Culk – Generation Maximum

von am 31. Dezember 2023 in Album

Culk – Generation Maximum

„Wer hinsieht wird vor Tränen nicht mehr sehen/ Wir können nicht nur mehr daneben stehen“: Culk versuchen sich mit Generation Maximum an einer Art zeitaktueller Zustandsbeobachtung der Leben junger Menschen.

Das Wiener Quartett zählt ja zu jener Gattung Bands, die von der ersten Sekunde ihrer Existenz an (oder im konkreten Fall zumindest von der ersten Sekunde ihres selbstbetitelten Debüts 2019 weg) ihren ureigene Sound bereits gefunden haben, schlichtweg komplett und unverwechselbar klingen, im Eklektizismus eine ansatzlos identifizierbare Identität und Charakterstärke offenbarten.
Dass sich Culk mit ihrem Drittwerk nun im konzeptionellen Überbau auf die Generation Maximum konzentriert, ist insofern wohl nur schlüssig: Eine Generation, die in eklatanter Zukunftsangst angesichts des unabwendbaren Niedergangs unseres Planeten von der exzessiver Party über lethargische Ohnmacht bis zu dem Versuch, den unausweichlichen Ende mit radikalem Aktionismus abzumildern, offenbar vordergründig durch Extreme begegnet, weckt mit ihrer existenzialistischen Sinnsuche verständlicherweise das Interesse einer Band, die eigene Befindlichkeiten immer schon als Gradmesser und Spiegelbild für den Zustand der Gesellschaft interpretieren konnte.

Jenseits der philosophischen Ebene des Narrativs ist es insofern durchaus sinnbildlich, dass Culk für Generation Maximum genau genommen nur Feinjustierungen an ihrem Sound vornehmen, das große Ganze doch so aber erfüllender ausbreiten kann: Der Albumfluß und Spannungsbogen kommt diesmal erstmals zu einem restlos runden Abschluss.
Oder: mag das selbstbetitelte Debüt von 2019 auch einen unüberholbaren Stellenwert in der eigenen Gunst genießen, und der so fabelhafte Nachfolger Zerstreuen Über Euch auch kaum schlechter ausgefallen sein, ist es doch so, dass Sophie Löw, Johannes Blindhofer, Jakob Herber und Christoph Kuhn mit Generation Maximum objektiv betrachtet wohl ihr bisher bestes Album aufgenommen haben.
Willkommen in der Hedonie umarmt melancholisch getragen, die Gitarren perlen in stiller Andacht wie hallende Erinnerungen an shoegazenden Postrock in aller Ruhe als unfassbar anmutig wogender Tiefgang in die Atmosphäre der Platte, wo 2000 abgedämpfte Spannungen oszillierend lauern lässt, der Post Punk mit etwas gelösterem Tempo am Synthwave zum Hit galoppieren und den allgegenwärtigen The Cure-Einfluss von Generation Maximum hervorhebt. Der Titelsong vertont geloopt eine Art industrielle Revolution, findet Wärme in der Ästhetik kalter Fabrikshallen und wie fantastisch die Culk’sche Symbiose aus Ästhetik, Sound und Botschaft funktioniert, muß man wohl nicht mehr extra erwähnen – wie grandios sich der Knopf als sanft schwelgender Traum öffnet, während sich die Augen zu schwebenden plingenden Saiten schließen, ist aber nichts weniger als erhaben.

Die sedative Hektik von Die Glut vor uns zeigt eine zappelnde Rhythmussektion, die sich für den erhebenden Refrain in majestätischer Geste im beschwörend abbremst, den Drone für eine körperliche Masse über scheppernden Drums inhaliert. www ist direkt danach praktisch konträr angelegt, weil das 80er Revival in der Strophe lauert und im Chorus mit schrammelnden Saiten und polternd Drums an zieht.
Das Flutlicht kehrt sich derweil nach innen, zu abgedämpftem Ambient Postrock in meditativer Kontemplation, bevor ein tief rollender Bass und Drums eine Ode an die Freude verkünde, „wir werden träumen bis wir glauben“. Mag auch alle Hoffnung bei dieser Band ein bisschen nach Zweckoptimismus klingen, die Gitarren auch noch so versöhnlich schweifen und letztendlich erhaben in den Himmel heulen – die Saat einer vorsichtigen Hoffnung beginnt zu keimen.

Wie als Antwort darauf beschwört Eisenkleid Stärke zu zeigen, agiert wie eine sich konstant aufbauende Welle, deren Refrain den Schwung des brechenden Kamms über den Nihilismus fegt und das Finale der Generation Maximum vorbereitet. Ihre Welt klackert im Minimalismus rezitierend, ist aber ein subversives Mahnmal: Man kann beim Schwärmen über die unverwechselbare Intonation, Stimmfarbe und den Gesang von Sophia Löw oft übersehen, wie perfekt akzentuiert das Zusammenspiel, gerade auch die Zurücknahme und Gewichtung von Bass Schlagzeug und Gitarre in dieser Band sind – hier jedoch keinesfalls. Jede Nuance der Nummer ist wie ein wunderbar ineinander greifender, ganzheitlicher Organismus. Dass Culk mit der versöhnlichen Klavierballade Dein Gehen sogar noch einen Frieden schließenden Klimax finden, der keine Resignation kennt, schließt den Kreis mit der Rückkehr in die verletzliche Individualität und einem emotionalen Antrieb: die Observation treibt Culk in eine latente Aufbruchstimmung, ganz ohne Extreme.

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  • Culk - Overload - HeavyPop.at - […] Zwischenspiel einer bisher makellosen Diskografie, zumal gerade im Fahrwasser des 2023er-Highlights Generation Maximum veröffentlicht, enttäuscht die Culk‘sche Interpretation von…

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