Darkest Hour – Godless Prophets & The Migrant Flora
Darkest Hour kurbeln den Agressivitätslevel wieder nach oben und korrigieren den Irrtum, den der maue Vorgänger darstellte: Godless Prophets & The Migrant Flora ist der erhoffte Schritt zurück zu alten Stärken und knüppelt sich zum Anschluss an die Bandphase rund um das brillante The Undoing Ruin.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass 2014 gerade das achte Studioalbum der Kombo aus Washington selbstbetitelt daherkam – schließlich taumelten Darkest Hour ausgerechnet darauf zwischen weichgespültem Metalcore, anbiederndem Klargesang und zahmen Melodien, verzettelten sich mit Soundänderungen und mediokren Szenen, in denen das Quintett wie ein orientierungsloser Schatten seiner selbst wirkte. Kurzum: Darkest Hour enttäuschten gerade auf Darkest Hour am falschen Weg Richtung Massentauglichkeit und Mittelmaß so weit entfernt von ihrer eigentlichen Kompetenzen.
Dass die Band sich nach einer relativen Verwalterplatten wie The Human Romance kreativ nicht wiederholen wollte, erschien zwar durchaus lobenswert – allerdings eben auch nur umso schwerer goutierbar, da Darkest Hour in der bewährten Gangart schließlich trotzdem (und gerade auch mit einer gewissen Verlässlichkeit) zu den unbestrittenen Melodic Death Metal-Königen gehörten.
Was der Kombo im Vorfeld zu Godless Prophets & The Migrant Flora auch selbst eingegangen zu sein scheint. Per Crowdfunding sammelten Darkest Hour die nötigen Finanzmittel, um sich von Kurt Ballou in den Godcity Studios wieder auf Kurs bringen lassen zu können und konsequenterweise sogar mit Ex-Stammgitarrist Kris Norris zusammenzuarbeiten: „While this album is not throwback or homage to anything we have done in the past, we are doing our best to capture the spirit and energy of those early records this time. Bringing in Kris on a few songs is just a great way to keep things fresh. This album is as forward-thinking creatively as it is noticeably Darkest Hour sonically“ erklärt Mike Schleibaum zum Teil richtig.
Godless Prophets & The Migrant Flora gerät aus dieser vielversprechenden Ausgangslage vom ersten Moment an nämlich tatsächlich zur erhofften, revitalisierenden Schlachtplatte, von Ballou finster und mit ordentlich Druck unter der Haube hin zum Hardcore positioniert.
Darkest Hour klingen damit brutal und aggressiv wie in ihren besten Tagen, knüppeln selbst den angetäuscht einsetzenden Metalcore-Refrainpart im eröffnenden Killertrack Knife in the Safe Room demonstrativ in Grund und Boden. Godless Prophets & The Migrant Flora presst danach mit wütendem Tatendrang zurück in die frühen 2000er, schrammt Blastbeats und expandiert doch auch dezent in umliegende Genres. Die Produktion der 12 Songs ist dementsprechend roh, wuchtig und massiv ausgefallen, schärft das Profil der Band hungrig, während Darkest Hour von einem endlich wieder ausnahmslos angepisst nach vorne treibenden John Henry gnadenlos angepeitscht werden. Dass da wenig Nuancen in der gebrüllten Raserei bleiben – geschenkt!
Hier stimmt einfach die zugrunde liegende Motivation, die Dringlichkeit und Intensität. Die kraftvolle Performance besorgen den angriffslustigen Kompositionen den Rest. Das furiose Those Who Survived destilliert etwa die heavy zupackende Hardcore-Kante der Platte, während Widowed die obligatorisch gezupft-klassiche Instrumental-Verschnaufpause gibt und Enter Oblivion seinen Hass über harmonische Zugänge und muskulöse Powerchord-Riffs zu einer düsteren Atmosphäre drosselt. Das an The Black Dahlia Murder erinnernde The Flesh & the Flowers of Death wiederum inhaliert Black Metal-Dämpfe um diese schwindelerregend auszukotzen, und auch das progressiver veranlagte Another Headless Ruler of the Used fährt einen regelrecht bedrohlich dichten Hintergrund auf. Das monströs galoppierende, thrashige This is the Truth prügelt das Fleisch von den Knochen und macht gleichermaßen hymnisch auf, lässt minimalen Platz für eine atmosphärische Ruhephase, nur um ein umso großartiger den Pathos verehrendes Gekniddel hinterherzuschieben.
Stichwort Gitarrenarbeit: An dieser Front fährt Godless Prophets & The Migrant Flora ein paar der besten Solo-Husarenritte der Bandgeschichte auf. Blisskill-Hexer Norris wirbelt etwa im verhätnismäßig unspektakulär daherkommenden Oldschool-Schlußpunkt Beneath it Sleeps, Sevendust-Gitarrist John Connolly veredelt das brachial aufgetürmte Timeless Numbers und In the Name of Us All hyperventiliert im Metal.
Darkest Hour machen mit Godless Prophets & The Migrant Flora also verdammt viel richtig, wenn auch nicht alles. Die hauseigenen stilistisch nahverwandten Referenzwerke wie Hidden Hands of a Sadist Nation oder The Undoing Ruin konnten ihre Bestialität zu noch epischeren Momenten zuspitzen, wo es den Amerikanern 2017 vor allem in der zweiten Plattenhälfte an den ikonischen Szenen mangelt. Gelegentlich bleibt da das Gefühl, dass Godless Prophets & The Migrant Flora zu sehr im Dienst der Comeback-Sache arbeitet, sich auf seine Radikalität im Auftreten fokussiert und deswegen nicht auf die unbedingt hartnäckig hängenbleibenden Melodien konzentrieren konnte: Nur das erbarmungslos tackernde None of this is the Truth beschwört eine große Geste für den Refrain, The Last of the Monuments lässt Ahnungen einer clean gesungenen Passage zu.
Rückblickend wird Godless Prophets & The Migrant Flora damit letztendlich in die Geschichte von Darkest Hour wohl weniger als Nostalgie-Feuerwerk eingehen, denn als die vor Energie berstende, dringend nötige Kurskorrektur in die richtige Richtung. Gleichzeitig sollte die Frage, ob die entfachte Euphorie nach einem weniger schwachen Vorgänger auch derart groß wäre (und beispielsweise an dieser Stelle zwischen den Bewertungspunkten für eine anstandslose Aufwertung gesorgt hat), durch das ausfallfreie, authentische Songwriting unmittelbar beantwortet werden – wo erst nur wenig hängen bleibt, wächst Godless Prophets & The Migrant Flora schließlich mit jedem Durchgang zur Machtdemonstration und egalisiert den Mangel an explizit herausragenden Einzelmomenten.
Wobei dieser Punkt ohnedies relativ zu sehen ist. Darkest Hour müssen sich hiernach ohnedies ausnahmslos an sich selbst messen lassen – und dies eben in Sphären, in denen wenig Luft nach oben ist.
Die Positionierung im 22. Bandjahr stimmt insofern zwar bestechend – entbehrt allerdings wieder nicht einer gewissen Ironie. Denn mögen Darkest Hour ihre buchstäblich dunkelste Stunde damit auch hinter sich haben und wieder an der Speerspitze angekommen sein, findet sich die Band aktuell im Vorprogramm von den Epigonen Parkway Drive und Stick to Your Guns wieder.
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