Chvrches – Every Open Eye
Anhand des Zweitwerks von Chvrches lässt sich orakeln, dass sich beim schottischen Trio des Beach House-Syndrom abzeichnen könnte: Nimm alle ihre Songs, steck sie in eine Random-Playliste – und du wirst einen langen, homogenen Songsfluss haben, ohne das Gros der einzelnen Bestandteile mit absoluter Sicherheit ihren ursprünglichen Platten zuordnen zu können.
Für ‚Every Eye Open‚ ist dies jedoch in erster Linie als Kompliment zu verstehen. Hat sich das zwei Jahre alte ‚The Mother We Share‚ doch vor allem entlang seiner herausragenden Hits der Marke ‚The Mother We Share‚ oder ‚Recover‚ erstaunlich gut gehalten, weswegen gleichgeschaltener Nachschub also eine feine Sache sein könnte. Soviel sei jedoch vorab verraten: auch ohne ähnlich hartnäckige Killerhits im Talon wird das etablierte Niveau nun weitestgehend gehalten, oder besser: kopiert.
Dass sich Chvrches für ihre elf neuen Songs nahezu entwicklungsresistent kaum einen Millimeter aus dem bisher beackerten Plansoll des synthiegestemmten, enorm eingängigen Electropop wagen, kann man zwar durchaus als einen künstlerisch mutlosen Zug auffassen, gleichzeitig muss man dem Trio dann allerdings zubilligen, dass sie dem dadurch entstehenden Vergleichsdruck zum allseits gefeierten Debüt erneut mit einer beachtlichen Masse an potentiellen Formatradio-Hits entgegenhalten. Eben alles Ansichtssache.
Die Anfangswelle um ‚Never Ending Circles‚ und ‚Leave A Trace‚ macht jedenfalls schnell klar, dass der Band die geschmeidig pulsierenden Ohrschmeichler-Melodien weiterhin absolut mühelos aus den Keyboardtasten tröpfeln, das hämmernde ‚Keep You On My Side‚ liebäugelt als dezenter Innovationsansatz gar mit europäischen 90er-Discoflair – und das deutlich stimmiger als die Kollegen von Puritiy Ring. Auch hinten raus funktioniert die Chvrches’sche Erfolgsformel anhand solcher Lieblichkeiten wie dem flott stampfenden ‚Empty Threat‚ vor allem in kompakt dosierten Dosen als kurzweiliges Singles-Schaulaufen.
Doch am Stück gehört – und hier beginnen dann doch fein nuancierten Unterschiede zu ‚The Mother We Share‚ im Detail aufzufallen – verschwimmt ‚Every Open Eye‚ vor allem in der schwächelnden zweiten Hälfte immer wieder zu einem sicherlich absolut gefälligen, aber auch zu generischen und gleichförmig inszenierten Einerlei, gegen dass das Debüt geradezu unangepasst und kantenreich wirkt. Läuft etwa die melancholisch-schnipselnde Beruhigungsmittel-Schönheit ‚Down Side Of Me‚, ist man spätestens beim betörend-umarmenden Refrain unmittelbar gefangen – sind die 5 ätherischen Minuten Spielzeit allerdings um, ist durch die nocheinmal angehobene Glätte der Produktion wenig hängen geblieben. Einer plätschernde Bagatelle wie ‚Playing Dead‚ fehlt dann einfach alles Zwingende, das kämpferisch schimmernden ‚Bury It‚ ballt die Faust ohne jeglichen Nachdruck, während das von Tastenmann Martin Doherty gefühlvoll gesungene ‚High Enough To Carry You Over‚ mit seiner unheimlich schwülstigen 80er-Monotonie im funkelnden Neonlicht die Grunddynamik der Platte ankurbelt und für Abwechslung sorgt, aber vor allem schmeichelweich dümpelt.
Da hilft es auch wenig, dass Lauren Mayberry mittlerweile mehr Nachdruck in ihren kindlich-unschuldigen Gesang legt, sich hartgesottener geben muss, die Kompositionen immer wieder auf die Hinterbeine diktiert: ‚Make Them Gold‚ hat eine beinahe unangenehm euphorische Ausstrahlung („We are made of our longest days/We are falling but not alone/We will take the best parts of ourselves/And make them gold“ schmachtet Mayberry mit kräftig aufstampfendem Stimmchen, allen Widrigkeiten zum Trotz stürmt die Band dem Sonnenaufgang am Horizont entgegen), das pulsierende ‚Clearest Blue‚ explodiert als direkter Nachfahre von Depeche Mode’s ‚Just Can’t Get Enough‚ irgendwann ohne Angst cheesy zu wirken am Dancefloor, feiert seine Selbstfindungs Party („Tell me tell me, you’ll meet me/Will you meet me more than halfway?„) aber ermüdend handzahm und ideenarm.
Bis zum Abschluss in Form der intim strahlenden Zärtlichkeit ‚Afterglow‚ haben Chvrches so immerhin ein rundum sympathisches und kurzweilig strahlendes Komforzonen-Dacapo zusammengeschnürt, dem man die latent hofierte Langeweile durch die immanente Schmissigkeit niemals übel nimmt. Was von dieser rundum solide abliefernden Synthiepop-Zuckerwatte über den Rand des Kurzzeitgedächtnisses letztlich allerdings bleiben wird, werden jedoch wohl rein die im Schatten des Debüts stehenden Singles sein, deren sporadisches Wiedersehen den Genre- und Bandfan freuen werden.
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