Circa Survive – A Dream About Love
Dass Esao Andrews für das Artwork von A Dream About Love verantwortlich zeichnet, ist nicht offensichtlich. Das passt, weil auch Circa Survive sich auf ihrer ersten EP seit The Appendage vor elf Jahren einem überraschenden stilistischen Paradigmenwechsel verschreiben.
Abseits der Pandemie mussten Circa Survive seit dem 2017-Album The Amulet auch einen Heroin-Rückfall samt neuerlichem Entzug von Sänger Anthony Green überstehen. Faktoren, die sich gravierend auf den Sound der Band ausgewirkt haben: A Dream About Love speist seinen Artrock aus Indietronica- und Dreampop- Elementen, aus sphärischen, meist elektronischen Drumbeats und elegischen Synthieschwade, die Gitarren weit hintanstellend, der Bass als schabende Konstante.
Ein wenig darf man an die Transformation von Glassjaw für Coloring Book denken, nur dass die Veränderung hier zu einer weitaus ruhigeren, viel ätherischer veranlagten Artikulation führt, die melodisch schweifend im getragenen Tempo vor allen auf atmosphärische Tiefe baut. Circa Survive vermeiden sogar jede Unmittelbarkeit, obwohl die hier gefühlt nahe an einer Green-Soloplatte arbeitende Band eigentlich leichter zugänglich und verdaulicher auftritt, als bisher.
Dass praktisch alle finalen Auflösungen der einzelnen Songs kompositorisch auf dem selben Weg gelöst werden – die rhythmische Präsenz wird stärkere kontrastiert und enger gesteckt – ist ein Schönheitsfehler in der Zäsur, doch hält die Variation der Ausrichtung in sechs verschiedene Perspektiven die Homogenität abwechslungsreich.
In Imposter Syndrome nimmt die Gruppe symptomatisch erst spät mit unaufgeregt nach vorne stacksendem Schlagzeug und oszillierend perlenden Postrock-Gitarren an Fahrt auf, das verträumte Drift hätte irgendwann gar wie eine Dredg-Verneigung vor dem U2-Panorama wirken können, wenn der Groove trotz anziehender Intensität nicht vor allem meditativer Natur bleiben würde. Our Last Shot ist mit Drummachine und pluckenden Effekten als hypnotisch in Zeitlupe versetzter Postpunk nicht weit von der Vorstellung entfernt, die die Silversun Pickups vom Synthpop der 80er haben. Green intoniert kraftvoller, aber die mäandernde Nummer will keine zwingenden Konturen entstehen lassen, bis die Drums vorhersehbar zupacken und die Gitarren mehr Größe erzeugen.
Even Better folgt sogar noch konventionelleren Pop-Strukturen, formt seine Schemen wie eine schwül shoegazende Sommermelancholie und auch das sanfte Gone for Good knistert zum Acoustic-Folk tendierend im milde wärmenden Sonnenlicht, bevor der Kontrast aus eiliger zappelnden Drums und kontemplativ perlenden Texturen in Sleep Well bald für einen gemeinsamen Kompromiss im festeren Stand erwartungsgemäß die Auslage wechseln, inhaltlich aufwühlend.
Hinsichtlich des Songwritings scheinen sich die Möglichkeiten von Circa Survive in dieser stilistischen Justierung also (zumindest vorerst noch) im erschöpfend-überschaubaren Rahmen zu bewegen – ästhetisch steht die Optik dem Quintett aber hervorragend und ringt ihm fesselnde neue Facetten ab. Ob diese Tendenz die Stärken von Circa Survive (gerade als Band) auf Albumlänge tragen kann, muß insofern zwar bis auf weitere skeptisch beäugt werden, zumindest als kurzes Intermezzo zwischen den Langspieler bietet sich A Dream About Love aber als feine Oase an, um wieder zu sich selbst zu finden.
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