Cloud Rat – Qliphoth
Wikipedia erklärt: „Qliphoth sind metaphorische verhüllende Schalen um „Funken göttlicher Lichtemanation“. Sie sind synonym mit unreinen geistigen Kräften, Quellen von spiritueller, religiöser Unreinheit(…)„, während Cloud Rat dem Alltag entgegenbrüllen: „Waiting for an ancient god that does not exist/…/It’s subversive, it’s treacherous/And it does not mean life.”
Hinter diesem steinigenden Bild fahren Cloud Rat die bisher makelloseste Vermessung ihres wild knüppelnden Weit-Mehr-als-nur-Grindcores auf, multiplizieren die unberechenbare Garstigkeit und lyrische Nachhaltigkeit von ‚Moksha‚ stärker denn je mit den Mitteln des Hardcore, bremsen ‚Qliphoth‚ immer wieder zu einem wüsten Slo-Mo-Headbanger – man darf an Nasum, Fuck the Facts und Full of Hell gleichermaßen denken – vereint hinter einem schmutzigen, räudig-rauen Thrash-Feeling, das sich klangtechnisch an den selben Vorbilder wie Oozing Wound aufreibt, die fauchenden Gitarren mit einer aus den 80ern übernommenen Stimmung zwischen all das Gekeife und Geknüppel schiebt.
Cloud Rat haben ihren Sound längst definiert und nun erweitert – die Aufstockung der Band zum Quartett durch Brandon Hill als Elektroniker ist vom ersten Moment des Drone-Schwangeren Openers ‚Seken‚ eklatant, ohne die Räume, die der fehlende Bass seit jeher zuließ vollends auszufüllen.
Die Dinge bleiben kantig, aber man wächst mit jedem Album, nicht nur personell gesehen- präsentiert sich die Kombo aus Michigan auf ‚Qliphoth‚ doch vor allem als kaum stillsitzende, aber runder die Gestalt wandelnde Chimäre, die zwischen all den wahnwitzigen Häckseleien stets zum Punkt kommt und ihre Aggressivität zielgenau und variabel (Madison Marshall ist sowohl aus stimmlicher wie lyrischer Hinsicht ein Trumpfass!) abliefert, weil man es gefühltermaßen schlicht und einfach muss: dieses Quartett braucht Cloud Rat einfach als Ventil für all die angestaute Wut.
Das dritte Studioalbum der Band setzt seine markantesten Akzente dabei auch nicht mehr mit Neil Young-Coverversionen, sondern lässt sein furioses Wüten entlang zahlreicher Sprengfallen explodieren, die sich keiner Genre-Klassifizierung mehr unterwerfen, die Muster stets variieren. Bereits ‚The Upper World‚ öffnet den Sound an den scharfen Ecken, bevor ‚Racoon‚ klingt, als wären Kylesa aus der Kanalisation und die Gosse ausgespien worden. ‚Bloated Goat‚ schrammt an einem mächtigen Gitarrenkonstrukt vorbei, ist aber generell zu chaotisch und gehetzt, um dieses näher beäugen zu wollen – für eine Spoken Word-Passage in ‚Rusting Belt‚ bleibt hingegen genug Zeit. ‚Bolt Gun‚ ermöglicht dafür ein versöhnliches Durchatmen, hält die Luft an und presst alle angestaute Angepisstheit dann durch ein sludgy Monsterriff, das Thou-Anhängern das Wasser im Mund zusammenfinden lassen müsste.
Am stärksten wirken jedoch die Momente nach, die die austickenden Aggressionsschübe tatsächlich auf lange Sicht bändigen können: ‚Udder Dust‚ tackert von Beginn an um eine gewisse Grundschönheit, bremst sich immer weiter aus um im Grouper-Ambiente von ‚The Killing Horizon‚ zu münden, während ‚Thin Vein‚ praktisch Helen mit weniger verwaschenen Watte-Klang sein könnte, der sich seinen Weg zwar zurück in den Metal sucht, aber stets ätherisch und schwerelos bleibt, das kompromisslos randalierende ‚Qliphoth‚ damit stark kontrastiert, jedoch keineswegs aus dem homogenen Gesamtbild fallen lässt.
Hill’s Gegenwart erfüllt das Cloud Rat’sche Klangbild also mit einer gänzlich neuen Ebenen, schafft für die restlichen Mitglieder Wege für neue Facetten und Perspektiven, ohne diese Optionen konkret zu formulieren (in seiner unmerklichen, jedoch allgegenwärtigen Arbeitsweise erinnert er also durchaus an Frank Delgado von den Deftones): Das Kollektiv kommt mit seinen flächigeren Texturen entgegen,was aber nichts daran ändert, dass ‚Qliphoth‚ wie bereits ‚Moksha‚ ein knallhart seine Prinzipien hinausschreiendes Album geworden ist, das durch seine Unmittelbarkeit und Dichte fasziniert, keine Distanz zwischen Musiker und Hörer zu tolerieren scheint und nicht nur auf der gesteigerten Spielzeit seine Grenzen neu vermisst: Die Basis von Cloud Rat erweitert sich neuerlich und Grindcore ist spätestens ab jetzt ohnedies nur noch eine ungenügende Hilfskategorisierung für diese Band. „How do I convince you I’m living?„, diese Frage beantwortet sich von selbst. Denn ‚ Qliphoth‚ tut dies zu jeder intensiven Sekunde seiner dynamischen Spielzeit, in all seiner abscheulich-dunklen Gnadenlosigkeit.
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