Courtney Barnett & Kurt Vile – Lotta Sea Lice
Bei Kurt und Courtney kommt in diesem Fall zusammen, was ideal harmoniert: Die Indie-Liebkinder Vile und Barnett lehnen sich auf Lotta Sea Lice in ein nonchalant-launiges Schaulaufen ihrer ureigenen Slacker-Kunst zurück.
Am Anfang steht und stand Over Everything – als Kurt während eines Fotoshootings zu träumen begann. „I started spacing out and writing a song for Courtney. I had a fantasy that she would sing it with me.“
Dass Vile sich in die lange Reihe von Fans der Australierin Courtney Barnett eingereiht hatte, war nach deren wunderbaren Debüt Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit kein Wunder; dass die beiden auch musikalisch gut zusammenpassen würden, mit Platten wie Wakin on a Pretty Daze oder B’lieve I’m Goin Down im Rückspiegel eigentlich auch nicht. Da kommt zusammen, was zusammen passt. „I’m a huge Kurt Vile fan, have been since I walked into Thornbury Records one morning and blindly bought Smoke Ring For My Halo. That album was one of my first purchases on vinyl. I was getting over a big break-up, un-employed and drifting. I would just lie on my bed and listen to Peepin‘ Tomboy on repeat. One of the most beautiful and luscious albums I ever heard“ streut Barnett wiederum Rosen, ein Schritt führte zum anderen – manche Dinge sollen eben sein.
Geworden ist aus Over Everything deswegen nun konsequenterweise gleich ein gesamtes Album, dessen Ausrichtung der initialzündende Opener rundum adäquat vorgibt: Die Gitarren laufen entspannt dahin, der Rhythmus ist noch unaufgeregter, das Storytelling scheint wie nebensächlich abgehakt. Im ungekämmten Slacker-Country-Flair wirken beide Stimmen leicht abwesend und gelangweilt, aber munter genug, um interessant zu wirken. Barnett und Vile schwingen sich abwechselnd um die tändelnden Melodien, finden erst im immer ausgelassener auftretenden Finale um einen angedeuteten Exzess samt eingestreute Bläser zusammen, ohne dass man es in den zeitlos dahinlaufenden sechseinhalb Minuten eigentlich überhaupt merkt. „When I’m all alone on my own by myself/ And there and another single one around I wanna dig into my guitar, bend a blues riff that hangs…/Over everything“ ist das nicht selten spontan (mal schlau, mal sinnlos) aus dem Handgelenk geschüttelt wirkende textliche Conclusio.
„We discovered we could finish things on the quick, like an outlaw country singer, or Neil Young. We were mucking around, eating pizza, and we had all these songs all of a sudden“ erinnert sich Barnett. Und genau so klingt Lotta Sea Lice dann eben auch: Verschwommen und verträumt, impulsiv und schlau texturiert, die klimpernden Indie-Gitarren und der perfekt harmonierenden Stimmen dominieren.
Alles treibt, man kann entspannt durch den angenehmen Sonneschein an einem stressfreien Tag dösen: Lotta Sea Lice schlendert mit viel Gefühl durch seine Komfortzone. Let it Go stolpert geschickt nach vorne, Barnett und Vile greifen wie Zahnräder ineinander und forcieren noch mehr Freiraum und endlosen Horizont der bis zu entschleunigten Real Estate perlt. On Script geht die Dinge ein bisschen knarziger und ein bisschen rauher an, überlässt das Mikro alleine Barnett, die sich durch die gemeinschaftliche Komposition schlängelt. Kurz droht sich alles aufzureiben, die Dinge bratzen, aber man ist niemandem etwas schuldig: Also ein Zeitlupentempo-Schunkler, für den weder Barnett noch Vile von ihren Hockern aufstehen müssen.
Blue Cheese macht dagegen die kontemplative Sinnsuche aus dem Range Life von Pavement, inklusive Dylan-Mundharmonika, neckischer Ader, Schmetterlingen im Bauch, pfeifender Leichtigkeit und Pedal Steel. Das absolut herrliche Continantal Breackfast ist in seiner folkig-friedlich gepickten Art, mit seinem Besenschlagzeug und dem niedlichen Miteinander sogar noch betörender – vielleicht sogar das naiv-liebliche Duett, das Moe Tucker und ein Kreide fressender Lou Reed nie miteinander gesungen haben.
Nicht alles gelingt in der latenten Nonchalance jedoch derart formvollendet: Die Neubearbeitung von Barnetts eigenem Outta The Woodwork pflegt einen relaxten Americana-Vibe vor einem endlosen Horizont, schunkelt ohne Mühen und nimmt auf dem Weg sogar irgendwo ein E-Piano mit – wie ein den Mond anheulender Chaingang-Schlurder, der längst alle Ketten abgestreift hat. Das ist toll, bis der Song ein wenig zu sehr um seine finale Idee zu dümpeln beginnt – und die Grenze zur Langeweile und Penetranz übersieht. Zwar neigen einige Szenen auf Lotta Sea Lice zur Nabelschau, hier erschöpft sich das Duo aber ausnahmsweise darin.
Was gerade in der Abfolge von einer der herausragenden Schönheiten mit der vielleicht ermüdendsten Schwachstelle der Platte ein klein wenig hervorsticht, ist weniger die abermalige Erinnerung daran, wie unverkennbar markant der Sound von Viles Gitarrenspiel doch ist, als vielmehr die Erkenntnis, dass gerade die Coversongs zu den Highlights von Lotta Sea Lice gehören.
Fear is Like A Forrest stammt im Original von Barnetts Lebensgefährtin Jen Cloher und wird in den Händen des kongenialen Duos ein rauchiger, staubiger Highway-Song mit Crazy Horse-Attitüde, kantigem Rhythmus und leisem Feedbackheulen, der wie zufällig lasziv wirkt und Vile nachlässig in das Szenario driften lässt. Peepin‘ Tom ist wiederum Barnetts eigene Interpretation von Peeping Tomboy: Die wunderbare Vile-Einzeltat von 2011 hat in dieser Version etwas lieblicheres und zerbrechlicheres bekommen – unheimlich toll!
Das beste kommt jedoch zum Schluss: Untogether ist der eventuell liebenswertetste und wertvollste Hinweis darauf, dass das Kleinod [amazon_link id=“B0000248OA“ target=“_blank“ ]Star[/amazon_link] von Belly kaum genug geschätzt werden kann. Man kann sich der hoffnungslos romantischen Magie der Nummer jedenfalls kaum entziehen, wenn das amerikanisch-australische Doppel die sehnsüchtige Nummer zurückgenommen in Szene setzt, nur auf seine Gitarren und Stimmen vertraut (und Vile Barnett dabei eher unterstützend folgt) und dabei ein nahbares Juwel abliefert, das zudem einen feinen Bogen zu den tagträumenden Ursprüngen der Platte spannt.
„Now the bird keeps a distance and I keep my speed/Sometimes there’s no poison like a dream/…/You can dry your eyes/ But you can’t hold the impossibly/ Untogether„. Da passt es nur zu gut, dass Lotta Sea Lice nicht nur alle Versprechen hält, die diese Platte bereits ungehört im erwartungsvollen Vorfeld gab, sondern Barnett und Vile tatsächlich bereits jetzt genug Material für weitere Kooperationsplatten in der Hinterhand haben.
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