Cloud Rat & Disrotted – Split

von am 24. Juni 2017 in EP, Sonstiges

Cloud Rat & Disrotted – Split

Cloud Rat nähern sich auch auf der bereits dritten Split-Veröffentlichung 2017 (nach den Kooperationen mit Crevasse und Moloch) abermals ihrer Co-Band an und lassen ihr kaum noch zu verortendes Stil-Amalgam deswegen diesmal über knapp 18 Minuten am auslaugenden Doom der Chicagoer Seelenverwandten von Disrotted wachsen.

Die feierliche Fußnote gleich vorab: Der Split von Cloud Rat und Disrotted markiert nicht nur die hundertste Veröffentlichung im Hause Halo of Flies, sondern passenderweise auch die dreißigste für Dry Cough Records – insofern Gratulation an dieser Stelle an zwei geschmackssichere und qualitätsbürgende Labels, bei deren Katalog Genrefans seit jeher praktisch blind zugreifen können.
Umso feiner natürlich, dass mit dieser Tradition anhand der beiden aufgefahrenen Song-Leviathane nicht gebrochen wird – Cloud Rat und Disrotted servieren zwei angemessen erschlagende Brocken zum Jubiläum, die vor allem im Falle der aktuell so releasewütigen Derwische aus Michigan einmal mehr vorführen, dass sich Grind längst nur mehr der Ausgangspunkt für eine Band ist, deren Songwriting sich endgültig aller Formelhaftigkeit verweigert.

Bereits ihre 2015er-Glanztat Qlipoth hätte ursprünglich ein einziger langer, zusammenhängender Song werden sollen – eine Idee, die jedoch letztendlich aufgrund der ganzheitlichen Schlüssigkeit wieder verworfen wurde und erst jetzt von Cloud Rat kohäsiv umgesetzt wird: Holding The Picture ist ein postapokalyptisches Space-Future-„grind epic, eine 18 minütige Tour de Force, die die einzelnen Passagen ihrer Suiten homogen miteinander verbindet, auch wenn sich die Schnittstellen phasenweise doch deutlich erkennen lassen.
Ein überhörbares minimales Manko, dass man alleine aufgrund der Ambition dieser ausufernden Wuchtbrumme nur zu gerne in Kauf nimmt. Schließlich pumpen Cloud Rat hier derart viele Wendungen, Ideen und Schichten in das Geschehen, dass die Band live gar plant sich um Gast-Musiker zu verstärken, um den Höllenritt adäquat umsetzen zu können.

Das beginnt als dystopischer Noise über verstörenden Samples, irgendwann schreit Madison flehend in den Abgrund. Praktisch ansatzlos bolzt der Song jedoch mit fieser Kante los, geifernd und giftig, die Gitarre bleibt erst seltsam klar über dem hyperventilierenden Drums, dann schiebt sie energisch – und plötzlich retten sich Cloud Rat auf eine getragene Plattform, die fast schon Wohlklang, zumindest aber eine schmutzige Eleganz erklimmt. Dort tröpfelt der Song langsam und doomig dahin, beschwört eine melancholische Leichtigkeit in der Heavyness, eine kaum greifbare Dramatik im Hintergrund, wie er sich ohne Hast dahinschlängelt, köchelt und rumort – ist das gar Melancholie in der Aggression?
Spätestens hier zeigt die Band auch, dass sie ihrem Melodieverständnis längst eine breitere Basis gönnt, ohne deswegen zugänglicher zu werden – Cloud Rat sind in den vergangenen Jahren hörbar an den eigenen Anforderungen gewachsen und können klanglich eine hypnotisierende Tiefe erzeugen.
Wohlfühlzone gibt es jedoch keine. Bald kippt der Monolith in eine Downbeat-Riffstaffete ala Code Orange und wird zum Nackenbrecher in Zeitlupe, später treibt die Band ätherisch durch eine ambiente Gitarrenwelt, nimmt Anlauf in grungigen Alternative-Ansätzen und wächst schlussendlich mit einer Black Metal-Transzendenz, nur um danach fast schon entspannt über die Ziellinie bis zu seinem den Bogen zum Anfang spannenden, rasenden Finale zu laufen.

Cloud Rat wissen natürlich, welchen facettenreichen, furiosen Brocken sie mit diesem angepisst-unberechenbaren Wechselbalg servieren, gerade den Puristen: „This will probably bore folks who only dig our really aggressive stuff, so skip it if you fall under that umbrella„.
Über derartige Dinge müssen sich Disrotted freilich gar nicht erst den Kopf zerbrechen – obwohl sie diesbezüglich an einer deutlich breiteren Front zur Geduldsprobe agieren ihr Dissipate sogar noch knappe fünf Minuten länger ausfällt als Holding The Picture. Über dissonante Rückkoppelungen und ein rau aus den Verstärkern brutzelndes Feedback siechen Disrotted unter einer droneschwangeren Slow-Mo-Walze mit erschütternd tiefen Growls und malträtieren ein minimalistisches Brachland von auslaugender Schonungslosigkeit. Die Konsequenz hinter der vollkommen entschleunigten Heavyness der Band findet irgendwo zwischen Sunn O))), Boris und Thou statt, auch wenn das Trio aus Chicago sein Profil (noch) nicht derart geschärft hat, wie die naheliegenden Szenebesten. Was bedeutet: Das kann ohne die richtige grundlegende Stimmung freilich nur zu leicht langweilen.
Doch Dissipate fesselt: Kaum merklich ziehen Disrotted die Spannungsbögen immer wieder an, kotzen sich ekelerregend aus, variieren ihr Gebräu in den Nuancen, aber effizient: Nicht viele Genrekollegen verstehen es, einen Song über eine solch vereinnahmende Distanz derart – nun ja – kurzweilig und packend zu gestalten.
Damit steht am Ende ein plättendes Martyrium, das vielleicht näher am typischen (zugegebenermaßen nicht restlos eigenständigen) MO der Band stattfindet, als Cloud Rat dies zuvor so überragend zelebriert haben – wodurch der Disrotted-Beitrag aber nichts von seiner faszinierend abgrundlosen Atmosphäre einbüßt. Zumal sich die Band selbst ohnedies weit draußen sieht: „Musically, this split showcases some of our slowest and most disturbing music yet. I think we are starting to really push ourselves to create some of the most bleak and textural doom today„. Darüber lässt sich diskutieren. Fest steht: Das ist schlichtweg verdammt souveränes Funeral Doom-Kino in garstiger Unerbittlichkeit. Bei dem man als Genrefan eben eigentlich blind zugreifen kann. (Und als Cloud Rat-Anhänger sowieso muss!)

Vinyl via Dry Cough Records | Vinyl via Halo of Flies Records |

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