Danzig – Sings Elvis

von am 25. April 2020 in Album

Danzig – Sings Elvis

Glenn Danzig Sings Elvis und geht vor dem King in mehrerlei Hinsicht in die Knie. Nur wenige Monate nach Verotika liefert der 64 Jährige damit die nächste (faszinierende) Groteske.

Es ist nüchtern betrachtet ja absolut nachvollziehbar, warum Danzig Sings Elvis (hinter seinem Sehtest-Cover) großteils vernichtende Kritiken einfährt, und die versammelten 40 Minuten wohl gerade für Puristen und langgediente Fans des einstigen Goth/Punk-Muskelpaket-Ikone schwer zu ertragen zu sein scheinen.
Die Stimme der lebenden Legende Danzig ist im Verlauf der 14 Coversongs immerhin arg dünn und erschreckend kraftlos, pendelt ungewollt am windschiefen Zusammenbruch und intoniert nicht selten schräg neben der Spur, scheint in ihren Möglichkeiten den Ambitionen ein bisschen hilflos um Jahr(zehnt)e hinterherzuträumen – selbst zahlreiche  Tricks in der Produktion rund um freizügigen Hall oder einen erst irritierenden Lo-Fi-Klang der kargen Inszenierung, die das Bandgefüge phasenweise in einem diffusen Nebel eines dilettantisch anmutenden Mix verschwinden lassen und jede Prägnanz auslässt, können diese Mängel trotz bestem Willen nicht kaschieren.

Paradoxerweise sind jedoch all das auch Punkte, wegen derer Danzig Sings Elvis funktionieren kann – und es subjektiv auch tut. Denn gerade diese herrlich obskure Atmosphäre nimmt so stimmungsvoll und schräg ein, als würde man abseits der groß gebuchten Abende eine so seltsame wie faszinierende Gestalt auf der Bühne des Roadhouse in Twin Peaks beobachten, die sich zahlreiche Deep Cuts des Kings zur schmalen Brust nimmt, sie im sparsamen Outfit und der minimalen Instrumentierung mit obskuren Vintage-Vibe und Retro-Flair badet, in der bisweilen grotesken Schieflage aus Sepia- und Noir-Tönen aufgehend.
Danzigs Kumpels wie – Prongs Tommy Victor an der Gitarre, Joey Castillo an den Drums – verschwinden aus dem Hintergrund immer wieder an die Bar, steigen dann sporadisch wieder ein, bieten den Rockabilly und Rhythm and Blues als schlampige Option an. In One Night etwa, das wie der simple Rock‘n‘Roll einer ausgemergelt tingelten Thekenkombo anmutet, zu dessen voller Bassdrum das Timbre bricht, oder noch mehr dem plötzlich unpassend laut aus der Ecke kommenden Baby Let’s Play House, das sein Schlagzeug drei Räume entfernt vergisst, die Gitarren dafür aber für Groove und knisternde Räudigkeit sorgen lässt, während die Stimmbänder zugekleistert werden. When It Rains It Really Pours ist stampfender Bluesrock im Demo-Gewand, Like a Baby tut das selbe mit mehr Piano, während Loving Arms eine entspannte, zurückgenommene Americana-Reduktion im Auge hat und Girl of My Best Friend eine solche in beinahe poppiger Tendenz anbietet.

Dass hinten raus dann auch irgendwann doch die Luft herausen ist, gerade die Klavierballade Young and Beautiful bereits deutlich ausgeblutet auftritt, nimmt man dem Tribut kaum übel, wenn man so lange bereits an Bord war. Immerhin sind die besten und einnehmendsten Szenen der Platte ohnedies jene, in denen sich das Rampenlicht nahezu alleine auf Danzig richtet, und dieser im reduzierten Lo-Fi-Gewand durch eine Parallelwelt der 50er und 60er torkelt.
Is It So Strange empfängt voller Melancholie und Sehnsucht, streckt sich mit schwerem Moll-Klavier nach dem Unmöglichen, Lonely Blue Boy gönnt sich eine leises Stampfen und heult an der Reverb-dröhnenden Gitarre. In First in Line  klingt Danzig beängstigend heiser und sentimental, doch wie auch die Snare-befreundete Zeitlupe von Love Me lebt von einer bedingungslosen Hingabe. Das traurig schwofende Pocket Full of Rainbows ist auf deformierte Weise romantisch schön und Fever genau genommen das Cover eines Covers, aber als Lounge Nummer mit tief in die Magengrube arbeitendem Bass und Kastagnetten eine aufgelegte Nummer für Danzig.
Always on My Mind schleppt sich herrlich schwülstig und gebrechlich dahin, ist nicht totzukriegen, auch wenn die Nummer in den letzten Atemzügen zu liegen scheint und das Solo hinten raus schon im Jenseits zu passieren scheint. Gerade dieses kaputte Flair ist es, das, wenn auch sicherlich absolut unbeabsichtigt, Danzig Sings Elvis seinen von den Originalen und der Erwartungshaltung natürlich meilenweit entfernten Mehrwert, seine Identität verleiht – eine Argumentation, der man vielleicht nur folgen kann, wenn man ganz generell der ehrlichen Aufopferung und authentischen Hingabe verfallen kann, die hinter charismatischen B- und C-Movies in all ihrem Desaster stecken kann.

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