Daniel Lopatin – Uncut Gems

von am 8. Januar 2020 in Soundtrack

Daniel Lopatin – Uncut Gems

In den Staaten läuft die viel-gepriesene Adam Sandler/Safdie-Brothers-Brothers Kooperation Uncut Gems bereits regulär in den Kinos, hierzulande startet sie erst Ende Jänner exklusiv auf Netflix. Beiden gemein: der Soundtrack von Oneohtrix Point Never unter seinem bürgerlichen Namen Daniel Lopatin.

Der zuletzt bereits bei Good Times mit dem Filmmacher-Duo zusammenarbeitende Lopatin macht In Interviews keinen Hehl aus der Inspiration, die er für seinen Score aus der Arbeit von Vangelis gezogen hat. Diese Einflussquelle wäre aber auch ab den ersten Klängen des Soundtracks überdeutlich, wenn esoterische Synth-Klänge mit cheesy 80er-Flair zu wabbern beginnen, Bass und Textur-Flächen aus dem Keyboard kommen, der Moog ätherische Entspannung auf chorale Parts legt. Später breiten sich auch hallverwaschene Baywatch-Drums und halbseidene Saxofonschwaden so schwülstig aus, wie M83 das wohl gerne auch derart trittsicher und konsequent machen würde: Gleich all das passiert schließlich bereits im opener The Ballad Of Howie Bling, der zudem einen kohärenten Fluß durch seine Ideen bietet und keinen Kitsch benötigt, um (trotz der phasenweise eingestreuten Filmszenen-Samples im Verlauf) auch auf sich alleine gestellt imaginativ zu wirken.

Wo sich gerade die längeren Stücke von Uncut Gems als gewichtige Gravitationszonen der Platte ohnedies alle (stilistischen) Freiheiten nehmen und mit dunkler Nonchalance wachsen, bewegen sich auch die kürzeren Stücke unorthodox – mal mit Flöten hinter einem märchenhaften Schleier des Anachronismus, dann wieder wie Annäherungen an die Welten von Thom Yorke im Ambientmodus.
Immer aber bleiben sie dabei eher skizzenhafte Fragmente zwischen den Schwerpunkten, die mit losen Konturen vor allem die Atmosphäre im New Age und Space-Modus weiterspinnen: School Play pulsiert etwas dringlicher in der Elektronik, Back to Roslyn klingt wie die Fantasie von Tim Cappello an Stranger Things, der mit düsterer Neugierde nach vorne gehende Titelsong könnte dem Nine Inch Nails-Duo Reznor und Ross gefallen.

Was Lopatin allerdings nicht erwähnt, ist, dass Windows doch eine ziemlich, ziemlich freche Adaption von Kaneda’s Theme unter eigenen Namen ist. Wenigstens spannt das Stück mit seinen schnaufenden, pressenden, drängenden Chöre inhaltlich aber den Bogen zum Beginn der Platte und dazwischenliegenden Songs wie dem seltsam jubilierenden neonasiatischen Fuck You Howard: Die Muster und Motive der Platte sind unverbindlich, aber dicht, die 52 Minuten passieren in sich geschlossen und stimmig.
Weswegen Uncut Gems eine zwar relativ strukturoffen und formbefreit mäandernde Reise ohne konkrete Ziele bleibt, in seinem Rahmen als Stimmungsmusik aber einen so referentiell wie einnehmenden Klangraum erforscht.

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