Death from Above 1979 – The Physical World

von am 8. September 2014 in Reviews

Death from Above 1979 – The Physical World

Blödes Timing: da raufen sich Sebastien Grainger und Jesse F. Keeler zehn Jahre nach ‚You’re a Woman, I’m a Machine‚ justament zu jenem Zeitpunkt für ein zweites Album zusammen, wenn alle Aufmerksamkeit auf Royal Blood als dem Bass/Drum-Duo der Stunde liegt. Viel schwerwiegender aber: nach 36 Minuten ist klarer denn je, dass Death From Above 1979 mit ihrem Debüt ohnedies bereits alles gesagt hatten.

Eine Dekade mag in der Realität vergangen sein – in der ‚Physical World‚ ist die Zeit jedoch nahezu stehen geblieben – seit Death From Above 1979 2004 das erste und bisher einzige Mal in voller Länge die Elefanten im Porzellanladen gaben und den Zeitgeist mit unbändiger Dance Punk-Wucht trafen. Das wiedervereinigte Duo aus Toronto setzt nun weitestgehend nahtlos dort an, wo ‚Sexy Results‚ dem Treiben ein vorläufiges Ende beschert hatte: bei der Fusion von Disco-Tanzfläche und Pit, wo sprintende Hi-Hats mit bratzend massiven Bassbreitseiten wetteifern, die Groove und Hookline gleichzeitig sind; bei fließendem Schweiß und einer sexuell aufgeladenen Stimmung.

Where have all the virgins gone?“ heißt es im hauseigenen ‚Icky Thumb‚-Verschnitt ‚Virgins‚ und: „There’s nothing sacred to me/ I lost it in the back seat/…/Don’t ever change/ Bad is good enough„. Die „Pull in/ Pull Out„-Jungs fordern eben auch diesmal keine große Eingewöhnungszeit um die Perspektive geradezurücken. Die Beschleunigungsspur auf der Autobahnabfahrt ‚Right On, Frankenstein!‚ mündet im wuchtigen Kinnhaken, um das schnaufende ‚Trainwreck 1979‚ werden sich Werbemanager auf der ganzen Welt reißen, alleine für ein so potentes Black SabbathRiff wie in ‚Always On‚ hätte Andrew Stockdale auf dem letzten Wolfmother-Desaster wohl getötet.
Randnotizen der Soloausflüge von Keeler und Grainger finden sich dann zwar doch unter der Oberfläche: ‚The Physical World‚ ist eingängiger, poppiger, durchwegs melodischer und generell zugänglicher ausgefallen als sein Vorgänger. Vereinzelten Synthies wird mehr Platz eingeräumt und nicht nur der Opener ‚Cheap Talk‚ klingt als wären DFA1979 zum Intimfeind James Murphy übergelaufen um sich ihren Noiserock vom DFA-Mastermind clubtauglich frisieren zu lassen.

Unter der Oberfläche aber sind Death From Above 1979 vor allem sich selbst am nächsten ihrem Debüt bedingungslos verpflichtet: ‚Gemini‚ quietscht wie ‚Turn it Out‚ seinerzeit, einige Déjàvu-Moment ziehen (naturgemäß) ganz unkaschiert den Hut vor ‚You’re a Woman, I’m a Machine‚, als gelte es eine Dekade später endlich einen Hunger zu stillen, den das grandiose Debüt der Nachwelt so aber eben nie hinterlassen hat. ‚The Physical World‚ ist unterm Strich selbst für ein Comeback-Werk ein ermüdend mutloses Nummer-Sicher Album geworden, dass vielleicht mehr noch als die euphorisierten Fanscharen der Band einer gewissen Grundnostalgie hinterherhinkt.
Im Grunde reicht ein Blick auf das das ikonische Bandmotiv nur vor einen neuen Hintergrund setzende Albumcover um das Pflichtbewusstsein vom ‚The Physical World‚ einzuschätzen. Wie weit die Reproduktionsucht letztendlich aber tatsächlich geht, zeigt sich spätestens bei ‚White is Red‚, wenn Death From Above 1979 an der exakt selben Stelle in der Trackliste das Tempo drosseln wie beim Vorgängeralbum – auch wenn das zu lange ‚White is Red‚ nun viel eher Richtung Alternative-Beinahe-Ballade schielt, mit plumpen Texten („Frankie was a heartbreaker/ didn’t know it at the start/ she was only sixteen/ but she broke my heart„) vorführt, dass die Sex-Schlachtsänger keine Storyteller sind und die Nummer ohnedies zu keinem Zeitpunkt an die furiose Klasse von ‚Black History Month‚ heranreicht.

Überhaupt zeigt sich vor allem im Direktvergleich wieviel zwingender, gefährlicher und sexier ‚You’re a Woman, I’m a Machine‚ den Hörer selbst heute immer noch hernimmt, wieviel auslaugender und erfüllender der 10 Jahre alte Husarenritt als rausschafte Randale zündet: die Essenz von Death From Above 1979 war längst destiliert. Der Aufguss davon: eine kaum nötige, aber an sich absolut willkommene Extrarunde, die sich allerdings – im schlimmsten Fall zur Nebensächlichkeit verkommend – enervierend in die Länge zu ziehen beginnt.
Denn auch ohne unmittelbare Gegenüberstellung und abseits des Schattens des Vorgängers krankt ‚The Physical World‚ (ohne einen tatsächlich schlechten Song aufzuweisen!) mit jeder Minute Spielzeit deutlicher an seinen Limitierungen im Sound, seiner auslaugenden Gleichförmigkeit im Songwriting und der Tatsache, dass die stärker ausformulierte Zugänglichkeit nicht wie eine Frischzellenkur, sondern wie eine unnötige Zähmung zur weichgespülteren Version wirkt: ‚The Physical World‚ zeigt permanent Krallen und präsentiert Zähne – zu selten aber wird wirklich gekratzt und gebissen. Am Stück gehört ist diese Rückkehr deswegen vor allem eine ermüdende, leicht auszurechnende Angelegenheit, die in seine Einzelteile aufgesplittet wohldosierter knallt – aber eben auch so vordergründig das Bedürfnis weckt, mal wieder zum Vorgänger die eigene Bude zu zerlegen.

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