David Duchovny [19.05.2016: Arena, Wien]

von am 22. Mai 2016 in Featured, Reviews

David Duchovny [19.05.2016: Arena, Wien]

Ein Gros des Publikums ist zwar mutmaßlich weniger wegen der Qualität der überraschend starken Songs auf Hell of Highwater in die Arena gekommen, sondern vielmehr, um den Star hinter Agent Mulder oder Hank Moody live zu erleben. Bleiben wird allerdings wohl dennoch vor allem die Begeisterung über die Rampensau David Duchovny, die sich zum krönenden Abschluss seiner ersten Europa-Konzerttour mit ansteckendem Enthusiasmus in adäquate Rock-Posen wirft.

Seit seinem letztjährigen Debüt als Barde weiß man: Wordsmith, kompositorischer Feinmotoriker oder begnadeter Sänger ist David Duchovny nicht. Dafür aber ein durchwegs solider Handwerker, der etwaige Unzulänglichkeiten spürbar durch die Freude an der Sache kompensiert – und sich auf der Bühne zudem auf eine perfekt eingespielte, mit (mindestens) drei Gitarren hantierende Liveband verlassen kann, vor deren Können der umwerfend vital und jugendlich agierende 55 Jährige seine Musiker-Ambitionen ohne Einschränkungen ausleben und hemmungslos den Frontmann geben darf. Unter diesen Voraussetzungen zeigt sich auch, dass Duchovny die Rolle (viel deutlicher noch als auf Tonträger) als mitreißender und charismatischer Singer-Songwriter-Entertainer durchaus ausfüllt, sich ohne falsche Zurückhaltung in seine sonoren Kompositionen stürtzt. Der aufgefahrene Spielwitz birgt deswegen nicht nur einen immensen Unterhaltungswert, sondern ist in seiner simpel gestrickten Direktheit ohne Aufwärmphase oder Barriere ansteckend. Man spürt einfach den beinahe unschuldig wirkenden Spaß, den Duchovny an seinem Hobby hat und goutiert diese Leidenschaft.
Dass dennoch kaum jemand aus dem Publikum  wie aufgefordert etwa den „Whohooohoo„-Harmoniegesang von Another Year (offenbar mangels entsprechender Kenntnis) mittragen kann, spielt dann insofern auch keine Rolle. Selbst die bei Hell or Highwater auf der Bühne versammelte Tourcrew erweist sich (abgesehen von einem bärtigen Typ mit MotörheadShirt und Pantera-Beanie) schließlich als nicht sonderlich textsicher. Auch sie schunkelt lieber inmitten der Welle der wohlwollenden Euphorie, mit der die in Minuten ausverkaufte Arena (nachdem das Konzert wegen der immensen Nachfrage bereits vom kleinere Chaya Fuera hochverlegt werden musste) Duchovny frenetisch für einen Konzertabend bejubelt, der sich tatsächlich als kurzweiliger erweist, als die Auftritte etwaiger Vollzeitmusiker. Bezeichnend, irgendwo.

David Duchovny Live 2

Bis zu einem gewissen Grat mag das auch daran liegen, dass die Wunschtraumerfüllung von Duchovny in Wien als Abschluss der elfteiligen Europatour ihren finalen Höhepunkt erreicht, der hinausgedehnt werden soll. Immer wieder betont der New Yorker deswegen, dass er und Band im Grunde am liebsten gar nicht zu spielen aufhören wollen würden: „Wir werden euch nicht gehen lassen!“ urteilt Duchovny immer wieder. Also wird eine Party ausgerufen, die bis an die Grenzen des überschaubaren Katalog geht: Von dem die Stimmung vorgebenden Let it Rain bis zum geradezu exzessiv ausgelegten Positively Madison Avenue wird praktisch das gesamte Repertoire der Duchovny Band abgebrannt. Mit dem restlichen Programm lässt dich feststellen: Einen alleine quatitativ erschöpfenderen Gig hat Duchovny zumindest in Europa nicht gegeben.
Hell or Highwater wird bis auf Lately It’s Always December zur Gänze zelebriert (eigentlich sogar: in jeder Hinsicht verbessert), während die wenigen neuen Nummern (von denen Every Third ThoughtIf Less is More, More Is Less und Every Third Thought gespielt werden) den initialisierten Status Quo (Talent gepaart mit dem nötigen Kleingeld, um Ideen adäquat in Szene setzen zu können) anstandslos fortführen und sich damit auch unmittelbar in die homogen mit Fremdkompositionen ausgeschmückte Setlist einfügen. Bei den (stimmlich schiefen, aber dennoch stimmigen) Interpretationen der beiden Funk-Jam-Exkursionen Stay (David Bowie) und  Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin) (Sly & The Family Stone) tanzt Duchovny ausgelassen durchs Publikum und lässt sich in den Rängen feiern, Square One (Tom Petty) intoniert er als Eröffnung der Zugabe erst im Alleingang (übrigens der einzige Song mit dem seine theoretischen Limitierungen auch an dieser Front genüsslich ignorierenden Duchovny an der Gitarre), nur um sich umso spannungsgeladener von den einsteigenden Mitmusikern unter die Arme greifen zu lassen. Mindestens ebenso gut gelingt das ausgegrabene Flaming LipsCover Yoshimi Battles the Pink Robots im liebenswert  süffisant-knackig inszenierten Marathon, der kaum Durststrecken (bei dem ruhigen When The Time Comes schweift die Aufmerksamkeit des Publikums merklich  ab, was für ein wenig Leerlauf in der wechselwirkenden Chemie zwischen Bühne und Zuschauermenge sorgt), aber zahlreiche Highlights von der schnulzigen Kitschnummer (Stars gerät mit Banjo-Unterstützung etwa herzerweichend sentimental) bis zum hervorragenden Dadrock kennt.

David Duchovny Live 4

Dass sich Duchovny zudem als genau jener lakonisch-liebenswürdige, schlitzohrig-humorvolle Charismatiker entpuppt, den man sich anhand seiner Bildschirmpräsenz über die Jahre ausmalen durfte, spielt ihm zusätzlich in die Karten. Es ist geradezu entwaffnend sympathisch und nonchalant im nicht klischeefreien Gestus aufgehend, wie er da den Mikroständer umschlingt und zweideutig auf einzelne Personen in der Menge verweist, den Anheizer mit Jumping Jacks macht, zu seinen Songs gut gelaunt abgeht, ein tolles Gesamtpaket schnürt.
Wenn Duchovny nach der regelrecht skurrilen Vorstellung durch Tourmanager samt beschwipsten Übersetzer (und nein: David erscheint absolut nicht derart redefaul oder introvertiert wie angekündigt!) zu Don’t Stop Me Now von Queen einlaufend, launige Anekdoten über seinen Wiener Onkel Stick erzählt und T.S. Eliot rezitiert habend und sich mit Zipfer-Bier potentielle Werbestellung abhakend nach knapp zwei Stunden Spielzeit angesichts eines restlos ausgeschöpften Songpools doch Schluß macht und damit gefühltermaßen zu früh die Bühne verlässt, ist der Abend ein voller Erfolg. Selbst, wenn er es neben einigen eingestreuten Brocken Deutsch entgegen seiner zahlreichen Animationen auch nicht schafft, das Publikum aus der Reserve zu locken und während der Songs zum Austicken und Tanzen zu bringen (sondern eher zum exzessiven Fotografieren), dann ist das kein Scheitern, auch kein gebrochenes oder gar leeres Versprechen. Sondern vielmehr ein Wachstumsprozess und aussichtsreiches Weichenstellen für die Zukunft. Bei seiner nächsten Tour werden die Besucher nämlich eventuell nicht mehr primär als Fan des Schauspielers David Duchovny kommen – sondern durchwegs des stimmungsvoll über den Erwartungen abliefernden Musikers wegen.

David Duchovny Live 1

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