Coheed and Cambria – Vaxis – Act II: A Window of the Waking Mind
Die vier Jahre Wartezeit auf Vaxis – Act II: A Window of the Waking Mind beweisen nur nebenbei, dass Lappalien wie eine irdische Pandemie also selbst interstellare Science Fiction-Lovestories aus dem Nebenstrang von Coheed and Cambria ausbremsen können.
Gravierender sind nämlich die assimilierenden wie destillierenden Aspekte einer Platte, die zwar den unverkennbaren Trademark-Sound der pathosverliebten Emo-Prockrock-Band auch im zehnten Anlauf fortsetzt, dabei aber von Claudio Sanchez‘ Soloprojekt so viele Pop-Ambitionen übernimmt, die bei der Integration polarisierender elektronischer Elemente beginnt, und bei dem so straight eingestellten Fokus von Vaxis – Act II: A Window of the Waking Mind endet, der besagt: eine direkter zugängliche Stafette an Hits und Instant-Ohrwürmern als hier haben Coheed and Cambria tatsächlich noch nicht auf ihre Hörerschaft losgelassen.
Nachdem The Embers of Fire das Leitmotiv der Vaxis-Pentalogie als Intro vom lieblichen Kinderlied zum heroischen Epos aufschwingt, geben sich die Single-Aspiranten jedenfalls die Klinke in die Hand, gerade in der ersten Hälfte der Platte. Das Drama, der Pathos und die kitschig gniedelnde Weltraum-Theatralik sind jedenfalls in geradlinige Songs von knackig-kompakter Spielzeit gepackt, wenn Beautiful Losers einen majestätischen Refrain beschwört oder Comatose so fetzig galoppiert und das absolut über allem thronende Highlight Shoulders als Hardrock a la Sundial (in bionisch aufgepimpt!) einen schier überwältigenden Chorus zum Niederknien auffährt (der es sich höchstens beim Einsatz der Drums weniger einfach machen hätte können). Auch wenn The Liars Club punkig am Gaspedal Richtung Alien Ant Farm zieht ist das einfach verdammt unterhaltsames Entertainment.
Selbst das vergleichsweise belanglosere, mit kontemporären Effekten und funky Bass ausgeschmücktes Love Murder One fährt in dieser Form eine Hook auf, die einfach zwingend hängen bleibt, bevor der angenehme Synth-Chorus von Blood gefällig funkelt. Vaxis – Act II: A Window of the Waking Mind holt ziemlich komplikationslos entlang einfacher Strukturen ab, hinterlässt aber genug relevante Spurenelemente, um anhaltende Reize zu zeigen.
Überraschenderweise liegt das gar nicht so an den für Coheed-Puristen wohl zumindest ambivalenten Akzenten. Denn wie A Disappearing Act auf einem pumpenden Dancefloor-Beat mit käsigen Indie-Disco-Synthies der Marke Bravery fußt, Bad Man mit pluckernder R&B-Elektronik klingt, als hätte The Weeknd einen retrofuturistischen Spacerock-Song samt Autotune für die 80er geschrieben, oder die Indietronic-Pop-Einkehr Our Love mit programmierten Beats, Gitarre-Intimität und einem Hauch von Klavier ein betörend stimmungsvolles Durchatmen vor dem Finale der Platte anbietet, fügen sich als theoretische Wagnisse praktisch erstaunlich homogen und schlüssig in den radiofreundlichen Kontext der Platte ein.
Wer trotzdem darüber tatsächlich die Nase rümpfen will, dem reichen Coheed ans Cambria zum Abschluss aber ohnedies noch die Prog-Friedenspfeife: Das (die ansonsten bis zu diesem Zeitpunkt der Platte nie übertretene 4-Minutenmarke überschreitende) Trio Ladders of Supremacy (mit Goth-Suspense bäumt sich die düstere Muse-Bombast-Spannung mäandernd auf), Rise, Naianasha (Cut the Cord) (das den Knoten schmissig wie nur was herrlich verspielt löst) und Window of the Waking Mind (Flamenco-Gezupfe! Acoustic-Märchen! Gefühlvolle Erzählungen! Broadway-Patina!) verschmilzt zu einem nicht immer auf den Punkt findenden, aber überdurchschnittlich ineinander verschränkten Standard-Epos, der unterstreicht, dass Sanchez und Co. auch die erarbeitet wollende Schiene derzeit mit einer Mühelosigkeit bedienen, die exemplarisch für die tolle Form der bisher so unterschiedlich gerichteten Axis-Saga steht. Ärgerlich ist dabei wirklich nur, dass das rahmende Thema an den abschließenden Quasi-Titelsong gepappt wurde, anstatt dem Motiv eine Existenz als eigenständiges Outro zu spendieren.
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