Das Jahr in Platten mit: Messer
Wenn die vorangegangenen 12 Monate etwas bewiesen haben, dann dass ein Jahrgang so gänzlich ohne Messer-Veröffentlichung kein restlos guter ist. Allerdings sind alle Weichen gestellt, diesen Misstand 2016 zu vermeiden: Die besetzungstechnisch runderneuerten Münsteraner (Hendrik Otremba, Milek, Pogo McCartney, Philipp Wulf und Manuel Chittka) befinden sich derzeit im Studio, um den Nachfolger zu Die Unsichtbaren aufzunehmen – schon jetzt praktisch eine der am sehnlichst herbeigesehnten Scheiben der nächsten Monate. Dass Basser Pogo und Sänger Hendrik dabei trotz allem die Zeit gefunden haben, uns wieder einmal ihre Lieblingsalben des auslaufenden Jahres zukommen zu lassen, wissen wir natürlich immens zu schätzen: ein Heavy Pop Adventskalender ohne Messer wäre eben auch absolut kein guter.
Pogo McCartney:
Ought – [amazon_link id=“B0113D4L8O“ target=“_blank“ ]Sun Coming Down[/amazon_link]
Nach einem sehr aufreibenden Jahr bin ich im Oktober nach Spanien geflogen, um dort durch den maßlosen Verzehr von Oliven wieder in die Spur zu finden. Leider bin ich damals pünktlich zum Abflug an einer Grippe erkrankt. Die ganze Hinreise war die Hölle. Ich hatte ständige Schweißausbrüche und jede Bewegung fiel mir unglaublich schwer. Angekommen ging ich also schlecht gelaunt in die Dusche. Kurz zuvor aber machte ich die Platte zum ersten Mal an und merkte gleich, wie dieses Album mir von Sekunde zu Sekunde die Laune erheiterte und mich immer mehr ankommen ließ.
Wenn eine Platte meine Stimmung in so kurzer Zeit und trotz einer Grippe steigern kann, dann soll sie dieses Jahr meine Platte des Jahres werden.
Disappears – [amazon_link id=“B00QMD32X6″ target=“_blank“ ]Irreal[/amazon_link]
Alleine wegen des Schlagzeugsounds und des immer größer werdenden Wahns der Band. Die Entwicklung gefällt mir sehr.
Deerhunter – [amazon_link id=“B0141UXTGQ“ target=“_blank“ ]Fading Frontier[/amazon_link]
Die letzten Alben seit der unglaublichen [amazon_link id=“B001EGS556″ target=“_blank“ ]Microcastle[/amazon_link]-Platte haben mich eher kalt gelassen. Bei diesem Album haben sie mich wieder etwas kriegt. Trotz der sehr poppigen Entwicklung finde ich den subtilen Schmutz im Sound sehr anziehend und spannend.
Dagobert – [amazon_link id=“B00S1WX55Q“ target=“_blank“ ]Afrika[/amazon_link]
Mein Freund Dagobert zeigt mal wieder was er am besten kann: Freude bereiten. Moonlight Bay hat mich schon so manches Mal in diesem Jahr zum Schwofen gebracht.
Hendrik Otremba:
U.S. Girls – [amazon_link id=“B01167X49Y“ target=“_blank“ ]Half Free[/amazon_link]
Killer. Jedes Stück hat so unglaublich viel Originalität, die ganze Platte lebt von einem krassen Drive, außerdem das beste Cover des Jahres. Woman’s Work, das letzte Stück, ist kaum zu ertragen, so gut ist das. Interessant – und bestimmt vielerorts tiefsinniger als hier von mir beschrieben – ist der Weg der einzigartigen Meg Remy: Ihr bisheriges Werk war echt weit draußen, das hier ist ziemlich weit … äh … drinnen?
Viet Cong – [amazon_link id=“B00OHKK8X8″ target=“_blank“ ]Viet Cong[/amazon_link]
Zwischen Beach Boys und dem A-Team-Score, Retrofuturismus mit Anleihen bei John Carpenter und dem Film Vertigo, dabei aber schon eine Gitarrenband und irgendwie auch Detektivmusik (versuche ich gerade als Genre zu etablieren – Vorschläge?). Kontroverse um den Namen, den ich immer eher als popkulturellen Verweis auf mediale Repräsentationen des Vietcong gelesen habe und eben nicht im Sinne einer Provokation. Aber wie werden die nun in Zukunft heißen? Hauptsache, sie machen weiterhin Musik.
Jim O’Rourke – [amazon_link id=“B00W4SKOJ8″ target=“_blank“ ]Simple Songs[/amazon_link]
Das ist so gut – alles, was sich hier dazu sagen möchte: Simple Songs! Das ist alles. Ok, ein Highlight: Friends With Benefits. – da gibt es im Stück so eine Stelle, die manifestiert einfach unbestreitlich, warum Musik das tollste ist, was es gibt (neben ein paar anderen Dingen, zugegeben).
Deerhunter – [amazon_link id=“B0141UXTGQ“ target=“_blank“ ]Fading Frontier[/amazon_link]
Mich würde interessieren, ob Deerhunter jemals ein Album veröffentlichen werden, dass sich nicht in meine Top-Wasauchimmer schleicht. Mehr der Welt zugewandt als Monomania. Mein Lieblingstextzitat (in Snakeskin): „I was born with a snakelike walk.“ Bradford Cox ist ein toller Erfinder, echt!
Beach House – [amazon_link id=“B00Y1QSDRQ“ target=“_blank“ ]Depression Cherry[/amazon_link]/[amazon_link id=“B016E9KA1E“ target=“_blank“ ]Thank Your Lucky Star[/amazon_link]
Beide Alben sehr gelungen, das zweite hat mehr Hits. Insgesamt aber wieder etwas verschrobener, was nicht schadet, im Gegenteil. Highlight auf der zweiten Platte: All Your Yeahs. Ich habe ein Konzert kurz nach den Vorfällen in Mali, Paris und viel zu vielen anderen Orten gesehen und dort eine Sängerin erlebt, die – sichtlich bewegt – sagte, dass gerade in diesem Moment überall auf der Welt so viele Konzerte seien, dass die Mörder niemals werden verhindern können, dass sich Menschen amüsieren. Also: Ausgehen, jetzt erst recht!
Jessica Pratt – [amazon_link id=“B00Q9H9ERS“ target=“_blank“ ]On Your Own Love Again[/amazon_link]
Ich weiß gar nicht so ganz genau, wie ich das beschreiben soll, aber diese Stimme und das unbeeindruckte Gitarrenspiel finde ich nahezu verzaubernd, das fühlt sich so an wie die erste eigene Wohnung, total intensiv, man verliert nicht die Lust, sich durch die Räume zu bewegen und empfindet eine tiefe, wenn auch leicht melancholische Zufriedenheit. Und das Cover ist auch richtig stark!
Tobias Jesso Jr. – [amazon_link id=“B00QSX2VT6″ target=“_blank“ ]Goon[/amazon_link]
Total einfache Songs ohne viel Pomp, ein unfassbar sympathischer Musiker mit schwarzen Locken, der etwas schüchtern über sein Klavier guckt, um von dort aus die Welt zu beschreiben. Hat mir dieses Jahr viele schöne Momente beschert.
Marching Church – [amazon_link id=“B00V2D3OCU“ target=“_blank“ ]This World Is Not Enough[/amazon_link]
Wenn auch nicht ganz so auf den Punkt gebracht wie beim aktuellen Album seiner anderen Band Iceage zeigt Elias hier, dass er eine weitreichende musikalische Perspektive besitzt. Marching Church war immer krudes Soloprojekt, hier ist es zu einer Allstar-Band der dänischen Szene ums Label Posh Isolation gewachsen: Puce Mary, Lower etcetera. Die Stücke sind häufig improvisiert und demensprechend herausfordernd, es gibt aber mit King Of Song auch sehr zugängliche Songs. Wenn man aber diese merkwürdige Art zu singen Elias’ nicht mag, sollte man von Marching Church ablassen – diese Eigenheit wird hier auf eine vorläufige Spitze getrieben.
Diät – [amazon_link id=“B015NGJVSC“ target=“_blank“ ]Positive Energy[/amazon_link]
Mein Kumpel Iffi am Schlagzeug und ein paar andere Ganoven aus der ganzen Welt. So gut wie alle Bands aus dem Westen, die ich gut finde und die Halt in Berlin machen, schnappen sich Diät als Vorband – ohne dass die zur Vorband degradiert werden. Die Band hat auf den spannendsten Festivals gespielt, bis hin zum Berserktown in L.A.! Düsterer Postpunk, manchmal fast ein bisschen frech. Mir gefällt besonders, wie der Gesang gemischt ist.
Institute – [amazon_link id=“B00W2WL7UQ“ target=“_blank“ ]Catharsis[/amazon_link]
Sacred Bones, da ist eh so gut wie alles bester Qualität. Institute sind ein band-gewordenes Fuck You, wie es das schon tausende Male gegeben hat, aber mir macht das ehrlich gesagt auch immer wieder Spaß. Der Sänger ist ein interessanter Typ, im Interview etwas zu infantil unnahbar, seine Arroganz war eher eine Pose. Nun ja, wenn er total nett gewesen wäre, hätte mich das wahrscheinlich gelangweilt. Super auch das Artwork, das die standardisierte Sacred Bones-Oberfläche ad absurdum führt! Das muss man erst schaffen …
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Besten Dank wieder einmal an Pogo, Hendrik und die Gruppe Messer!
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