Craig Finn – Clear Heart Full Eyes
Craig Finn spricht davon, dass sich ‚Clear Heart Full Eyes‚ in einer anderen Welt abspielen würden, als die Werke seiner Hauptband The Hold Steady – und straft sich selbst mit einem Soloalbum Lügen, welches mitunter das beste Songmaterial beinhaltet, das Finn seit ‚Boys and Girls in America‚ zustande gebracht hat.
‚Clear Heart Full Eye‘ ist mitnichten ein Album geworden, welches sich grundlegend von The Hold Steady unterscheiden würde. Viel eher dünnt Finn den Sound seiner Stammband aus, gibt sich zurückhaltender was die Instrumentierung angeht und liefert dabei über weite Strecken das Album ab, welches man nach dem Abgang von Multiinstrumentalist Franz Nicolay anstelle von / zusammen mit ‚Heaven is Whenever‚ abliefern hätte können. ‚Clear Heart Full Eyes‚ ist wieder ein Paradebeispiel dieses so traditionellen Rocks, den man nur deswegen nicht altmodisch nennen kann, weil er einfach zeitlos ist. Im direkten Vergleich mit gewissen Nuancenverschiebungen: Erdiger Gitarrenrock bietet den Nährboden, Craig Finn beackert ihn mit Americana und vor allem Country, säht Blues und Folksprengsel aus.
Die Pedal Steel heult schon im spartanischen Bluesrock von ‚Apollo Bay‚ sehnsuchtsvoll und wird im weiteren Verlauf noch zahlreiche Male eines der prominentesten Elemente der Songs sein. Diese entfalten sich ungezwungen, bieten die ideale Projektionsfläche für Flinn, der sich abermals als Storyteller im besten Sinne präsentiert, auch in Richtung der großen Fußstapfen eines Bob Dylan, eines Johnny Cash oder eines Bruce Springsteen schielt. Die Protagonisten seiner Songs kämpfen sich dabei durch dezent mehr Melancholie, als es jene der The Hold Steady Geschichten tun mussten. Im tief groovenden ‚No Future‚ reihen sich die schwermütigen Sätze kurz vor der Depression aneinander: „I’m pretty sure we’re all gonna die“ und „I’m alive, except for the inside“ heißt es da, „No Future for You, no future for me“ ist das Conclusio.
Deswegen lässt Finn sich selbst und seine Charaktere die so hoffnungsvolle Zuflucht im Glauben finden. Im munteren Rockabilly von ‚New Friend Jesus‚ erzählt Finn so von seinem Buddy Jesus, der ihm nicht nur im Auto rumkutschiert hat, sondern auch ne Gitarre geschenkt hat. Wichtiger aber: Wenn er den Typen schon früher gekannt hätte, wäre er auch die Beziehung zur besungenen Dame besser verlaufen ( „Wish I was with Jesus when you loved me / I would have found a better me / That much I can guarantee„). Zur katholisch motivierte Missionarsarbeit verkommt Finn´s Solodebüt dabei nie. Zu süffisant charmant umkurft der Mann aus Boston die Religionsfalle und hantiert lieber mit tiefgründigen Singalongs ala ‚Terrified Eyes‚ und drückt die Stimmung mit makellosem Countryblues der Marke ‚Western Pier‚: „Christ is watching me right now“ – und wieder diese Pedal Steel.
Die elf versammelten Songs verlangen dabei nach weitreichenderem Panorma, Finn zieht sie deswegen aus der rauchgeschwängerten Bar hinaus auf die Veranda. Am schönsten ist das, wenn Finn ein wohlig bedrückendes Gefühl der Nostalgie erzeugt – was wiederum am stärksten in den ruhigeren Momenten der Platte gelingt (und da am überragenden Schlußtriumphirat ‚Rented Room‚, ‚Balcony‚ und ‚Not Much Left of Us‚)). Dass ausgerechnet der flottere Stomper ‚Honolulu Blues‚ aufgrund seiner etwas zu einfältigen Oberflächlichkeit als einziger wirklicher Ausfall herhalten muß, ist nur stimmig. Vielleicht auch, weil sich der Song weitaus wohler als ausformulierterer The Hold Steady Veteran gefallen hätte.
Womit man wieder beim Punkt wäre: Alles hier hätte auch im Kontext der Stammband stattfinden können, über weite Strecken hätte man so gar vom gelungensten Album der Band seit ‚Boys and Girls in America‚ sprechen müssen. Dass ‚Clear Heart Full Eyes‚ sich im Solorahmen jedoch seine Intimität weitestgehend bewahren können wird, macht es umso schöner, dass entgegen aller Gemeinsamkeiten hier doch nur der Name Craig Finn (eigentlich nicht, aber was solls!) am Cover prangt. Insofern also doch eine eigene Welt, dieser wunderbar intime The Hold Steady Moment namens ‚Clear Heart Full Eyes‚.
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