Coldplay, Maggie Rogers, Oska [24.08.2024: Ernst-Happel-Stadion, Wien]

von am 26. August 2024 in Featured, Reviews

Coldplay, Maggie Rogers, Oska [24.08.2024: Ernst-Happel-Stadion, Wien]

Ein Spektakel, dass es allen einfach macht, in knallbunt blinkender Partystimmung voll positiver Energie auf emotionaler Ebene jedoch subjektiv arg unverbindlich bleibt: Coldplay im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion – Tag 3 von 4.

Sowohl die betont strahlende Oska als auch Maggie Rogers (deren Songs stets wie die Untermalung dramatischer Höhepunkte in Blockbustern klingen, denen es in der Aufbruchstimmung an wirklich zwingenden Melodien und Hooks fehlt) spielen brave, makellose Sets, die absolut zweckdienlich die Hintergrundbeschallung für die Wartezeit auf Coldplay liefern: Immer gut, aber niemals so aufsehenerregend, dass es von der eigentlichen Hauptattraktion auch nur ansatzweise ablenken könnte.
Dass beide Sets am meisten Interesse wecken, ja, beinahe ein wenig Stimmung im Publikum aufkommen lassen, wenn sich die weiblich angeführten Bands Whitney Houston zuwenden (zuerst in Form von Dolly Partons I Will Always Love You, dann zu I Wanna Dance With Somebody), spricht insofern wohl eine deutliche Sprache.

Setlist (Oska):
Distant Universe
Like a Song
Starstruck
It Happens Either Way
Forever Blue
I Will Always Love You
Mona Lisa, a girl’s best friend

Setlist (Maggie Rogers):
The Kill
On & On & On
Drunk
Love You for a Long Time
Retrograde / I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me)
Alaska
Don’t Forget Me
Light On
That’s Where I Am

In einer Zeit, da gefühlt nur noch mehrtägige Mega-Tour-Gastspiele in Stadien zu existieren scheinen, während kleinere Veranstaltungen immer noch mit den Nachwirkungen der Pandemie zu kämpfen haben und Konzerte preislich ohnedies ein Luxus geworden zu sein scheinen, sind jene Coldplay, die einem persönlich zumindest drei herausragende Alben lang verdammt viel bedeutet haben (und danach mit kleinen Lichtblicken wie Ghost Stories und Everyday Life immer mal wieder um Zuneigung buhlten) im Arena-Modus (den die Band ja so eh schon seit zwei Jahrzehnten fährt – aber eben noch nie derart erfolgreich wie heute!) durchaus noch zu erkennen.
Etwa wenn The Scientist die aufzeigende Eingangsphase des Konzerts beinahe auf einen intimen Level herunterfährt, der diesbezüglich in dieser Größenordnung nur vom leise wogenden Sparks übertroffen wird. Wenn Yellow textsicher vom Publikum getragen wird und in nostalgischer Zeitlosigkeit das Herz im Gemeinschaftsgefühl aufgehen lässt. Oder wenn Chris Martin mitgebrachte Plakate liest, um das mittlerweile obligatorische Taylor Swift-Cover zu wählen (diesmal abermals ein sich nicht sonderlich ernst nehmendes Shake it Off am Piano mit zwei weiblichen Fans als gesangliche Unterstützung auf der Bühne) und für den Jumbotron Song alleine an der Gitarre spontane Zeilen für einzeln aus der Menge herausgepickte Menschen zu singen.
Dann nämlich lenkt all das Brimborium einer perfekt geölten Maschinerie nicht mehr vom Wesentlichen – der Musik – ab und Coldplay zeigen eine durchaus authetisch erscheinende Nahbar- und Bodenständigkeit.

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Coldplay 3

Und es ist abseits davon auch einfach schön zu sehen, wieviel Spaß die Menschen dabei haben, auf den kinetischen Tanzmatten abzugehen und auf Rädern zu strampeln, um Strom zu erzeugen, oder von der eröffnende Stafette aus Formatradio-Hits weg durch den unbedingt unterhalten wollenden Positivismus der Band angesteckt zu werden. Coldplay tun alles für eine gute Stimmung und erzeugen brachiale Feel Good-Vibes ohne jeden Zynismus, was bei der (größtenteils erstaunlich jungen) Masse extrem gut ankommt und kurz vor elf Uhr abends nach relativ kompakten 120 Minuten Spielzeit nahezu rundum glückliche Menschen aus dem rappelvollen Stadion entlässt. Alltag ausschalten und Sorgen ablegen, optimistisch nach vorne schauen. (Oder durchs Smartphone – weil die meisten Kameras nicht einmal für A Sky Full of Stars in den Taschen der Besucher verschwinden).  Kein schlechtes Gewissen wegen der Umwelt haben, man leistet an dem Abend ja anscheinend auch seinen Beitrag, um den dem Klimawandel entgegenzuwirken (ohne wahrscheinlich exakt hinterfragen zu sollen, wie arg der Abdruck der Tour angesichts unzähliger in den Nachthimmel geschossener Papierschnipsel, Feuerwerke oder all der erhaltenen E-Mails im Falle eines Konzertbesuchs nun tatsächlich aussieht).

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Und dass Songs wie Adventure of a Lifetime oder Paradise in der Reizüberflutung aus blinkenden Armbändern und einer furiosen Lichtshow im überdimensionierten Bällebad auch weitaus besser funktionieren, als auf den dazugehörigen Studioalben, ist eine Tatsache – sie bleiben allerdings auch so rein oberflächlich angelegtes Entertainment ohne Ecken und Kanten.
Man kann sich von all der barrierefreien Zielsicherheit also abgeholt, aber spätestens mit Ende des Konzerts nirgendwohin mitgenommen fühlen, auch wenn Coldplay ihr Endorphin-Paralleluniversum so voluminös aufblasen.

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Schon ab dem zweiten Viertel der Show bekommt die alte Klassiker weitestgehend aussparende Setlist schließlich ein paar Längen (Clocks besticht auf der Bühne etwa wie die Steigerung des dazugehörigen Videoclips optisch imposant, musikalisch aber wie das entsprechende Schattenbild dazu; God Put A Smile Upon Your Face wirkt in seinem Bestreben zu rocken seltsam deplatziert; Viva La Vida wird zum stumpfen Stampfen; während all das Spektakel bei den wirklich schrottigen Stücken einfach nicht genug blenden kann) und gipfelt mit dem schwachen GOOD FEELiNGS und der nur bedingt angekommenen Single feelslikeimfallinginlovin einem antiklimatischen Finale, das zudem relativ unvermittelt den Stecker für den Abspann zieht: als würde man mit Staunen einem Kunststück beiwohnen, nur um am Ende zu realisieren, dass die Magie – oder zumindest Pointe – niemals vorhanden war.
Dabei gibt es Szenen, die schon ein bisschen sprachlos machen: Allen voran die Band unter merkwürdigen Cartoon-Alien-Masken (samt einem als Security-Mann verkleidetem Tänzer und einer Strophe in Sign Language) bei Something Just Lika This und mehr noch das sprachlos machende, sich leidenschaftlich anschmachtende Human Heart-Duett von Chris Martin mit einer grotesk aufgedonnerten Gremlins-Handpuppe – etwas verrückteres hat die Welt in diesen Dimensionen wohl selten gesehen. Weil diese Momente symptomatisch für die laufende Tour im Speziellen und den Status Quo von Coldplay im Allgemeinen sind, könnten sie kaum besser in diesen Rahmen passen – und über Geschmack lässt sich in einem vollen Stadion bekanntlich noch schlechter streiten.

Setlist:
Higher Power
Adventure of a Lifetime
Paradise
The Scientist
Viva la Vida
Play Video
Hymn for the Weekend
Shake it Off
God Put a Smile Upon Your Face
Yellow
Human Heart
People of the Pride
Clocks
Infinity Sign
Something Just Like This
My Universe
A Sky Full of Stars
Sparks
The Jumbotron Song
Fix You
GOOD FEELiNGS
feelslikeimfallinginlove

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