Crystal Fairy – Crystal Fairy
Die Melvins-Dampframme Buzz Osborne und Dale Crover an Gitarre und Schlagzeug, Le Butcherettes– bzw. Bosnian Rainbows-Energiebündel Teri Gender Bender am Mikro (sowie wahlweise zusätzlich an dezent eingesetztem Keyboard und/oder zusätzlicher Gitarre), dazu der nimmermüde The Mars Volta-/At the Drive-In-Tausendsassa Omar Rodríguez-López als zweckmäßig arbeitender Bassist – das sind Crystal Fairy.
Eine veritable Supergroup, die auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum zudem im Grunde exakt so klingt, wie man sich das aufgrund der beteiligten Musiker unmittelbar vorstellt: Die ebenso schwerfällig wie angepeitscht im metallischen Sludge sumpfende Rhythmusarbeit des kräftigen Doppels Crover und (einem fast schon unscheinbar im Dienst der Sache agierenden) Rodríguez-López bildet das unheimlich zwingend-körperbetont groovende Grundgerüst, auf dem sich King Buzzo mit fiesen (nach all den Jahren immer noch so herrlich unverbraucht headbangenden) Stoner-Riffs austobt, und Teri wie gewohnt als biestige Rampensau schonungslos zwischen gefühlvoll energisch und giftig attackierend pendelt. Ganz so also, als würde sie damit gefühltermaßen für 39 hartnäckige Minuten den Melvins vorstehen.
Crystal Fairy ist als Summe seiner Bestandteile damit eine im bestmöglichen Sinne erwartbare Angelegenheit geworden, die höchstens dahingehend überrascht, dass sich die elf Song ungeachtet des natürlich doch immer wieder instinktiv durchscheinenden Hangs zum mäandernden Streunen (aber eben vor allem in Relation zu der restlichen Discografie der ansonsten immer wieder zu Schabernack aufgelegten Melvins und vor allem den obskur-exaltierten Ergüssen von Dauerveröffentlicher Rodríguez-López gemessen) erstaunlich straight und fokussiert in den angeborenen Sound der Band legt.
Crystal Fairy klingt dabei stets so selbstverständlich und natürlich aus dem Handgelenk gerockt, wie es die ebenso schlüssige Entstehungsgeschichte der Platte nahelegt: Auf der gemeinsamen Tour der Melvins und ihrer Split-Partner Le Butcherettes enterte Gender Bender immer wieder die Bühne für eine gemeinsame Interpretation von Rebel Girl. Die Chemie zwischen der legendären Kombo aus Montesano sowie der exzessiven Performerin Teresa Suárez stimmte einfach postwendend. Deswegen war es auch nur eine logische Frage der Zeit, bis sich ihr Boyfriend, Langzeitkollaborateur und Melvins-Fanboy Omar ebenfalls in die Gemeinschaft einzubauen begann und der Wunsch beider Parteien nach einer Kooperation schnell Früchte trug.
„Most of the songs were written and recorded over Pho while watching cannibal movies. Nothing in moderation.“ erinnert sich Rodríguez-López, während Osborne ergänzt: „In the first few days we had six songs written and recorded. It was quite comfortable working together and things gelled between us instantly.„
Dass der Funke hier schnell übersprang und alle Beteiligten Spaß an der Sache hatten, hört man sofort. Gleich das grandios angetrieben eröffnende Chiseler tritt harrockend-punkig auf das Gaspedal, der tolle Vorbote Drugs on the Bus brodelt danach so mächtig über seinen eigenwilligen Schichten aus orgelnder und riffender Heavyness, vollführt den Spagat zwischen kantiger Catchyness und bedrohlicher Unhandlichkeit selbst dann, wenn Crystal Fairy den Umweg über eine perkussive Toms-Ebene mit psychedelischen Ausblick walzen. Necklace of Divorce ziert sich kaum weniger, packt aber immer wieder eine infektiöse Schmissigkeit aus, die sowohl die Yeah Yeah Yeahs als auch The Kills an den Pranger stellt und die überragende Eingangsphase der Platte triumphal abschließt.
Danach gibt es dann zentnerschwere Doom-Abrissbirnen, denen Gender Bender ihren beschwörenden (aber absolut unprätentiösen) Stempel aufdrückt (Moth Tongue, in Secret Agent Rat auch mal gerne auf Spanisch) und potentielle Melvins-Ohrwürmer, die so knackig um die Kurve biegen, aber letztendlich doch kein Interesse am Hit-Dasein haben (der Titelsong). Oder zurückgenommen lauernde Innenansichten mit explosiv angetäuschtem Zug zum Tor (Under Trouble), fast schon countryesk stacksende Alternative-Trunkenbolde ohne Pointe (Sweet Self), sowie herrlich kompromisslose Adrenalinausbrüche, die ebenso brutal wie melodisch zünden und der drückenden Grummeligkeit auch noch ein launiges Solo zum Fraß vorwerfen (Bent Teeth). Kurzum: Crystal Fairy zelebrieren ein vertrautes Schaulaufen, Ermüdungserscheinungen ausgeschlossen.
Im theatralisch dringlichen, simplen Posesión ergänzen sich Gender Bender und King Buzzo dann sogar ganz wunderbar am Mikro, offenbaren weiteres Wachstumspotential und lenken die Platte mit immer zielstrebiger werdenden Songs auf die schnörkellose, aber auch etwas beliebiger durchrauschende Zielgerade, die im hysterisch-randalierenden Überholspur-Party-Nackenbrecher Vampire X-Mass gipfelt.
Das der Weg dorthin dann genau genommen nicht sonderlich aufregend oder überraschend gerät, primär bereits rekrutierte Fans der involvierten Parteien abholt, und dabei dennoch vielleicht sogar auch etwas zu abrupt ohne nachwirkender Vehemenz den Stecker ziehend entlässt, enttäuscht dann allerdings kaum. Immerhin unterhält Crystal Fairy als enorm bestimmt auftretendes Debüt für die befriedigende Dauer seiner Laufzeit mit einer unverbindlichen Souveränität als herrlich kompakter Noiserock-Kotzbrocken, der alteingesessene Trademarks durchaus erfrischend verbindet. Sicher ist da für weitere Ausflüge also potentiell noch Luft nach oben, im Grunde macht das Quartett aber auch so nahezu alles richtig – zumindestens jedenfalls nichts falsch.
Was die Zukunft der Gruppe bringt, steht ob der sonstigen Verpflichtungen aller Beteiligten allerdings ohnedies noch in den Sternen. Auch wenn fraglich bleibt, ob Crystal Fairy in ihrem stilistischen Rahmen hiermit nicht eventuell ohnedies bereits vieles gesagt haben, was sie zu sagen hatten – würde auf dieses qualitativ schlichtweg abliefernde Zielgruppenhighlight keine Fortsetzung folgen, es wäre einfach schade.
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