Crush – Past Perfect
Haben Crush mit Past Perfect da mit dem als so schwierig geltenden zweiten Album womöglich gleich ein Übergangswerk aufgenommen – von einer der besten Indie-Pop-Bands der vergangenen Jahre hin zu einer wirklich herausragenden Ereignis?
Dem Plusquamperfekt zum Trotz (und, um es gleich vorwegzunehmen, ein wenig auch zum eigenen Leidwesen der befriedigenden Ergebnis-Wirkung) ist Past Perfect gefühlt nämlich ein Album geworden, das seine bestechendsten Momente ausgerechnet dann hat, wenn es andeutet, wohin Crush in Zukunft noch wachsen könnten – was im Umkehrschluss im Hier und Jetzt einen latent frustrierenden Beigeschmack vermittelt, da diese Entwicklung eben noch nicht in letzter Konsequenz vollzogen wird, und die Band im Zweifelsfall an der Schwelle zu den in Aussicht gestellten Evolutschritten verharrt.
Etwa, wenn der Opener Just Work, No Play so flott beschwingt mit funkelnder Jangle-Gitarre treibend seine Bridge in den letzten Sekunden auf eine kosmische Beschleunigungsspur in Richtung krautiger Türen der Wahrnehmung katapultieren zu scheint, dann aber nach einem kurzen Blick durch das Schlüsselloch doch lieber unmittelbar zur eigentlich einzige Achillesferse der Platte zurückkehrt, indem es dem Hang zur strukturellen Simplizität im Songwriting folgend, einfach gestrickt die Schleife um einen kompakten Hit zieht – was freilich nicht der schlimmste Vorwurf ist, den man dem Einstieg in eine Platte machen kann, die mit jedem Durchgang – erst überraschend nüchtern gefallend, dann immer offenkundiger seine Suchtwirkung entfaltend – nach sommerlicher Heavy Rotation giert.
Tatsächlich macht Past Perfect, trotz der Ansprüche, die Sundown (2020) und natürlich vor allem Sugarcoat (2018) kultiviert haben, und der immens hohen Erwartungshaltungen, die alleine schon die umwerfende (seit der Veröffentlichungen den Status als Instant-Liebling längst zementierend, nach anfänglicher Irritation ob des Sequencings letztendlich auch als sehnsüchtiger Abspann wunderbar funktierend, im Kontext hier nun etwas ausführlicher ausgefallene) Vorabsingle Where Flowers Grow evozierte, weitaus mehr richtig, als falsch.
Gut, das so luftig und catchy daherkommende Run lässt sein exquisites Gitarrensolo leider nicht endlos in den Himmel steigen, die Intonation bleibt trotz Swearword und Rezitation hinsichtlich der Intensität zu gleichförmig, der Rest dazu ein kleines bisschen zu harmlos; und Songbirds begnügt sich damit, ein überzeugender Standard zu sein, dem es trotzdem nicht gelingt, ohne positiven Beigeschmack durchzurauschen, weil das Gesamtgefüge des Albums ohnedies eine Tragfähigkeit hat, die das internationale Niveau nicht scheuen muss.
Ohne einen derartig aus dem restlichen Gefüge herausragenden Song wie Jellyfish, Clams, Whales ist das grundlegende Niveau auf dem Grower Past Perfect tatsächlich sogar höher einzuschätzen, als auf dem, wenn man so will, einfacheren Umständen die Gunst im Sturm genommen habenden Sugarcoat.
Die potentiellen Hits geben sich schließlich die Klinke in die Hand: Monsters fällt (wie später auch das den Wave-Schwung in den Synthies mitnehmende The Rush) mit der Endorphin-Tür ins Haus, als hätten Real Estate mit Maximo Park eine knuffige Smash-Single geschrieben, dessen feine Schlusspointe (überhaupt ein markanter Kniff einiger Songs der Platte!) des Call-and-Response-Twist am Ende live die der Aufnahme noch fehlende letzte Katharsis beibringen sollte.
Bei der Gelegenheit: die Vorfreude, den zur Band gestoßenen Drummer Manfred Herzog live hinter dem Crush-Material wirbeln zu hören – riesig! Nachzuhören auch beispielsweise in der tropikaler grooven Bridge des ziemlich fantastischen Daffodils, einer wunderbar aus der Zeit gefallene Anmut von einem schwelgenden Schmankerl, das den Weg der bittersüßen Niedlichkeit anstelle der plakativ erschlagenden Hymne wählt, obwohl die Melodie eine solche Größe anstandslos freisetzen würde. Great Unknown lehnt sich gen Friday I’m In Love, doch der nicht mehr aus den Gehörgängen wollende Refrain schwebt in ein märchenhaft funkelndes Fantasy-Sternenmeer der 80er, derweil Speed of Light die ungezwungene Aufbruchstimmung selbst um Mitternacht im glücklich machenden Sehnsucht-Sonnenschein über die Autobahn zieht. Die Treffsicherheit der Band in ihrer angestammten Hohheitszone ist einfach klasse, beeindruckend – die Dichte an hartnäckig hängen bleibenden Ohrwürmern bezeichend.
Exemplarisch dafür, dass die Crush’sche Komfortzone einerseits eines der schönsten Geschenke sein wird, das dem Pop-Jahr 2023 gemacht werden wird, der Horizont sich aber andererseits mit diesem Zweitwerk an sich auch zu erweitern beginnt und damit neuerlich Raum nach oben geschaffen wurde, ist jedoch Asleep, das verträumt schwofend wie ein verlorenes Juwel aus dem Fundus der jungen Beach House pluckert und letztendlich als einer der schönsten Songs des Quintetts bisher sogar ein bisschen magisch heulen darf.
Es fällt durch Szenen wie diese (hinter der anmaßenden Fanbrille zumindest aus Sicht subjektiver Vorlieben) eben immer wieder Auge, wie aus einen sehr guten ein herausragendes Album werden hätten können – mit jedem Durchgang freudiger zu lernen, die effektive Taube auf dem schmissigen Dach schätzen, ist allerdings auch eine Lektion, für die es keinen besseren Lehrmeister als das den Augenblick so kurzweilig wie nachhaltig aufwertende Past Perfect geben könnte.
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