Crippled Black Phoenix [31.03.2012 Arena, Wien]

von am 1. April 2012 in Featured, Reviews

Crippled Black Phoenix [31.03.2012 Arena, Wien]

Angriff als die beste Form der Verteidigung: Mit markanten Besetzungswechseln im Rücken zünden Crippled Black Phoenix ein fulminantes Rock-Feuerwerk der Extraklasse.

Nachdem Daisy Chapman bereits vor der Fertigstellung des aktuellen Studioalbums ‚(Mankind) The Crafty Ape‚ ihren Rückzug aus der Band nach Abschluss des Werkes bekannt gegeben hatte, sprang Stimmwunder Joe Volk just kurz vor der dazu folgenden Tour ab: Crippled Black Phoenix standen plötzlich ohne Sänger da. Kein Grund aber für die Briten um Mastermind Justin Greaves, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern den (vorläufig?) als Aushilfe gehandelten Matt Simpkin aufs rotierende Besetzungskarusell zu werfen und die Tour wie geplant durchzuziehen, woraus sich vordergründig vier Dinge in dem über drei Stunden dauerenden Konzertmarathon des Wiener Gastspiels ablesen ließen.
Erstens: Die Besetzungswechsel haben dem Ansturm keinen Abbruch getan, vom Vorbandprogramm und der kleineren Location nebenan sind Crippled Black Phoenix mittlerweile groß genug, um die Arena nahezu vollends auszuverkaufen, diese Band wächst ohne Unterlass.
Zweitens: Simkins an der Leistung Volks zu messen wäre unfair, dass er diesem jedoch nicht das Wasser reichen kann, zeigt sich immer wieder. Wo Volk sich in all seiner sarkastischen Schüchternheit hinter einer ohnedies kaum zu hörenden Akkustikgitarre verschanzte und seine unnachahmlich samtweichen, warmen Töne zwischen die Wucht von Crippled Black Phoenix warf, verfügt Simkins zweifelsohne über eine kräftige Stimme, die wohl nur im subjektiven Zwangsvergleich verliert und eventuell auch genau das richtige für die immer breiterbeinig werdende Geste der Band sein könnte. Noch aber wirkt Simkins dezent verloren auf der Bühne, verschwindet immer wieder in den Hintergrund oder ganz von der Bühne, ist er anwesend marschiert der großgewachsene Schlacks konträr dem restlichen Erscheinungsbild der Band wie ein Gockelhahn zur imaginären Guns’N Roses– Nummer, schlägt mit der Faust auf seinen Oberschenkel und kann sich letztendlich doch bescheinigen lassen, eine ordentliche Leistung abzuliefern, freilich ohne markante Individualakzente setzen zu können. Abgesehen von der gesteigerten Interaktion mit dem Publikum, welche unter Volk abseits einsilbiger Kommentare wohl undenkbar gewesen wäre.

Zur Zeit des Umbruchs passend präsentiert sich die Band in ihrem Auftreten konsequenter denn je: Es gibt nun Intros vom Band, Nebelschwaden und in unheilschwangerem Rot ausgeleuchtete Banner im Hintergrund – „Rise Up and Fight“ steht da zwischen martialischen Logos. Die Band inszeniert sich dazu als musikalisches Äquivalent einer paramilitärischen Einheit, Bandana und Armbinden gehören zur Grundausstattung der Gangmitglieder, auch wenn Greaves mittlerweile darauf verzichtet vermummt die Bühne zu entern. Auch Vorband braucht es keine mehr – was angesichts der breiten Songauswahl und Spieldauer eine vorzügliche Entscheidung ist.
Über die einleitenden Umwege “Troublemaker” und “Fantastic Justice” geben sich dann die Songs des neuen Albums unvermittelt die Klinke in die Hand, zwischen den Pausen verharren die Musiker monolithisch in der Dunkelheit. Und dennoch: Der Funke schlägt anfangs nur zaghaft über, mag sich die Band auch noch so sehr verausgaben. Unmittelbar vor der Bühne klafft ein Loch, das die ersten Minuten über dank einer ambitionierten Mutter noch gefüllt wird, die ihren Sohn im mutmaßlichen Volksschulalter auf der Bühne drapiert, um ungeachtet der Lautstärke und permanent herausfallender Ohrstöpsel niedliche Fotos zu machen. Fraglich, ob der gelangweilte Blick des Kleinen Rückschlüsse auf seine Vorliebe für die immer mehr Richtung Classic Rock gehende hemdsärmelige Opulenz seitens Crippled Black Phoenix‚ zulässt, den Wendepunkt in Sachen Publikumserwärmung bekommen die Beiden jedenfalls nicht mehr aus der ersten Reihe mit. Mit jedem Song wächst die Stimmung, spätestens beim Journey Cover ‚Of a Lifetime‚ hat man das Publikum fest im Griff. Ungeachtet der Tatsache, dass Miriam „Because I Am“ Wolf trotz ihrer markant rauchigen Stimme Daisy Chapman gesanglich nicht ansatzweise ersetzen kann.

Die dritte Erkenntnis: ‚(Mankind) The Crafty Ape‚ wächst auf der Bühne unaufhaltsam, die neuen Songs funktionieren als schweißtreibende Rock-Sause noch besser als auf Band. Dazu dienen sie als perfekte Spielwiese für Lead Gitarrist Karl Demata, der sich als kongenialer Partner von Mastermind Greaves immer mehr zu dessen optischem Zwilling entwickelt hat und sich mit exaltierten Soli immer wieder in den Mittelpunkt spielt. In diesen Momenten frisst das Publikum der Band förmlich aus der Hand, schwappt die ungezügelte Spielfreude der Band ungebremst über, selbst wenn der „Marching Pit“ nicht funktionieren will, wie er soll. Der Fokus bleibt dabei vordergründig auf dem aktuellen Album, bezieht vor allem auch ‚I, Vigilante‚ mit ein und hat auf dieser Tour sogar Platz für das wieder ausgegrabene, wunderbare ‚When You´re Gone‚ – diesmal gewidmet einem verstorbenen Freund der Band. ‚444‚ und ‚Whissendine‚ markieren ‚The Resurrectionists‚, zum Ende wird diesbezüglich der Banner zitiert – ‚Rise Up and Fight‚ ebnet den Weg für die überlebensgroße Publikumsinteraktion ‚Burnt Reynolds‚, der aus zahlreichen Kehlen gröhlende Chor trägt die Band aus dem Backstage-Bereich zurück auf die Bühne.

Als erste Zugabe entert der insgeheime neue Frontmann Demata das Mikro, nur noch im Unterhemd mit stechendem Blick und geschwollenem Hals das Publikum treibend. Leonard Cohens ‚The Partisan‚ wird zur mitreißenden Rockwalze ohne Französisch- Kenntnisse, ‚Bella Ciao‚ zur italienischen Punkdraufgabe gleicher Coleur. Und weil mittlerweile niemand mehr genug bekommen kann, dehnen Crippled Black Phoenix als zweite Zugabe ‚Time Of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoliptic Empire‚ auf über eine halbe Stunde bis in den Drone, spielen zeitweise zu dritt an Schlagzeug und Percussuion, letztendlich sich und das Publikum um den Verstand.
Mag die Band die personellen Einbrüche auch nicht optimal verkraftet haben, markiert die aktuelle Tour doch wohl auch den Nachweis, dass die Band mit den Herausforderungen gewachsen ist. Geht das in dem Tempo weiter, kann man sich Crippled Black Phoenix in absehbarer Zeit gar als Headliner auf großen Festivals vorstellen. Nach Triumphzügen wie dem Wien Auftritt kann die vierte Erkenntnis überraschenderweise nur lauten: Eine Entwicklung, die tatsächlich keinen merkwürdigen Beigeschmack hinterlässt.

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