziert, die ganz entfernt an ‚Transatlanticism‚ denken lässt, während ‚Ingenue‚ den U2-Moment der Platte heraufzubeschwören versucht.
Den in sich ruhende Keyboard-Opener ‚No Room in Frame‚ öffnet der Hinwegscheidende mit einem Minisolo in der Bridge und schickt ihn damit in die freie Wildbahn, nur um ihn unmittelbar abgewürgt zu sehen. Auch der bratzend angedeutete Ausbruch im friedfertig treibenden ‚Black Sun‚ erweist sich als falsche Fährte, mit dängelnder Gitarre frönen Death Cab for Cutie gewohnt solide ihren typisch warmen Melodien und weichen Harmoniefolgen. Dass ‚The Ghosts Of Beverly Drive‚ Walla’s Spiel zu souligen Chören in den Vordergrund schlängeln lässt und man mit 80er-Drums flotter zu Werke geht, sorgt hingegen nur kurzzeitig für einen stringenteren Zug zum Tor auf einer kontemplativ unauffälligen Platte.
Ob die Band sich generell einen Gefallen damit getan hat die vier Vorabsingles – und auch besten Nummern – gleich am Beginn zu verheizen sei ohnedies dahingestellt. Dass sich danach zeitweise vor allem weniger gute Einfälle aneinanderreihen (die The Killers-Stimmung in ‚Everything’s A Ceiling‚; der unangenehme Versuch den Indierock von ‚Good Help (Is So Hard to Find)‚ auf der Discotanzfläche stattfinden zu lassen; der gekünstelt euphorisch nach vorne blickende, supernervige Postal Service-Unfall ‚El Dorado‚ oder auch ‚Hold No Guns‚, in dem Gibbard mit schwachen Texten den glockenhellen Barden im Akustikballadenumfeld gibt und eine Platte bagatellisierend durchatmen lässt, deren Puls noch nicht einmal ansatzweise Betriebstemperatur erreicht hat), sorgt allerdings auf diskret ermüdende Weise für ein paradoxes Bild: Ohne dass es Death Cab for Cutie hier schaffen würden einen tatsächlich schlechten Song zu schreiben, dauert es unzählige Durchgänge, bis die Kompositionen überhaupt hängen bleibt.
Denn ‚Kintsugi‚ klingt schlichtweg so selbstreferentiell einnehmend, wie es gleichermaßen gewichtslos und flach plätschernd wirkt, in Summe viel zu harmlos werkend, weichgespült und satt, bis ‚Binary Sea‚ schließlich durchaus symptomatisch für das ganze Album als anmutige, aber irgendwo auch ziemlich egale Klavierballade einen Schlussstrich zieht und dabei abermals nicht sonderlich trittsicher an der Grenze zur gefälligen Belanglosigkeit treibt.
Wo Death Cab for Cutie früher emotional aufwühlend waren, agieren sie nun rein auf kantenlosen Wohlklang bedacht, zelebrieren eine Unaufdringlichkeit, die keine Herzrhythmusstörungen riskiert und basteln eine Platte, die nach okayem Beginn aber ohne jedwede emotional mitreißende Magie kaum das Bedürfnis wecken wird, sie nach einigen Wochen noch zu hören – bei jeder Berührungen aber mutmaßlich dennoch einen angenehm vertrauten Eindruck hinterlassen wird und nach der enorm unspektakulär tröpfelnder Kennenlernphase ohne markante Ecken und Eigenheiten seine Qualitäten mittels einer wohligen, eher nostalgisch bedingten Zuneigung wachruft: Das sind routiniert schöne, aber auch bedeutungslose Songs geworden, die unbeeindruckt hinterlassen, deren Existenz man allerdings nicht auch nur einen Moment zürnt. Darf man das als Langzeitfan als zuverlässige Enttäuschung erachten?
Dass Walla dies alles schlichtweg zu witzlos geworden sein könnte, wäre jedenfalls gut nachvollziehbar – um die dringend nötigen Reibungspunkte zu setzen, scheint er auf dem mutlosen ‚Kintsugi‚ gedanklich aber bereits zu weit weg von der Band zu sein. Vielleicht hat er auch einfach erkannt, dass Death Cab for Cutie trotz nuancierter Gewichtungsänderungen hiermit zu einer reinen Verwalterband fürs Nebenbeihören geworden sind. Da ist es einerseits auf langweilende Art bezaubernd, dass Death Cab for Cutie weiterhin da sind – spannendes zu erzählen oder tatsächlich packende Szenen hat diese nur noch nette Band allerdings bereits jetzt nicht mehr auf Lager.
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