Danger Mouse & Karen O – Lux Prima

von am 19. März 2019 in Album

Danger Mouse & Karen O – Lux Prima

Die Renaissance des Brian Burton geht nach dem hervorragend unterstützten Wide Awake! aus dem Vorjahr einnehmend weiter: Mit Karen O hat Danger Mouse ein gefühltes Spin Off zu Rome und Milano aufgenommen.

Zumindest bewegen sich Burton und die Yeah Yeah Yeahs-Frontfrau auf der gemeinsamen, gleichberechtigten Kooperation insofern in vergleichbare Gefilde, als dass Lux Prima ein ähnlich cineastisch veranlagtes Werk geworden ist, dass sich wie eine vage Erinnerung an längst vergangene, nicht zwangsläufig reale Orte träumt, eine niemals exakt zu taxierende Vertrautheit evoziert.
Die 41 Minuten der Platte lullen dafür irgendwo zwischen Dream-, Indie- und Synthpop ein, lassen keine harten Konturen zu, sondern betten die flächigen Texturen weich und unaufdringlich. Sanfte Beats unterspülen melancholische Keyboardflächen, Karen O treibt bezaubernd dahin, ohne Spärenzchen, aber viel betörender Präsenz.
Schon fein also, dass Burton mittlerweile verstanden hat, dass seine Produktionen für derartige Szenarien ohne Sensationsgier auskommen dürfen, er seinen anachronistischen Trademarksound durchaus lockern und anpassen darf. Obwohl Lux Prima so etwa gerade in den Backingstimmen, den Arrangements und den Basslinien die Handschrift von Danger Mouse immanent ist, Burton seine Vorliebe für Phil Spector, die 60s und Girlgroup-Reminiszenzen aus der Lounge immer wieder im Vordergrund beleuchtet, stellt er seine entschleunigten Klangleinwände diesmal an der Grenze zum psychedelischen Ambient weitaus zweckdienlicher, weil subversiver, in den Dienst der Sache. Ein Umstand, der den einengenden MO von Danger Mouse weitestgehend flüchtig werden lässt.

Mit einer sedativen Unaufgeregtheit sind es letztendlich trotzdem doch vor allem Karen Os verführerisch eingängige Gesangsmelodien, die Lux Prima selbst in den schwächeren Momenten über die austauschbare Langweiligkeit einer Broken Bells-Platte heben.
Am deutlichsten wird dies ausgerechnet (und irgendwo paradoxerweise) in Woman, der am nähesten zum Yeah Yeah Yeahs-Rock kommenden zweiten Single der Platte. Da nimmt das Duo einen vergleichsweise wuchtigen Be My Baby/ Dirty Dancing-Rhythmus mit wattiert schepperndem Schlagzeug, O jauchzt und quietscht, laszive „yeah yeah yeah“ inklusive – nicht angriffslustig, aber doch auf den Hinterbeinen.
Das Songwriting ist hier zwar nicht bedeutend simpler als auf der restlichen Platte, doch lässt der wohl physischste Song von Lux Prima der atmosphärisch unkonkrete Tiefe beraubt auch die Schwächen der Band erkennen, wenn alles ein bisschen zu schnell fassbar ist, es nur wenig zu entdecken gibt. Frontaler Unterhaltungswert, wenn sich die beiden Protagonisten nicht treiben und gehen lassen, also gar für Kanten sorgen, erzeugt hier also eher eine rasche Vergänglichkeit im Momentum. Dann wirken die Kompositionen zu oberflächlich, wie nicht zu Ende gedachte Agenden. Der Weg hin zu weniger Tempo und mehr Unverbindlichkeit ist deswegen die bessere Entscheidung – und Lux Prima trifft diese zumeist, ohne deswegen in einer allzu gravierenden Gleichförmigkeit unterzugehen oder die Catchyness beschneiden zu müssen. Nachzuhören idealerweise im wunderbaren Ohrwurm Leopard’s Tongue, das eine ähnliche Ausgangssituation wie Woman in einen entwaffnend weichen Paralellwelt-Hit mit grandioser Hook verwandelt, oder auch Redeemer, das trotz dominant antreibenden Drums keine Hektik kennt, sondern seine Gitarren in die nebulöse Bar wabbern lässt.

Into your arms, I lose myself/ Through space, I fell“ singt Karen O in Reveries, einer zu Crush Songs blickenden Miniatur an der Gitarre, die verwaschen leise in ein außerweltliches Szenario driftet, und fasst damit das Wesen und die Ästhetik dieser leicht entrücktem, aber niemals schwierigen Popplatte zusammen.
In Ministry schwebt etwa eine anachronistische Gitarrenlinie zum sphärischen Wesen von Lux Prima, bezaubernd anmutig, ein bisschen, wie ein versöhnlicher Morgen, dessen Sonnenlicht nicht blendet. Danger Mouse setzt die Bausteine seiner Klangpalette in eine demütige Balance, Chöre und Streicher, alles ist hier zweckdienlich im Ganzen aufgehend, niemals effekthaschend. Turn the Light schält seine Strukturen ein bisschen zackiger flanierend hervor, ist mit seinen funky Gitarren wie eine Halluzination einer irreale Disco-Ballade. Und Drown gibt das Unterwasser-Märchen aus dem Orchestergraben, dessen größte Stärke es ist, all seine üppige Opulenz ohne übersättigende Theatralik einzusetzen.

Lässt man sich auf diese in sich ruhende Dynamik ein, funktioniert auch die Klammer um Lux Prima weitestgehend überzeugend. Der eröffnende Titelsong versteckt sich über neun Minuten schließlich eigentlich erst inmitten eines angenehmen Instrumental-Ohrenbalsams als unaufdringlich schunkelnde Pink Floyd-Elegie, probt also in der allgemeinen Homogenität die leidlich nahtlose Suite: Hier hätte man die Nahtstellen ansatzloser schließen können.
Auch das abschließende Nox Lumina ist am anderen Ende weitestgehend strukturoffenes Stimmungsbild, ein bisschen spiritueller Spaghetti-Western aus dem esoterischen Synth-Kasten, der irgendwann behände wummernde Beats erzeugt, sich neben einer lieblichen Eingängigkeit aber letztendlich mäandernd ohne Ziel plätschernd verliert – und deswegen versucht, willkürlich den thematischen Bogen zum eröffnenden Motiv zu spannen. Wirklich zwingend ist das nicht, passt aber doch zur behutsamen Intensität einer Platte, der unter dem Strich vielleicht ohnedies weniger diese kleinen Momente der Beliebigkeit zu schaffen machen, als der immanente, absolut verschmerzbare Mangel an unbedingt überwältigenden Szenen. Sei es drum: Lux Prima ist auch so die subtile Schönheit, die man sich insgeheim schon lange von Karen O gewünscht hat, ohne es eigentlich zu wissen – und die man Danger Mouse praktisch nicht mehr zugetraut hätte.

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