Deafheaven – Lonely People with Power

von am 3. April 2025 in Album, Heavy Rotation

Deafheaven – Lonely People with Power

Mit New Bermuda (2015), Ordinary Corrupt Human Love (2018) und Infinite Granite (2021) als Fundament ist Lonely People with Power das Album, auf das die Karriere von Deafheaven  seit ihren Meisterstück Sunbather hinausläuft.

Das absolut überragende (durch die von Interpol-Mann Paul Banks eingesprochene Soundcollage Incidental III als Brutkasten verbundene) Doppel aus dem seine Beschwingtheit fast poppig abfackelnden Hit Body Behavior sowie dem schimmernd aus einer Wall of Sound geborenen Sternstunde Winona, die hyperventiliert, als müsste die Band noch irgendwem ihre megalomanisch-leidenschaftlich werdende Klasse beweisen, kommt dann wohl all dem am nächsten, was sich Deafheaven-Fans nach 2013 erträumt haben.
Und selbst trotz dieser im finalen Viertel der Platte platzierten Machtdemonstration im theoretischen Wohlfühlbereich ist abermals kein Album geworden, das es sich als Fan-Pleaser einfach macht. Über 62 Minuten pflückt sich das Quintett als rasender Bahamut viel eher Versatzstücke aus all ihren Karrierephasen, arrangiert Essenzen neu und assimiliert sie zu seinem bisher vielleicht ambitioniertestes Amalgam-Werk, das die Spannweite aus selbstreferentieller  Komfortzone und Expansion einfach grandios beherrscht.

Vor allem  Magnolia attackiert wie eine (später hochdramatisch ins Sakrale bimmelnde) Schnittmenge aus Black Brick und dem, was New Bermuda hinter Brought to the Water aggressiv ausgespuckt hat, während zahlreiche Trademark-Stücke – wie das seine epische  Bandbreite von rasender Manie, gebremster Hymnik und einer melodisch verträumten Einkehr verbindende Doberman, das (wie eine Stairway to Heaven-Hommage beginnend aus dem friedlich-nachdenkliches Rezitieren entrissen) als Malstrom mit wunderbarer Melodie wütende Amethyst, oder das infernal keifende, tackernde Revelator als starker Signature-Standard (mit einer überraschenden Acoustic-Einkehr, die die Stille zum essentiellen Teil des Abgrunds macht) – aus allen Rohren feuern, die man an der bestialischen Seite der Deafheaven’schen Blackgaze-Kompetenz lieben kann. Nein, hieran gemessen: muss!

Dann gibt es Phasen, die wie die konsequente Weiterentwicklung von Ordinary Corrupt Human Love anmuten – am deutlichsten deutlichsten wohl, wenn Jae Matthews von Boy Harsher Incidental II wie eine verstörende Intimität zwischen Electro Acoustic und Hard Noise-Verletzlichkeit a la Pharmakon in die atmosphärische Tiefe führt.
Aber dies gilt auch auch für all jene Szenen, die ohne das in den vergangenen vier Jahren so stark gewachsene Stiefkind Infinite Granite nicht möglich gewesen wären. Diese zeigen imposant, was Deafheaven und Produzent Justin Meldal-Johnson vom Ausreißer der Diskografie gelernt haben, und wie sie diese Lektionen in das ursprüngliche Hoheitsgebiet der mittlerweile bei Roadrunner untergekommenen Band übersetzen können.
The Garden Route drosselt das Tempo etwa melancholischer und ein stimmlich gewachsener Clarke greint sein typisches Keifen zum schimmernden Perlen. Wie erfüllend das dynamisch seine Höhepunkte pflegende Songwriting der Platte komponiert ist, lässt sich hier übrigens trotz einer gedrosselten Intensität gut nachvollziehen. Heathen holt auf der selben Basis direkt danach sogar den Klargesang des Vorgängers zurück, Hand in Hand mit den Black Metal-Vocals im Refrain eine Symbiose eingehend, die im mit ambienter Patina ausgestatteten Closer The Marvelous Orange Tree (nach einem den Albumfluß minimal ausbremsenden Einstieg) zu voller Blüte geführt wird.

Das eindrucksvollste daran ist, dass sich Lonely People With Power in keiner dieser Ausprägungen wie ein halbgarer Kompromiss oder eine es irgendjemandem recht machen wollende Pflichtübung anfühlt, sondern als großes, rundes Ganzes funktioniert (auch wenn die Interludes die Spannung ein wenig zu sehr durchatmen lassen und einige wenige Stellen im Verlauf pointierter gestrafft hätten werden können, obwohl die ausführliche Spielzeit von über einer Stunde keine wirklichen Längen kennt).
Deafheaven schaffen einen Spagat, der bis zur Wurzelbesinnung zurückreicht und dennoch einen Schritt nach vorne nimmt. Die Balance aus Zuverlässigkeit und Risikobereitschaft ist mit alten Formeln arbeitend an der peripheren Achse zu stilistischen Sehnsuchtsorten ausgewogen – mit einer überraschenden Zuverlässigkeit abholend, die (gar nicht unbedingt herausfordernd wiewohl) praktisch unmittelbar entlohnend eine hohe Halbwertszeit anvisiert. Zwar erreichen die vielseitiger denn je agierenden Amerikaner dabei selbst in den besten Augenblicken nicht ganz die flächendeckende Größe von Sunbather, doch viel fehlt diesmal nicht. Ihren Ausnahmestatus hätten Deafheaven jedenfalls kaum eindrucksvoller unterstreichen können.

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