David Bowie – The Next Day
David Bowie kehrt nach zehn Jahren aus der Versenkung zurück. Im Gepäck hat der Thin White Duke eine zwischen Nostalgie und Anachronismus schwankende Aufarbeitung der eigenen Karriere mittels souveräner Glamrock-Nummern. Und ist das hinter dem frechen Artwork gar ein subversiver Entmystifizierungsversuch des eigenen Schaffens?
Eine konkrete Antwort diesbezüglich bleibt der längst wieder abgetauchte 66 jährige schuldig. Fest steht hingegen: Bowie hat nicht selten Lust darauf die eigene Vergangenheit herbeizuzitieren und die zeitlich begrenzte Zukunft in Frage zu stellen. Da flaniert er über den Potsdamer Platz oder durch die Nürnberger Straße, „Here I am, not quite died/My body left to rot in a hollow tree“ heißt es auch, oder „I’d rather smoke and phone my ex/ Be pleading for some teenage sex“ – während sich an anderer Stelle der eröffnende Titeltrack allzu gemütlich an ‚Rebel Rebel‚ anlehnt, ‚How Does the Grass Grow?‚ bereitwillig ‚Pablo Picasso‚ (die ‚Reality‘-Version inklusive addierter Muppets-Ulkigkeit) bemüht und ‚Boss of Me‚ nach ‚Neuköln‚ zeigt. Diese zelebrierte Rückbesinnung genießt auf dem chronistischen ‚The Next Day‚ grundsätzlich Methode: durch das schaumgebremste ‚Dirty Boys‚ stolpert ein launiges Saxofon vorneweg, ‚Love Is Lost‚ bläst mit seinen kristallisierenden Synthies direkt in die 80er.
Das 24. Bowie-Werk, es benutzt eben nicht nur Artwork aus dem Glanztagen der 1970er (übrigens auch als T-Shirt zum Schnäppchenpreis von 70 Pfund erhältlich), es sehnt sich auch im Songwriting nach der Phase von ‚Heroes‚ oder ‚Scary Monsters‚ – bewerkstelligt diese Sehnsucht aber eher mit der Herangehensweise von ‚‚Hours…‘‚, ‚Heathen‚ und dem unterschätzten ‚Reality‚. ‚The Next Day‚ gerät so zu einem grundsätzlich durch und durch soliden Album des Altmeisters, ohne nennenswerten Ausfall. Allerdings auch zu einem auf Nummer sicher gehenden Stück Musik, welches Musiker in Bowies Alter eben gerne als „Rockplatte“ deklarieren. Tatsächlich hat die verträumt aus dem Rahmen fallende Vorabballade ‚Where Are We Now?‚ allerdings wirklich nicht nicht die beschwingte Grundausrichtung des Albums zwischen Glam und Poprock vorweggenommen. Das unerwartete erste Lebenszeichen Bowie’s seit einer Dekade bleibt in seiner Nachdenklichkeit herausragender Ruhepunkt einer weitestgehend unterhaltsam nach vorne drückenden Platte, deren spärlich gesähte Höhepunkte bereits genügen, um ‚The Next Day‚ dezent über souveränes Mittelmaß wachsen zu lassen.
Da wäre der flotte Melancholiker ‚The Stars (Are Out Tonight)‚ mit seinen elegischen Streichern oder das sehnsüchtig rockende ‚Valentine’s Day‚. ‚Dancing Out In Space‚ vereint die Vorlieben Bowie’s, hüpft gut gelaunt einher und bringt die musikalische Unbekümmertheit von ‚The Next Day‚ auf den Punkt und die Tanzfläche. ‚(You Will) Set the World On Fire‚ ist ein stampfender Stimmungsbrocken, ‚Heat‚ dagegen ein anmutiger Schlußpunkt mit köchelndem Instrumentarium.
Wirklich überragend ist dabei keiner dieser Songs geraten. Auch ist Bowie weit von Mehr-oder-Minder-Alterskollegen entfernt, die auch heute noch verstören (Scott Walker mit ‚Bish Bosch‚), exzessiv vor sich hinjammen (Neil Young auf ‚Psychedelic Pill‚), die eigene Discography fulminant zusammenfassen (Tom Waits mit ‚Bad as Me‚), sich stets neu erfinden (Nick Cave auf ‚Push the Sky Away‚) oder sich der Lächerlichkeit preisgeben (Lou Reed mit ‚Lulu‚) – viel eher unterhält der Brite auf (oder leicht unter) dem Niveau der Platten zwischen 1999 und 2003 – mit einer wenigen altbackenen Produktion hätte Spezi Tony Visconti hierraus eigentlich noch deutlich mehr hervorholen müssen. Sei es drum. Es ist letztendlich eben nicht nur die reine Freude darüber endlich neue Bowie Songs hören zu dürfen, die behäbig mit der (nach zehn Jahren Wartezeit) vielleicht zwangsläufigen Enttäuschung ‚The Next Day‚ versöhnt. Sondern dessen Songs.
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