Converge & Chelsea Wolfe – Bloodmoon: I
Fünf Jahre, nachdem Converge mit Chelsea Wolfe, Ben Chisholm und Steve Brodsky (sowie dem mittlerweile nicht mehr anwesenden Steve von Till) Bloodmoon als Tourprojekt geboren hatten, erscheint tatsächlich auch noch ein Studioalbum der Atmospheric Sludge/ Gothic Doom Metal-Chimäre.
Im Gegensatz zum ähnlich veranlagten, die jeweiligen Hohheitsgebiete gefühlvoll, einfühlsam und sensibel einander umarmen lassende Zusammenspiel der ebenfalls (nicht ganz korrekterweise) auf ein Roadburn-Festival als Geburtsort datierten Kooperation von Thou und Emma Ruth Rundle unlängst, muß Bloodmoon: I sich (auch mit dem im Rückspiegel, was von den Verge In-Sessions in Axe to Fall aufging) mit einer über die Jahre fast mythisch gewachsenen Erwartungshaltung beim nunmehrigen Schritt aus dem Pantheon ans Tageslicht konfrontiert sehen.
Auch aufgrund dieser hohen Ansprüche ächzt die Masse der aufgefahrenen 60 Minuten ein wenig, doch erweist sich die Substanz von Bloodmoon: I ungeachtet dessen auf den Erstkontakt als ambivalent: Zwar sind nur wenige Passagen der Platte tatsächlich unterwältigend geraten, im Umkehrschluss wollen jedoch selbst die besten Szenen keine unbedingte Begeisterung erzeugen, während weite Strecken zwischen diesen Amplituden ohne Extreme eine gewisse Gefälligkeit entwickeln.
Und dann – dann beginnt das Material mit jedem Durchgang plötzlich und weiter, immer weiter aus der pathetisch erscheinenden Trägheit zu wachsen; schlagen die Melodien ihre Wurzeln tiefgreifender und ergebender aus, bis die offenbar erste Episode der Kooperation eine gewichtige Grandezza präsentiert.
Das Titelstück erwacht auf dem Goth-Piano im Gedenken an Supermachiner und Wear Your Wounds, schmiegt delirante Gitarrenschwaden an eine doomige Sehnsucht, symptomatisch pathossüchtig und heavy verträumt. Bannon keift wie am Stakkato Ende von Black Cloud, provoziert den Kontrast zwischen gespenstischer Verführung und Brutalität. Noch ist das zwar keine Synergie, sondern ein abwechselndes Ringen der Trademarks, doch schöpft spätestens das Finale in seiner epischen, ritualistischen Outlaw-Dystopie im vieltexturierten Midtempo aus den Vollen. Viscera of Men poltert dagegen wie No Heroes auf Kollisionskurs mit Bleeder, um über ein klampfendes Dark Folk-Intermezzo in den noirjazzigen Ambient einzutauchen und dort mit hymnischer Geste zu erwachen und die Platte auf Kurs gebracht zu haben: Coil ist ein unheilschwangeres, theatralischen Ohrwurm-Duett mit erhebend schwelgender Bedeutungsschwere, das zum Ende hin knackiger anzieht, aber in jeder Phase ein süchtig machendes Aushängeschild der Platte bleibt.
Der halluzinogene Fiebertraum Flower Moon schwoft als Slow Motion durch den Zirkus-Ballsaal der Verdammten. Steve Brodsky dirigiert mit Doomriders-Kante Richtung Cave In und ist letztendlich ist sowieso er der heimliche Held der Platte: Während gerade Converge viele teamfähige, beachtliche Meter abseits der Komfortzone machen, und eine eindrucksvollere Wandelbarkeit sowie Einfühlsamkeit als je zuvor zeigen, dadurch auch Chelsea Wolf mehr Physis in ihrem Komfortbereich samt neuen Perspektiven ermöglichen, drückt Brodsky als (im Titel stiefmütterlich behandelndes) Ass im Ärmel so vielen (eigentlich stets herausragenden) Passagen einen markanten Stempel auf und tritt im Grunde oft als geheimer Haupt-Protagonist ins verdiente Rampenlicht.
Der vertrackt-straighte Mathcore von Tongues Playing Dead ist mit seiner dominanten Ballou-Gitarre zwar sicher Converge-Basiswissen, doch setzt ein fast pastoral hypnotisierender Brodsky die Akzente in der Wucht. Lord of Liars kurbelt kompakt und knackig mit sphärisch beschwörender Geste und hetzt dann verspielter zum Hit, Failure Forever wechselt seine catchy Passagen mit Prägung aller Beteiligter sogar noch schmissiger, und Daimon entwickelt sich zum hämmernden Ringen zwischen White Silence und Axe to Fall mit Chelsea Wolfe in der Patina, bis der etwas zu zähflüssig-zerfahrene Metal um eine tolle Hook zum Lagerfeuer Ausklang stampft – und all diese Szenen eben unmittelbare Cave In-in-Hochform-Assoziationen erzwingen, die gewissermaßen im Highlight Crimson Stone gipfeln: eine harmonische Aufbruchstimmung in die die wundervolle Apokalypse, alle Stimmen greifen mit erhebender Haltung ineinander: Längst ist das alles auf subversive Weise in der doch stets so plakativen Gangart überwältigend, erfüllend.
Und dennoch wird man außerhalb des Album-Kontextes am öftesten zu den Momenten zurückkehren, die dezidiert Chelsea Wolfe gehören: Vor allem zu Scorpion’s Sting, das als Western/Americana-Ballade anmutet, als hätte Lana Del Rey mit Shivaree als Backingband auf der Nostromo geschunkelt, bevor der feine, aber (gerade nach dem Klimax Crimson Stone) auch etwas unscheinbare Epilog Blood Dawn wie ein wohliger Alptraum von Lizzy Grant vor einem sinistren Chor in der Luft schwebend entlässt: Hiernach muss es einfach weitergehen, mit diesem die Erwartungen letzlich so voluminös-befriedigend erfüllenden Kollektiv.
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