Clutch – Sunrise on Slaughter Beach

von am 20. September 2022 in Album

Clutch – Sunrise on Slaughter Beach

Sunrise on Slaughter Beach begeistert angesichts des nachhallenden Volumens von Book of Bad Decisions aufs den Erstkontakt kaum, erweist sich mit Fortdauer aber als geschickt angesetzter Hebel: Kaum einer kann die zwischen Stoner, Blues- und Hardrock pendelnden Standards schließlich so verdammt gut wie Clutch.

Was so auch gerade durch die kompakt auf den Punkt gebrachte Form von Sunrise on Slaughter Beach überdeutlich unterstrichen wird. Nur 33 Minuten benötigen die neun Nummern des 13. Studioalbums des Quartetts aus Germantown, um über die Ziellinie zu marschieren – was angesichts der Längen mancher Vorgänger schon auch als Statement und Schritt in eine ideal entschlackte Richtung gewertet werden kann – und dabei im kantig-trockenen, heavy-transparenten und einnehmend temperierten Sound von Tom Dalgety nicht nur dezidiert prägnant aufzutreten, sondern die Trademarks der Band innerhalb der konventionellen Komfortzone so pointiert destillieren, dass (hat man die Weniger-ist-mindestens-ebenso-effizient-Attitüde der Platte erst einmal angenommen) Sunrise on Slaughter Beach eine praktisch (beinahe) ausnahmslose Stafette der Live-Kracher-Aspiranten und Truckstop-Hits in purer Clutch-Qualitäts-Wertarbeit darstellt.

Strukturell mag das meist sehr ähnlich, sehr konventionell und auf pragmatische Weise zeitlos sein, wenn supercool abgehangene Strophen zu catchy Refrains führen, die Bridges den Hang zur Einkehr zeigen und spätestens beim finalen Chorus jeder dieser mal gesetzten, mal dringlicher schwitzenden Headbanger latenteste Ohrwurmpotential zeigt – tatsächlich funktioniert die Simplizität einfach wunderbar kurzweilig. Gerade in der bockstarken ersten Hälfte von Sunrise on Slaughter Beach, in der sich die Hooks bald aufmerksamkeitsfreudig positionieren und potente Singles sich die Klinke in die Hand drücken.
Da installiert das zügige Red Alert (Boss Metal Zone) mit seinem groovenden Stoner und der smooth blusesigen Nonchalance den MO der Platte, derweil der Quasi-Titelsong Slaughter Beach mit seiner stoischen Entschleunigung nicht und nicht mehr aus dem Schädel will, wie ein Hardrocker mit exemplarisch grummeligen Bass die Signatur schärft. In Mountain of Bone lässt die Rhythmussektion den Kopf so abgeklärt lässig nicken, obgleich das Gaspedal in heroischer Reichweite ist. Und Nosferatu Madre ist nichts weniger als ein massiv polterndes Instant-Karriere-Schmankerl mit Deborah Bond und Frenchie Davis als weibliche Hintergrund-Unterstützung.

Nach Mercy Brown als nächtlichem Herzstück-Verführer, der sich im Anziehen und Loslassen der Bremse als dynamischer Katalysator gefällt, und am Ende gar choral zur Seance flaniert, fällt die zweite Hälfte von Sunrise on Slaughter Beach zwar schon etwas ab: das schnörkellos nach vorne gehende We Strive for Excellence kommt nicht über das solide Routine-Schaulaufen hinaus, macht aber wie jede Sekunder des Albums einfach Bock; Three Golden Horns flirtet zu inkonsequent mit atonalen Schraffuren, da die Nummer nur zu leicht in den genialen Wahnsinn kippen hätte dürfen, wo die Komfortzone aufhört – hat dafür mit „Now I see the truth / Jazz music corrupts our youth“ aber eine der Zeilen des Jahres; und Skeletons on Mars erschöpft als Space Rock am Highway, der in den psychedelischen Jam abdreht, sein brillantes Potential (trotz eines Theremin(!)-Solos von J. Robins ebenso wenig wie das dunkle, atmosphärisch gedrosselte Jackhammer Our Names, das mystisch crooned zu knapp bemessen scheint.
Hätte sich die Band in all diesen Momenten ein bisschen mehr aus der Wohlfühlzone hinausragend gehen lassen und ohne Netz oder doppelten Boden gearbeitet, würde Sunrise on Slaughter Beach mit elaborierterem Spannungsbogen auf einen Treppchenplatz in der Clutch’schen Diskografie eilen. Was so aber angesichts der Klasse des bislang kürzesten Langspielers von Neil Fallon und Co. schon Jammern auf richtig starkem Niveau ist (und eben auch nur um um das Quäntchen Reserviertheit zu Aufrundung zur nächsten Punktezahl verhindert). Kein Gramm Fett mitzuschleppen und dabei dennoch so viel unterhaltsames Gewicht zu transportieren muß man schließlich erst einmal schaffen.

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