Crush – Sundown

von am 12. März 2020 in EP

Crush – Sundown

Mit neuem Personalkader sorgt Sundown durchaus für allgemeinen Erkenntniszuwachs im Hause Crush: Etwa, dass das Quintett aus Graz mittlerweile selbst dann umwerfende Popsongs schreibt, wenn sich diese ein paar Schönheitsfehler gönnen.

Dass man es sich bei dieser Band gestattet  zu jammern, wo anderswo angesichts der aufgefahrenen Qualität verzückte Begeisterung eigentlich die einzig denkbare Konsequenz wäre, haben sich Crush aufgrund von Damaged Goods (2016), No Easy Way (2017) und vor allem natürlich Sugarcoat (2018) ausnahmslos selbst zuzuschreiben. Ist die Luft nach oben bereits derart dünn, fallen minimal negativer wahrgenommene Nuancen (vielleicht langfristig nicht unbedingt gravierend ins Gewicht, aber) doch deutlicher in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Nun – was gibt es an Sundown also zu bekritteln?

Twist and Shout beginnt großartig, wie der verträumt wiegende Opener plötzlich eine herrlich rotzig bratzende Gitarre auspackt, und auf einen dringlichen, beinahe punkigen Zug aufspringt. Schade aber, dass die Nummer entlang dieser Ausgangslage letztendlich zu brav bleibt, gerade der Gesang eine etwas zu artige, aufrechte Statur und Haltung behält. Die Nummer flirtet in der klaffenden Schere aus Form und Inhalt nur zaghaft mit dem Noise, wäre gefühltermaßen mit einer weniger sauberen, schwitzenderen Produktion zwingender und aufregender gewesen. Twist and Shout ohne auslaugenden Exzess – da fehlt einfach etwas.
Ähnliche Probleme hat das folgende Wake Me Up. Da schlängelt sich eine toll verspielte Gitarre als grandioser Scene-Stealer über den gefinkelten Rhythmus: Crush beherrschen dieses stets romantisch-nostalgische, märchenhafte Momentum der Zeitlosigkeit einfach meisterlich. Zudem findet die Band einen typisch bittersüßen Refrain – doch bleibt die Dynamik hierbei zu gleichförmig. Wäre der Kontrast zwischen den Parts stärker ausgefallen, würde die emotionale Wirkung und euphorisierende Intensität mehr Reibungsfläche bekommen.
In der ersten Hälfte der EP bleibt deswegen auch der Wunsch bestehen, dass Sundown bisweilen ruhig ein wenig dreckiger in Szene gesetzt hätte werden können, Crush selbst weniger rücksichtsvoll mit ihren Kompositionen umgehen dürften.

Andere These: Diese relativen Mankos rücken nur deswegen überhaupt erst in das Interesse der subjektiven Haarspalterei, weil (zwar bereits Twist and Shout und Wake Me Up ein beachtliches internes Portfolio aus Ohrwürmern ansatzlos auffüllen,) die Kombo aber erst danach zur wirklichen Hochform aufläuft.
Einen Song wie There You Go, der beim ersten Durchgang noch nach überdurchschnittlichen Standard klingt, aber spätestens beim zweiten über seine flott surfende Farfisa als schmissiger Parade-Hit zündet, suchen andere Bands jedenfalls ganze Karrieren lang, ohne ihn dann aber derart locker und selbstverständlich hinzubekommen.
Und mit dem hallend-verwehenden Titelstück adeln sich Crush nicht nur selbst, sondern erfinden sich sogar ein gutes Stück weit für ein Leben nach der Gitarre neu. Mit schimmernden Synthies ist die Dreampop-Ballade als elegische Anmut auch deswegen auf Augenhöhe mit der Klasse von Giganten wie Beach House, weil einzelne Elemente der Komposition in weniger fähigen Händen als Fernsehgarten-Schlager scheitern hätten können, hier aber ohne Kitsch eine bildschön funkelnde Grandezza aus einer alternativen Realität der 80er erheben: Ein wehmütig-tröstendes Diskografie-Juwel mit Charaker und Tiefgang, an das man mit melancholisch geschlossenen Augen sein Herz verliert, das der Ästhetik der Band exzellent steht.
Weswegen es am Ende auch zum elementaren Erkenntniszuwachs dieses Kurzformates gehört, dass Crush sich auf Sundown entlang ihrer Kernkompetenzen vielleicht nicht in jeder Hinsicht noch weiter zur Decke strecken als bisher bereits, in ihren besten Momenten aktuell aber nunmehr sowohl auf einer breiteren Basis agieren als sonst – und auf dieser dann doch sogar mitunter überwältigend über sich (und die immensen Erwartungshaltungen) hinauswachsen.

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