Closet Witch – Chiaroscuro
Fünf Jahre nach ihrem selbstbetitelten Debüt steigen Closet Witch beinahe in die Sphären von Cloud Rat und Co. in die erste Grindcore-Liga auf. Was besseres als Chiaroscuro ist dem Genre zumindest dieses Jahr (schon wieder) jedenfalls noch nicht passiert.
Womöglich wird man in den bis zum Emoviolence reichenden Szenekreisen noch länger darüber diskutieren, ob Closet Witch den keine Sekunde verschwendenden 18 Minuten von Chiaroscuro nun wirklich unbedingt einen Gefallen damit getan haben, die Produktion der Alex Crist-Gitarren zu einem verwaschenen Matsch aus konturlosen, gar indifferenten Riffs zu machen, der gleichförmiger plättet, als er tatsächlich ist, indem er seine Feinheiten in einer Art Screamogaze bügelt und phasenweise wie ein LoFi-Rausch transzendiert….während diese Sound-Entscheidung auf anderer Seite jedoch eben auch einen feisten DIY-Strom aus ungeschliffen naturgewaltigen Saiten (im Verbund mit dem dichten Spiel von Bassist Cory Peak) hinter der mit ungemeiner Bösartigkeit eskalierenden Vocal-Keifzange Mollie Piatetsky sowie den brillant rumpelnden, genial organisch wirbelnden Speed-Drums von Royce Kurth erzeugt.
Bei aller Ambivalenz der polarisierenden Inszenierung ist die von Chiaroscuro eingefangene, erzeugte und ansatzlos überspringende Energie so jedenfalls bisweilen unpackbar furios und direkt, die archaische, animalische Wildheit der Gitarren in ihrer konturlosen Masse der rohen Ungeschliffenheit voll dreckiger Aggression durchaus in die Arme spielend (bestialisch, diese unzähmbare Wildheit!) und die Frage, ob ein ziselierter angelegter Kontrast in der Produktion das Ganze noch besser gemacht hätte, eigentlich sekundär: Auch wenn ein Gegenhören mit der Konkurrenz auf den ersten Blick wehmütig macht – mitten drinnen im Getümmel arrangiert man sich schnell mit den ästhetischen Umständen.
Worüber man sich insofern wohl einig sein sollte, ist, dass Chiaroscuro ein absolut pures, die Essenz des Genres (mit der Attitüde früher Pig Destroyer oder Insect Warfare) in tollwütiger Intensität destillierendes Grindcore-Album darstellt – in einem grandiosen Jahrgang wohl so ziemlich wahrscheinlich das beste seit Threshhold gar.
Im überspannenden Rahmen aus dem apokalyptischen Noise des Intro, dem maschinell klackernden, ätherisch texturierten Post Industrial des Luftholens Untitled Track als Mittelbalken, sowie dem Ausklang von To the Cauldron, der nach episch ausladenden Tendenzen und melodischen Bögen in den erhebenden und dennoch nur erahnbaren Formen im düsteren Schatten eines destruktiven, pragmatischen Hasses, als alles verbrennende Erde den Kreis ambient schließt, veranstalten Closet Witch jedenfalls einen vor glühender Wut die Zähne fletschenden Husarenritt, zu dessen Katharsis mit Frankie Furillo, Stu Cline, Dan Lee und Full of Hell-Dauerkooperierer Dylan Walker sogar eine halb-illustre Gästeschar für zusätzlich Kerosin-Impulse vorbeikommt.
Da überschlagen sich dann die hysterisch keifenden Aggressionen vom ballernden Constantly Problematic weg, brüllen sich die Fronten aus unterschiedlichen Reihen entgegen (And Releasing) oder dehnt das besonders brutal und dämonisch daherkommende den punkigen Vibe bis in den sludgy Doom. Damn zuckt Infinite Imbalance mit Math-Ahnungen oder kloppt You, Me & My Venus in Decay alles in die Tonne, worauf ein hirnwütig heulender Banshee auf einem nie brechenden Kamm des Nihilismus näher hin zum Hit reiten könnte, als es einem solchen Berserker eigentlich möglich sein dürfte.
Nicht nur in Arlington Cemetery verpasst alleine die Rhythmusgruppe dem Songwriting durch die Performance absolute Identität, und in der Highspeed-Eskalation Well Fed Machine schärft die Gitarre dann doch noch den Fokus für den Hörer, als gälte es, einem Verdurstenden Wasser mittels eines Hochdruckreinigers ins Maul zu spritzen, bevor das punkrockige Funeral Flowers ein schizoider Wechselbalg aus Powerviolence-Muskelspiel und Psychose ist.
Trotz solcher kleiner verschobener Amplituden ist Chiaroscuro sicherlich dennoch kein per se facettenreiches Werk. Doch legen Closet Witch den Finger mit einer solch unnachgiebigen Präzision, mit einer den Druck praktisch nie zurückschraubenden Impulsivität auf die ätzende Wunde des Grind, dass die entfachte Explosivität ohne eine Sekunde Reibungsverlust ein so harsch mitreißendes, zwangsläufig anfixendes Momentum provoziert, das einfach seinesgleichen sucht (und deswegen mit der Ekstase des Augenblicks sowie dem superben Artwork auch ein wertungstechnische Aufrunden zwischen den Punkten fordert, ohne an der Front aus Geheimtipp-Feuerwerk und oberster Liga irgendwelche Gefangenen zu nehmen).
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