Cloud Nothings – The Shadow I Remember
Seit geraumer Zeit ist das Verhältnis von Quantität und Qualität bei Dylan Baldi und Cloud Nothings ambivalent aus den Fugen geraten. Produzent Steve Albini verleiht dem Output allerdings wieder die nötige ästhetische Reibungsfläche und Prägnanz.
Etwaige Solo- und Kooperationsprojekte außen vor lassend hat Baldi das Jahr 2020 ja unter anderem für den Release von knapp 30 Livealben genutzt und dazu seit vergangenem August auch eine monatlich erscheinende Serie an EPs gestartet.
Dass man selbst als Fan nicht Zeit und Muse (und irgendwo natürlich auch: das nötige Kleingeld) aufbringen kann und will, um all dies zu konsumieren, liegt jedoch primär an den beiden im vergangenen Jahrgang erschienen Hauptwerken von Cloud Nothings: Das abseits des treibenden Band-Kontextes gestemmte The Black Hole Understands entpuppte sich schließlich als frustrierende und schnell vergessene Angelegenheit, und der abseits der allgemeinen Wahrnehmung veröffentlichte Nachfolger Life is Only One Event korrigierte die Abwärtsspirale zumindest insofern, dass das erstaunlich poppig an der Frühphase ausgerichtete Material (zeitlich annähernd passend übrigens zum zehnjährigen Jubiläum von Turning On) als theoretische Resteverwertung trotz einer latenten Gleichförmigkeit wieder etwas stärker ausgefallen war, wenngleich die Energien allerdings ebenso wenig zwingend auf den Boden gebracht wurden. Die furiose Angriffslust und das packende Momentum war der harmlos gewordenen Band offenbar (wieder) verloren gegangen.
Auftritt Steve Albini. Knapp neun Jahre, nachdem der Produzenten-Veteran dabei half, den emotionalen, grungigen Indierock von Cloud Nothings 2012 über Attack on Memory jenseits des Soloprojektes überhaupt erst seine Identität finden zu lassen, wirkt das neuerliche Auftauchen des Pragmatikers absolut revitalisierend: Auf dem wieder mittels konventioneller Vertriebswege veröffentlichten The Shadow I Remember klingen Baldi, Jayson Gerycz (Drums), TJ Duke (Bass) und Chris Brown (Gitarre) wieder deutlich kantiger, schroffer sowie trockener – und der wiedergefundene knackig Punch, die forschere Bissigkeit, ist eine Wohltat , sie gibt der Performance eine wichtige Kante und Struktur zurück.
So sehr gar, dass die gewisse Unbedingtheit im Auftreten und transportierte leidenschaftliche Spielfreude es nahezu egal erscheinen lassen, dass das dabei praktizierte Material genau genommen „nur“ ein rundum typische, zutiefst zuverlässige und ausfallfreie Ansammlungen an routinierten Standards darstellen – stets (sehr) gut, aber niemals großartig.
Am überraschendsten ist dabei noch der von Macie Stewart auf der Gästeliste beigesteuerte Gesang in Nothing Without You, der die Cloud Nothings-Formel in neue Höhen lenkt und mit hell aufsteigenden Facetten kontrastiert. (Das schmissig-zügig mit Patent-Schlagzeug-Pattern arbeitende Open Rain erledigt die Call-and-Response-
Etwa gleich in Oslo, dem Spannungen anziehenden Opener der Platte, der den Post Hardcore und Noise unverbindlich einlädt und die Drums minimal sediert hinter der Geschwindigkeit poltern lässt. The Spirit Of scheppert poppunkig, dreht immer energischer am Temporad und schmeißt das Piano das Stiegenhaus hinab, während Only Light eine melancholische Sehnsucht mit optimistischer Atemlosigkeit vor sich hertreibt. Nara gibt sich geschmeidiger, bietet eine versöhnliche Hook, und das dicht stehende Sound of Alarm rotiert ähnlich zugänglich, wenngleich symptomatisch raschwieder aus den Gehörgängen purzelnd, ohne explizite Nachhaltigkeit hängen bleiben zu lassen – das erst unausgegoren anmutende A Longer Moon besticht letztendlich zumindest mit seiner immer direkter pressenden Hingabe.
Am I Something besticht dagegen durch seinen Umbruch von der düster-dringlichen Beklommenheit zur offenen Melodielust und das bärenstarke It’s Love drangsaliert hypnotisch auf der Überholspur mit manischer Leadgitarre, bevor The Room it Was seinen inneren Grunge-Schweinehund eloquent überwindet und das Breitbandformat aufzieht – und gerne noch weitaus elaborieter in den Jamrausch kippen hätte können. Insofern heißt es wohl auf die irgendwann wieder startenden Livetermine der Band zu warten, um die Vorzüge der Platte auslaugend serviert zu bekommen.
Es macht aber auch so bereits jetzt einfach kurzweiligen Spaß, eine neue Sturm-und-Drang-Periode der Band losgetreten zu hören, selbst wenn die Ventile niemals eine solche extatische Begeisterung wie beim nahverwandten Here and Nowhere Else einstellen wollen. Und genau genommen wäre The Shadow I Remember direkt nach diesem Rabatz veröffentlicht vielleicht sogar eine kleine Enttäuschung gewesen – nun aber wirken die 33 Minuten wie eine Frischzellenkur für die Band.
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