Daughters – You Won’t Get What You Want
You Won’t Get What You Want? Doch! Immerhin ist die kaum noch für möglich gehaltene Rückkehr der Daughters der bereits nach ihrem 2006er-Meisterstück Hell Songs erhoffte nächste, verstörend konsequente Evolutionsschub in der Geschichte einer herrlich eigenwilligen Band.
Ohne ihr starkes, [amazon_link id=“B00359Y022″ target=“_blank“ ]selbstbetiteltes drittes Studioalbum[/amazon_link] unter Wert zu verkaufen: Rückblickend bestätigt der temporäre Schwanengesang von Daughters nun zumindest den bereits seinerzeit enttäuschendes Eindruck. Immerhin hatte sich die Band vom Debüt [amazon_link id=“B000254SB0″ target=“_blank“ ]Canada Songs[/amazon_link] zum Nachfolger [amazon_link id=“B000GFRDWC“ target=“_blank“ ]Hell Songs[/amazon_link] geradezu radikal verändert, war gewachsen – vom rasenden Grindcore zum hirnwütigen Schmelztiegel aus Hirnfick-Vertracktheit und Mathcore-Nervosität; zum Noiserock-Derwisch mit Artpunk-Tendenzen und einem Frontmann an der Spitze, der plötzlich klang, wie der wahnsinnig gewordene Bastard von Elvis Presley und Josh Homme.
Hell Songs mutierte zu einem einladenden Irrenhaus mit Jesus Lizard als Säulenheiligen, das seinem Titel alle Ehre machte und für die Band eine ganz eigene, charakteristische Nische freirandalierte. Vier Jahre später fand die Ernüchterung insofern auf hohem Niveau statt: Daughters bot 28 Minuten eine starke Verwaltung dieser Hohheitsgebiete, konnte aber dem speziellen Wesen der Band keine tatsächlich neuen Aspekte abgewinnen, keinen zusätzlichen Raum provozieren oder den aufregenden Signaturen Sound von Hell Songs entsprechend vertiefen.
Wahrscheinlich haben das nicht zuletzt auch Daughters selbst so gesehen – zumindest war im Geheimen ohnedies längst der Bruch passiert: Nicholas Sadler und Sänger Alexis Marshall gerieten in Streit, woraufhin letzterer ausstieg und rückwirkend doch den – die Kombo paradoxerweise erst überhaupt noch am Leben erhaltenden – Gitarristen aus der Band ekelte („So I didn’t really leave, the band just fell apart. In some way, I guess I was kicked out by the guy who quit. From my perspective, I don’t think I’ll ever play with Daughters again„). Kurzzeitige Engagements bei Fang Islands und neue Spielwiesen wie Fucking Invincible später gab es 2013 doch die Aussöhnung und Daughters tasteten sich über eine zögerliche Reunion über einzelne (Cover-)Songs für die Wiedergeburtshelfer von Robotic Empire in das (mindestens) zweite Leben zurück.
Genau dort setzt You Won’t Get What You Want nun also an, indem es Daughters nach knapp acht Jahren Albumpause in kreativer Hinsicht wieder penetranter vorantreibt, als auf dem seidenen Faden der Selbstbetitelten, hungrig weiterwachsen lässt und die Evolution der Band vielleicht sogar formvollendet, indem der Assimilierungsprozess noch einmal ausgedehnt wird.
You Won’t Get What You Want erhebt eine unfassbar konzentrierte, monolithisch-maschinelle Rhythmik zum tragenden Element und Rückgrad jedes Songs, bremst das Tempo meist hypnotisch walzend aus und transzendiert so stoisch über die unbeirrbare Symbiose aus Schlagzeug und Bass artikulierend, wie man das sonst nur von den (hierfür enorm prägenden) Swans kennt. Dazu addieren Daughters eine zerschossen, bösartige, nihilistisch-gefährliche und depressiv miefende Abartigkeit wie KEN mode, die garstig lärmende Griffigkeit von Metz, wickeln auch Ansätze von Unsane, Will Haven oder Young Widows mit Stacheldraht um eine kalte, sehnsüchtig aus verlassenen Fabrikshallen startende Melancholie – vielleicht wie Have a Nice Life aus der Perspektive eines martialen Scott Walker-Deliriums, sicher aber trotz all der asoziativen Nähe mehr denn je wie niemand sonst klingend.
Dafür tauschen Daughters ihre sehnige Unberechenbarkeit endgültig gegen eine repetitiv-flächige Muskulatur – und das quirlige Momentum gegen flächigen Druck, der hinter einem nur scheinbar trägen Volumen innerlich rastlos brodelnd und zuckend bleibt. Eine mysteriös-verängstigende Beklemmung entsteht, eine ungemütlich fesselnde Rohheit und energische Intensität mit breiten Reibungspunkten: Ästhetisch hätte der Anzug nach Platten wie Thin Black Duke also auch im Hydra Head-Schrank bleiben können – Ipecac sitzt als neue Adresse aber ebenso perfekt, wenn Daughters anstelle spastischer Sekundenausbrüche voller Irrwegen und Wendungen ein Motiv mittlerweile auch über mehr als sieben Minuten ausbreiten, zu verfolgen und exerzieren pflegen.
Dann strickt das zusammengeraufte Quartett aus Rhode Island den Raum neben systematisch zuckenden Gitarren mit prominent rotierenden Synthies immer dichter, intensivieren die Atmosphäre zwischen vermeintlichen Gegensätzen: You Won’t Get What You Want ist seltsam gehetzt und noch geduldiger, klaustrophobisch und dynamisch, simplizistisch und detailliert. Daughters formulieren ihre Songs mit einer panischen Ruhe und rastlosen Gelassenheit, so wuchtig und grobschlächtig kräftig, arbeiten mit einer präzisen Motorik, die permanent getrieben nach vorne geht – eine brütend fokussierte, manische konzentrierte Atemlosigkeit mit postpunkig zum Sprechgesang neigenden Vortrag, zu jeder Sekunde selbstsicher und bestimmt.
City Song klopft als pulsierend-düsterer Industrial-Thriller an, trägt die übersteuerte Distortion schon auf den kreischenden Snare-Schlägen, walzt wie eine archaisch-militante Zeitlupe in hypnotischer Trance, als hätte sich Michael Gira Portisheads Machine Gun angenommen: Die raufend interagierenden Gitarren und Synthies sind gleichzeitig Drone und heulender Horror-Suspence als fiependes Nervenstrangulation, Alexis S.F. Marshall taumelt wie sediert im Fiebertraum durch das immer ungemütlicher gegen den Strich polternde Geschehen, geißelt sich selbst als Backingstimme in Ekstase, rezitiert davor irritierend ein schemenhaftes Mantra aus der Hölle. Die Wirkung, wenn er im Appendix der Nummer vor völliger Stille zwischen Predigt und Singsang wechselt: Unbezahlbar eindringlich.
Long Road No Fan platzt danach dennoch unvermittelt los, nimmt Tempo auf und treibt mit einer verstörend subtilen Aggressivität und neben der Spur werkelnden Wahnsinn. Man kann sich dem Drive der Nummer nicht entziehen, das geht in die Beine und weicht den Kopf auf, wird immer hitziger und majestätischer. Doch selbst wenn die oszillierend-pendelnde, fast psychedelische schillernde Melodie kurz darauf in das mit Future of the Left’schem Schabe-Bass und wuchtigem Battles-Schlagzeug mahlenden Satan in the Wait dräut, eine Wohltat in der Monotonie andeutet, die keine Ermüdungserscheinungen bekommt, sollte man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: You Won’t Get What You Want nimmt keine Gefangenen.
Das hyperventilierende The Flammable Man reißt schließlich den von Tarantel gestochen Radau an, wirft sich selbst in den spulenden Fleischwolf auch im hysterischen, straight-punkigen The Lords Song schnüffelt die Band Kerosin im kompakten Sprint – ohne dabei vielleicht genügend auf Nachhaltigkeit zu achten.. Wie ambivalent die Amplituden von Daughters jedoch auch in die anderen Extreme ausschlagen können, zeigt dann zum Einen das minimalistisch pluckernde Less Sex als karger Blues über dem Gerüst eines ausgemergelten R&B-Skeletts als Clubmusik aus der Hölle, das auch Mark Lanegan selbst dann gefallen dürfte, wenn der Refrain mit bohrenden Schub als elegant schreitender Ballsaaltanz für melancholische Folterkeller zu jubilieren beginnt. Zum Anderen beschwören Daughters ein fast schon poppig flanierendes Daughter oder sticheln eine im Kontext als Hit durchgehende Frontalattacke ala The Reason They Hate Me aus dem Hornissennest: Ein entgegenkommender Ausgleich zum demonstrativ schwerwiegenden Gewicht der Eingangs- und Ausgangsphase der Platte, als kurzweiliges Intermezzo dezent im Schatten darbend, aber weniger charakteristisch unverrückbar, wie jene Passagen der Platte, die sich stärker durch die Ausdrucksform und Ästhetik als über das Songwriting definieren.
Ocean Song groovt dafür entlang dorniger Gitarren und randaliert immer wieder schmerzverzerrt in aggressiven Drohgebärden, ist gleichzeitig das trügerisch in Sicherheit wiegende Auge des Orkans und dessen schwindelerregende Ausläufer. Und Guest House hämmert wie von Sinnen um wellenförmige Nackenschläge, baut einen cineastische Wall of Sound auf und klingt wie die doomjazzige Metal-Hymne eines unerbittlichen Bösewichts, der als böser Wolf an die Tür hämmert – „Let me in!“ skandiert, bis das Blut in den Adern gefriert – und sich letztendlich im gleißenden Licht eines orchestralen Fegefeuers selbst verschlingt.
Ein Möbiusbands also, das den Bogen zum pochenden Beginn von City Song spannt, und so in seinem eigenen abgründigen Kosmos zu existieren scheint, 49 Minuten aus der Umwelt isoliert und unter die Haut gehend elektrifiziert, aber letztendlich nicht auskommt: Auf ein hauseigenes Referenzwerk nachzulegen, damit hatten Daughters in der Vergangenheit ihre Probleme. You Won’t Get What You Want ist insofern eine zweite Chance. Und das beste: An ihr müssen sich nicht nur Daughters selbst messen, sondern bis auf weiteres wohl auch ein Gros derer, die durch Noiserock-affine Gefilde wildern.
[amazon_link id=“B07G1YKP9L“ target=“_blank“ ]Vinyl LP auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B07G1XX33D“ target=“_blank“ ]CD auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B07FZ62QLC“ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link] |
5 Trackbacks