Daniel Blumberg – GUT

von am 8. Juni 2023 in Album

Daniel Blumberg – GUT

Veritabler Body Horror im Geiste, letztendlich eine Durchhalteparole an sich selbst: Daniel Blumberg löst seine Singer-Songwriter-Wurzeln auf GUT endgültig im experimentellen Art-Avantgarde-Experiment auf.

Daniel, keep on singing/ Even when your stomach is stinging/ Even when you’re thinning and thinning“ sing Blumberg im finalen Titelstück, das sich in den Trost einer versöhnlichen Synth-Dystopie legt und zerstört damit ganz bewusst die universell reinigend Wirkung für den Hörer, macht sich die Katharsis des zutiefst persönlichen GUT alleine zu Eigen und nimm es auch in Kauf, sein drittes Studioalbum unter eigenem Namen dahinter unterwältigend verklingen zu lassen – und vor allem ohne das Gefühl, sich (musikalisch, kompositorisch, ästhetisch) in der halben Stunde Spielzeit wirklich vom Fleck bewegt zu haben.

Das faszinierende, hypnotisch anziegende und eklektisch fesselnde GUT ist ein ganzheitliches Werk in sechs nahtlos ineinander übergehenden Teilstücken, entstanden in der Pandemie-Isolation unter den Eindrücken einer schweren Darmerkrankung samt psychischen Problemen, dessen darstellende Sparsamkeit den Raum der Stille elementar macht, sich neben Jungstötter in die Riege der absoluten Scott Walker-Bewunderer stellt, wenngleich aus einer verstörenden Talk Talk-meets-reduzierte-Swans-Perspektive.
Es funktioniert in seinem Verlauf nur vice versa auch praktisch immer nach demselben Muster: Blumberg (vocals, bass harmonica, diatonic harmonica, Steinberger ebass, electronic drums, synthesiser) löst die Kompositionen instrumental dem Weg von Minus und On&On folgend noch abstrakter auf, lässt den Bass die avantgardistische Ästhetik dominieren und spärliches Drum-Instinkte wie zufällig aus dem Freejaaz entlehnt zucken – es gibt keine Melodien oder Hooks, an denen man sich in der Inszenierung festhalten könnte.

Doch die darauf gebauten Gesangslinien sind (so abgekämpft, melancholisch und bekümmert sie auch sein mögen) catchy verführend wie nur was, werden bis zur Übersättigung mantraartig meditativ repetiert, und geben durchaus noch ein ambientes Zeugnis vom Pop-Verständnis Blumbergs, wo Yuck und Cajun Dance Party ansonsten nicht einmal mehr eine ferne Erinnerung sind.
Eine den Kontrast des Artworks widerspiegelnde Ambivalenz, reizvoll und anziehend, gerade als Differential zur instrumentalen Seite – allerdings wirken all die Wiederholungen der Gesangsmuster in dem vage skizzierten Umfeld umso völliger, sie drehen sich so einnehmend wie strapazierend im Kreis… doch sind sie als Stimulanz wohl unabdinglich, für die abschließende Durchhalteparole im sich unveränderlich zeigenden Umfeld.

Dabei variiert Blumberg die Facetten der Platte in ihrer homogenen Kohärenz durchaus – und scheint kurz vor Schluss sogar einem übergeordneten Klimax entgegen zu steuern.
Nach dem minimalistischen Drone von Bone kommt Cheerup („nothing ever changes in this world„) einer bekümmert-berührenden Klavierballade mit warm-weichen Streicher-Arrangements so nahe wie möglich, derweil das wunderbare Holdback beruhigender schwelgend elegisch fließende Hoffnungsschimmer über knisternden Taser-Elektroden ausbreitet – der Gesang dreht sich hier auch ausnahmweise weitläufiger im Kreis, sinnierend und auf traurige Weise wunderschön, die kasteiend-dogmatischen Limitationen der restlichen Songs diesbezüglich unterstreichend.
Body dröhnt, würgt, greint und keucht wie Pharmakon ohne Elektronik – der Körper wird zum Werkzeug, Resonanzkörper und Klangerzeuger, zum notwendigen Übel, um sich durch die Welt zu schleppen – gesund ist das nicht, doch kurz scheint es, ob es den Weg zur Erlösung bereiten könnte. Knock beginnt schließlich als pastorales Acapella-Stück in der Einsamkeit…bis der typisierte MO über der Aufbruchstimmung eines flimmernden Soundtrack-Orchesters wieder genormt erwacht, der Rhythmus jedoch ineinander zu greifen beginnt und sich der Spannungsbogen zuspitzt, das gesamte Narrativ auf ein erfüllendes Licht am Ende des Tunnels hinzuführen scheint. Doch dann entpuppt sich GUT als sisyphussches Labyrinth.

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