Crazy Town X – Flirting With Disaster
Rund drei Monate vor seinem Tod im Juni 2024 hatte der 49 jährige Seth Binzer alias Shifty Shelshock mittels der Flirting With Disaster EP einmal mehr versucht, seine Nu Metal-Band wiederzubeleben.
Obwohl seit The Brimstone Sluggers vor acht Jahren zahlreiche verzweifelte Versuche im Sand verlaufen waren, nebst einigen sonstigen unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung stattgefunden habenden Standalone-Singles durch etwaigen Neubearbeitungen auch weiterhin Kapital aus dem Hit Butterfly zu schlagen, sollte Anfang 2024 der abermalige, gefühlt drölfzigste Reboot von Crazy Town erfolgen. Diesmal holte Shifty Shellshock (Seth Brooks Binzer) als Frontmann und einziges verbliebenes Stamm-Bandmitglied nun Mark_CXT (Mark White) an der Gitarre, DJ Rick One (Rick Dixon) an den Turntables und Drummer Sean Heenan als Erfüllungsgehilfen an Bord (aber nur teilweise aufs Cover von Flirting With Disaster), nachdem das vorangegangene Lineup der seit 2017 ja mit dem X-Zusatz firmierenden monetären Zweckgemeinschaft schlagkräftig auseinandergebrochen war.
Die neun Minuten von Flirting With Disaster wirken nun wie ein Zeittunnel zurück in die Hochphase des Nu Metal, mehr aber eigentlich auch zu dessen Untiefen, wo selbst Tommy Lee glaubte, in der damaligen Goldgrube mitmischen zu müssen.
An Methods of Mayhem erinnert Flirting With Disaster nämlich unmittelbar, wenn vom Industrial verführte Hip Hop-Beats mit komprimierten Riffs aus der Grabbelkiste zu Cut-and-Paste-Raps addiert werden. Was grundlegend schon passt: die Studiotechnik gibt Shifty trotz seiner ruinösen Süchte eine stimmliche Individualität zurück, zumal er immer noch eine grundlegende Kompetenz besaß, was die stilistische Gangart seiner Ausdrucksform angeht und kein Trittbrettfahrer-Pastiche betreibt. Das anvisierte Publikum könnten diese Effektivität der Platte durchaus zu schätzen wissen.
Eine tatsächliche Nachhaltigkeit sollte man deswegen aber nicht erwarten: Während des Konsums mag der Anachronismus ja durchaus eingängig erscheinen, hängen bleiben letztlich aber höchstens vage Eindrücke. Dass Cake irgendwann den extrem plumpen Mitmach-Vorschlaghammer auspackt („Say what say what say what/ Say what say what say what/ Say I don’t give a fuck/ I don’t give a fuck/ Say I don’t give a fuck/ I don’t give a fuck“) und der rumorend scratchende Party-Zwang 99 Bottles dies sogar noch flächendeckender, weil den alten Autofahrt-Zeitvertreib bemühend, praktiziert etwa, während Trigger Happy von Effekten zugenäht etwas illusorisch am R&B ausgerichtet davon fantasiert „die Krone zurückerobern zu wollen“.
Um tiefgründige Vielschichtigkeit hat sich bekanntlich allerdings ja selten jemand der Crazy Town X zugewandt, doch dass der Entertainment-Faktor sehr überschaubar bleibt, weil abseits der solide verschraubten Standard-Basis aus 08/15-Riffs und beliebigen Hooks kaum Interessantes auf Flirting With Disaster passiert, kostet Wohlwollen. In der kollektiven Szene-Erinnerung wird Binzer musikalisch also verdientermaßen anderswo.
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