Cult Leader – Lightless Walk
‚Lightless Walk‚ schließt den über die beiden EPs ‚Nothing for Us Here‚ und ‚Useless Animal‚ vorangetriebenen Entwicklungsprozess von Cult Leader vorerst ab: Auf ihrem Debütalbum führt die Konkursmasse von Gaza eindrucksvoll und endgültig vor, warum sie sich seit jeher „We once were another band, and now we’re a better one“ auf ihr Banner geschrieben hat.
Ultraintensiver und knochenbrechender Metal im Grenzbereich von Blackened Hard- und sludgigem Grindcore – Progressive Crust – ist immer noch das Hoheitsgebiet von Cult Leader – aber eben nicht mehr der Horizont der Band. ‚Useless Animal‚ und vor allem die darauf zelebrierte Mark Kozelek-Verneigung ‚You Are Not my Blood‚ hat für einschneidende Erkenntnisse bei Anthony Lucero und Co. gesorgt – das hört man vor allem der epochalen Schlussphase von ‚Lightless Walk‚ in Form des Titelsongs eindrucksvoll an. Weil sich der Brüllwürfel plötzlich in den Gefilden von Tom Waits, Nick Cave und Swans-Kopf Michael Gira wohl fühlte, schleppt sich der Erstling von Cult Leader auf seiner Zielgeraden mit abgekämpften Klargesang todessehnsüchtig aus der Komfortzone durch Ruinen aus Folk- und Ambientgebilden. Ein erbarmungslos sich selbst malträtierendes, depressives Szenario, das finale Ausbluten nach einem brutalen Kampf auf Leben und Tod, in sich gekehrt, aber im Grunde hoffnungslos und einsam. „I don’t know why anyone would step back into the light“ fühlt sich Lucero im abschließenden Titelsong unverstanden, aber nicht unwohl im Verderben: „None of you will love me in the end“ klingt da nicht unbedingt wie ein Vorwurf. Cult Leader gedeihen in dieser stillen Apokalypse, stehen am Ende der Finsternis, in der Ruhe nach dem metzelnden Sturm – lassen aber die Frage offen, ob diese sich selbst geißelnde Gangart als operierende Katharsis nicht sogar noch schmerzhafter ist, als der Ausgangspunkt des monumentalen ‚Lightless Walk‚.
Dieser liegt in etwa in jenen hasserfüllten Gefilden, die eigentlich den alles und jeden niederknüppelnden Eskalationen der Labelmates von Converge vorbehalten ist: „Hell is empty/ Hell is here/ Hell is home/ I am free“ kotzt sich Lucero wie von Sinnen aus, growlt und keift, seine Band prügelt Drumherum mit gnadenloser Wut alles in Grund und Boden. ‚Great I Am‚ ist ein brachial zwischen crustpunkendem Grind-Blastbeat und peinigendem Sludge umherspringendes Monstrum von einem Opener, wuchtig und am Noise aufgerieben explodierend, ein misanthropisches Klären der Frontlinien mit maximaler Durchschlagskraft und Zerstörungswut, das seine Erlösung rein im Elend findet: „Hell is kindness/ Hell is love/ Hell is peace„.
Danach führt Lucero durch alle Sphären seines persönlichen Infernos, ist Menschenfeind und Brandstifter, verabscheut sich selbst aber vielleicht am meisten. „I’ve wasted a lifetime in my head/ It’s like wearing a rusted crown of barbed wire/ And I love it.“ Passend dazu entwickelt sich ‚Lightless Walk‚ seinem Titel folgend zu einem peinigenden Kreuzgang der blanken Wut, der allem Positiven seinen abschätzigen Nihilismus ins Gesicht speit, Hoffnung zum blanken Hohn verkommen lässt: „Someday everything will be alright/Someday, but not now“? Von wegen! Diese Platte flirtet gar nicht erst mit der Zuversicht des Silberstreifens am Horizont. „You narcistic fuck/…/Nothing will get better!„
‚Lightless Walk‚ gelingt dabei die Steigerung monströser und bestialischer auszufallen, als es selbst die beiden Hassbatzen ‚Useless Animal‚ und ‚Nothing for Us Here‚ bereits waren, kann diesen Malstrom zwischen Converge, Botch und Coalesce aber über die volle Distanz spannend halten. Cult Leader verdichten Intensität und Dynamik geradezu unberechenbar, (etwa ein ‚Suffer Louder‚ reißt das Steuer absolut furios vom bolzenden Gaspedal zum schwer groovenden Nackenbrecher) geben ihrem Gebräu aber immer wieder genug Luft und Raum, um Ihre immense Aggression variabel zu artikulieren und danach wieder mit punktgenau attackierender Härte auszuticken. Das Blutbad gerät so nie in Gefahr abzustumpfen, denn zwischen fies austickende Sprint-Prügler platzieren Cult Leader Songs wie ‚Sympathetic‚, das sich zu immenser Breite aufreiben, oder ein ‚A Good Life‚, das inmitten des roh und räudig bratenden Chaos gar über weite Strecken in einer versöhnlichen Melodieliebe schwelgt, die von Neurosis bis Hope Drone reicht.
Dass sich ‚Lightless Walk‚ danach bis zu seinem durch die vehemente Riff/Feedback-Dissonanz von ‚Hate Offering‚ beharrlich eingeleiteten Finales in eine halsbrecherische Abfahrt wirft und niemanden mehr schont, passt dann nur zu kompromisslos: „Lightless Walk explores ideas of depression, isolation, sadness and hope“ erklärt Lucero, in gewisser Weise ist das Debütalbum seiner Band aber auch ein mit unterschwelliger Traurigkeit hantierender, frustrierter Klumpen über die Liebe (in all ihren auch blasphemischen Facetten) geworden, ein emotionaler Husarenritt, gezeichnet vom Leben: „I’m covered in ten thousand scars/I didn’t even know I had them and I can’t see how deep it runs“ brüllt Lucero,“Rotting from the inside/Kneel before the plague/…/Fake love to spread hate„. ‚Lightless Walk‚ ist keine angenehme Erfahrung geworden. Aber eines der imposantesten Alben des Jahres, das noch nicht einmal die mittlerweile stets gleich klingende Kurt Ballou-Produktion die Alleinstellung nehmen kann.
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