Danny Brown – uknowhatimsayin¿

von am 15. Oktober 2019 in Album

Danny Brown – uknowhatimsayin¿

Danny Brown ist schlau genug keinen Versuch zu erzwingen, das größenwahnsinnig-irre Biest Atrocity Exhibition unbedingt toppen zu wollen, sondern entspannt sich auf uknowhatimsayin¿ stattdessen – mit zahlreichen Kumpanen – in seiner eigenen Liga.

Need to calm down, so pass me the weed / Got me stressed out, situations look bleak / Time’s running out, how’d my days turn to weeks? / Up all night, toss and turn when I sleep / Pacing around, drowning sorrows in my drink.
Nach dem Spektakel 2016 konnte es für Brown offenbar ganz generell nicht derart über der Reizbarkeitszone weitergehen. Also hat sich der 38 Jährige ein neues Gebiss besorgt und einen gesünderen Lebensstil gewählt. Mehr noch hat er aber auch aus kreativer Sicht einen Gang zurückgeschalten und – wenn man so will – schon beinahe eine Gegenreaktionen zu Atrocity Exhibition aufgenommen. uknowhatimsayin¿ bremst das Kreativ-Sperrfeuer des düster-überdrehten Vorgängers jedenfalls, lehnt sich quasi in die andere(n) Auslage(n), und muß Brown nicht einmal mehr derart manisch-hyperventiluerend rappend zeigen, wo die Songlänge nun stets kompakt bleibt. Ein bisschen Contenance hat Einzug gehalten, vielleicht wird Brown aber auch tatsächlich älter und weiser.
Sofern man bei dem ewig unangepassten Querkopf derartige Begriffe überhaupt verwenden darf, ist uknowhatimsayin¿ so ein fast schon konventionelles Ausspielen von Klasse jenseits der Basics, in denen Brown unter der federführenden Executive-Rolle des A Tribe Called Quest-Masterminds Q-Tip praktisch all die Kooperationen und Produzentenfeatures (hinter dem Pult natürlich Paul White, aber auch Thundercat und Flying Lotus, Cartie Curt, JPEGMafia, Playa Haze sowie Standing on the Corner; dazu Run the Jewels, Obongjayar und Blood Orange auf der Gästeliste) assimiliert.

So entsteht aus uknowhatimsayin¿ ein grellbuntes Mosaik, das als fragmentarisches Skizzenkaleidoskop ein so kurzweiliges wie abwechslungsreiches Sammelsurium bündelt; es auch ganz bewusst in Kauf nimmt, nicht derartige Höhen zu provozieren, wie die bisherigen Alben Browns. uknowhatimsayin¿ ist vielmehr ein verspielt-lockeres Durchatmen, dass Genie und Wahnsinn in eine bekömmlichere Balance bringt, die sprunghafte Dynamik in einem für Brown sehr dienlichen Sound neben vielen starken Standards aber gelegentlich doch auch immer wieder zu spektakulären Highlights pusht.
Gemeinsam mit ASAP Ferg folgt Brown im Theme Song etwa einer sediert launigen Fidel, als würden Cypress Hill sich in Trance zu alten Wu-Tang-Umrissen bewegen, auch wenn das Duo keine Entwicklung, sondern ein traumwandelndes Treiben über unwirkliche Samples und halluzinogene Welten inszeniert. Das Wiedersehen mit Run the Jewels in 3 Tearz macht es sich mit verspult-schlapfenden Beat ebenfalls nicht zu einfach, scheint sogar immer wieder aus dem Leim zu werkeln – doch die Motorik ist unaufhaltsam im Slo-Mo wanzend, schleppt sich dahin und rollt mit seiner schweren Bassdrum vermeintlich gar über Orgeln. Das passend betitelte Savage Nomad wiederum klingt dann tatsächlich, als hätte Gonjasufi sediert wummernde Hummeln im Hintern, so psychedelisch und unruhig wie seltsam stoisch.

Das restliche Brimborium leiten White und Q-Tip quasi im Wechselspiel: Erster irgendwo im Mienenfeld aus abenteuerlichen Experimenten und versöhnlicher Eingängigkeit, zweiter näher bei traditionellen Skills und der Erfahrung im Legendenstatus.
Change Up eröffnet im jazzigen Ambiente mit organisch groovende Drums, Spaghetti-Gitarren und ätherischen Synthiesteppichen – Dirty Laundry mag es hyperaktiver, fiept und gurgelt, pumpt dann entspannt und zweckdienlich über den überdrehten Kontext, wie eine kindlich übersteigerte Erinnerung an Ice Cube und You Can Do It mit erhebenden Ende. Belly of the Beast pumpt über einen mystisch verspulten Loop, bis sich der im Raggae löst und in den Blade Runner-Kosmos eine militärische Feierlichkeit eintrommelte – das schmissige Best Life mag es dafür anachronistisch, soulig und poppig, ist beschwingt und locker verspielt, aber trotzdem unverbindlich.
Der Titeltrack U Know What I’m Sayin? schimmernd durch den entschleunigt gefilterten Dancehall-Filter, dessen Hook im Chorus von Obongjayar wohl auch Anderson. Paak gefallen wird – wohingegen Shine ein unaufgeregt melodisches Fließen darstellt, fast schon ein ätherisches Friedensangebot an verführerische Radioformate und Combat den Kreis als jazziges Rumpeln mit Green Hornet-artigen Bläsern schließt.

Über allem steht aber das brillante Negro Spiritual, das so auch am Vorgänger stattfinden hätte können, wenn Flying Lotus und Thundercat bereits damals auf der Bildfläche erschienen wären. Nervös und überdreht überschlägt sich die Szenarie, bis Barrington DeVaughn Hendricks alias JPEGMAFIA in seinem Durchbruchsjahr einen so unendlich groovenden Chorus raushaut, der 2019 an markanter Nonchalance nur schwer übertroffen wird werden können: Ein Geniestreich zu magengrubendrangsalierenden Bässen und treibenden Drums.
Auch wenn uknowhatimsayin¿ so genau genommen trotzdem eine kleine Enttäuschung sein darf, ist die Platte ein formidabler nächster Entwicklungsschritt für Brown. Waren die Vorgänger und vor allem natürlich Atrocity Exhibition nämlich immer primär an der Zukunft interessiert, öffnet uknowhatimsayin¿ die Perspektiven schließlich stärker denn je für die Gegenwart und auch die Vergangenheit.
Eine Evolution, deren Wichtigkeit man vielleicht erst rückwirkend richtig einordnen können wird, sie aber in einem so namhaften Umfeld bestehend auch ein für alle Mal die Gewissheit schafft, dass Brown selbst das Zeug zum Klassiker hat.

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