Courtney Barnett – Tell Me How You Really Feel

von am 15. Mai 2018 in Album

Courtney Barnett – Tell Me How You Really Feel

Gut, das Debüt Sometimes I Sit and Think, And Sometimes I Just Sit hatte vielleicht den besseren Titel. Dafür gelingt Courtney Barnett mit Tell Me How You Really Feel nun allerdings das stärkere Album.

Was die Namensgebung insgeheim bereits verrät: Barnett verzichtet im zweiten Anlauf auch ganz bewusst auf die betont smart nach Aufmerksamkeit heischenden lyrischen Manierismen am Podest, den dezidiert amüsanten Erzählungen, sowie den zwar wunderbar zitierbaren, aber eben auch bisweilen etwas prätentiösen Phrasen in der Auslage, mit denen sich die 30 Jährige Australierin 2015 praktisch unmittelbar zum Szeneliebling katapultiert hatte.
Eine Mäßigung, dich sich lohnt. Denn fast scheint es so, als würde durch diese neue Ausgewogenheit in den kaum weniger schlau in die Tiefe gehenden Texten (die nunmehr auch mal die Perspektive wechseln können) nun jeder andere Aspekt einer durchaus seriöser und ernster wirkenden, dunkleren, gitarrenlastigeren und phasenweise auch wütenderen Platte an Qualität gewinnen.

Barnett geht nicht nur merklich in der organischeren, weitläufigeren Dynamik ihrer mal relaxt, mal agressiv um sie spielenden Band (Bones Sloane am Bass und Dave Mudie an den Drums, dazu The Drones-Gitarrist Dan Luscombe an zusätzlichen Saiten und Synthies) auf, Tell Me How You Really Feel klingt auch ganz allgemein besser produziert und in Szene gesetzt als sein Vorgänger – die Platte fühlt sich tiefgehender, reifer und näher bei sich selbst an.
Mit mehr Gewicht und Kontrasten in der Performance ist die Palette dennoch gleichzeitig homogener und wandelbarer. Barnett findet praktisch unmittelbar eine stimmige Symbiose zwischen lockeren Slackertum und aufgerauhten Grunge, variiert die Intensitäten weniger extrovertiert, wenn der schon überragende Opener Hopefulnessless ungewohnt langsam schleppend instinktiv in Pavement‘schen Fussstapfen aus der Disharmonie in die Melodik zusammenwächst, Barnett erst lakonisch leiern lässt, um später immer stringenter im Feedback zu werden („You know what they say/ No one’s born to hate/ We learn it somewhere along the way/ Take your broken heart/ Turn it into art“) und damit unmittelbar zum Besten gehört, was der Indierock 2018 zu bieten zu haben wird.

Der nachfolgende Rest des Growers Tell Me How You Really Feel nimmt meist nicht derartige Umwege in Kauf, nimmt sich aber dennoch Zeit, um die raffinierte Klasse Barnetts über die Hintertür abzurufen.
Das munter zum Malkmus-Feeling dahinlaufende City Looks Pretty rasiert die Mechanismen des Social Media-Zeitgeist und langweilt sich lieber latent forciert durch einen theoretisch auch hymnisch möglichen Refrain („Sometimes I get sad/ It’s not all that bad/ Pull yourself together/ And just calm down„), um sich zum Outro wiegend auszubremen, während das flott schunkelnde Charity betont lässig die Zynismus-Keule auspackt: „You must be having so much fun/ Everything’s amazing/ So subservient I make myself sick/ Are you listening?
Das bittersüß-balladeske Need a Little Time schwelgt dagegen verträumt in kratzbürstiger Schönheit, bevor das unheimlich schmissige Nameless, Faceless die Schere aus nonchalanter Form und bedrückendem Inhalt als entwaffnend-beschwingten Ohrwurm mit Margaret Atwood-Zitat-Paraphrasierung konterkariert: „I wanna walk through the park in the dark/ Men are scared that women will laugh at them/ I wanna walk through the park in the dark/ Women are scared that men will kill them„.

Gerade dieses neue Understatement in der Präsentation ist es auch, das Tell Me How You Really Feel nicht nur zur bisher besten Songsammlung Barnetts macht, sondern der kohärente Spannungsbogen der gesamten Platte auch einen deutlich schlüssigeren Fluss verleiht, als Sometimes I Sit and Think, And Sometimes I Just Sit ihn noch bieten konnte.
Da macht es auch wenig, dass nach dem frontalen 110-Sekunden-Angriff I’m Not Your Mother, I’m Not Your Bitch mit dem etwas zu generischen Crippling Self Doubt and a General Lack of Self Confidence sowie dem verspielt-nebensächlich groovenden, aber ziellos um den exzessiven Jam eiernden Help Your Self eine kurze Phase von Tell Me How You Really Feel  folgt, die das eingangs etablierte Niveau nicht gänzlich halten kann.
Zumal das liebenswürdige Walkin’ On Eggshells selbst in seinem stampfenden Barblues-Refrain unheimlich fürsorglich bleibt und das versöhnliche Schlußstück Sunday Roast in seiner gefühlvollen Gelöstheit ohne Druck oder Hast erst mit ein bisschen Weißheit unter die Haut kriecht („I spend a lotta my time/ Doin‘ a whole lotta nothing/ I know you’re doin‘ your best/ I think you’re doin‘ just fine„) und die tröstende Melancholie des finalen Schwenks über den sonnigen Horizont dann endgültig das Herz aufgehen lässt: „Keep on keepin‘ on, y’know you’re not alone/ And I know all your stories but I’ll listen to them again/ And if you move away y’know I’ll miss your face„.
Gerade in dieser selbstreferentiellen Szene wird das Wachstum der Courtney Barnett augenscheinlich. Doch kann man auch darüber hinaus zwischen den Zeilen zudem deutlich hören, wieviel die die scheinbar mühelos abliefernde Musikerin mit subversiver Energie in den vergangenen drei Jahren von der Zusammenarbeit mit Duettpartner Kurt Vile, Lebensgefährtin Jen Cloher oder den Breeders (die hier auch als Gäste vorbeischauen) gelernt hat.
Spätestens jetzt hält Barnett durch diesen Evolutionsprozess auch dem Hype um ihre Person als Gallionsfigur des (weiblichen) Indierocks ansatzlos stand – indem sie mit dem bisher längsten Atem ihrer Karriere mehr den je den Eindruck vermittelt, nunmehr tatsächlich bereit für ihr eigenes kleines Meisterstück zu sein.

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