Christopher Owens – I Wanna Run Barefoot Through Your Hair

von am 30. Oktober 2024 in Album

Christopher Owens – I Wanna Run Barefoot Through Your Hair

Neun Jahre nach Chrissybaby Forever ist I Wanna Run Barefoot Through Your Hair als viertes Studioalbum von Christopher Owens‘  niemals schlecht gewesener, jedoch niemals ganz die Erwartungshaltungen stemmen könnenden Solo-Diskografie das Werk, auf das man seit dem Ende von Girls gewartet hat.

Dass der 45 jährige sich dafür durch eine der schwersten Phasen seines Lebens aus der Obdachlosigkeit heraus kämpfen musste, lässt sich in diesem Interview in aller Ausführlichkeit nachlesen.
Auch ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes spricht die Musik von I Wanna Run Barefoot Through Your Hair für sich – wenn das eröffnende, zügig nach vorne gehende und gefühlt direkt bei Father, Son, Holy Ghost (2011) anknüpfende No Good konsternierend „Leave me alone/ I’m dyin’ here“ fleht, und das episch ausholende, sich um sich selbst drehend etwas zu bemüht das große Finale der Platte markieren wollende Do You Need a Friend allem Überschwang zum Trotz nur mit einer beklemmenden Erkenntnis entlassen kann: „People come and people go/ But the loneliness is always the same”.

Dazwischen hat Owens mit Doug Boehm (mit dem er schon bei Girls-Zeiten als Produzent zusammengearbeitet hat – auch wenn der 2020, justament während leise aufkommender Reunion-Pläne verstorbene JR White dies nachweislich anders sah) und der Rhythmus-Sektion von Curls (Cody Rhodes und Luke Bace) sowie Lead-Gitarrist Derek Barber (dessen Soli immer wieder fabelhaft durch die Platte geistern) ein Album aufgenommen, das stets abgekämpft, aber vor der Resignation in den Arm nehmen tröstend ein Ringen mit Verzweiflung und Zuversicht darstellt.
Das tatsächliche Können von Owens als Sänger und Songwriter wird dabei so kurzweilig und unverbraucht in unterschiedlichen Auslagen in Erinnerung gerufen, dass sich I Wanna Run Barefoot Through Your Hair weniger wie ein Comeback, denn eine nahtlose Fortsetzung einer alten Liebesbeziehung anfühlt.

Beautiful Horses zeigt ihn etwas schwelgend und schunkelnd, White Flag löst sich beinahe im ambienten Nebel auf. I Know schippert entspannt mit Harmonika und könnte ein Liebkind von Pete Doherty sein, bevor sich die Nummer in psychedelischer Transzendent auflöst. Am Klavier lässt So seine Vocals verschwimmen und plätschert romantisch tröpfelnd als repetitives Quasi-Interlude, bevor die zweite Hälfte der Platte inzenatorisch etwas weiter aufmacht.
Für This Is My Guitar schauen Ariel Rechtshaid und Jacob Portrait (Unknown Mortal Orchestra) vorbei, um einen kraftvollen Acoustic-Aufbruch in das Bandgefüge gleiten und Owens die erbetene Hilfe annehmen zu lassen. Distant Drummer plätschert versöhnlich, nimmt dann aber soulige Gospel-Backings und Classic Rock-Vibes mit, derweil Two Words einen beinahe shoegazenden The Jesus and Marty Jane-Hintergrund einflicht, und ein subtiles Schimmern postrockig in den Himmel malen lässt.

Wie allgegenwärtig auch der tatsächliche Glaube von Owens – wenngleich zumeist absolut subversiv artikuliert – in einem Miteinander aus Vergangenheitsbewältigung und verhaltendem Zukunftsoptimismus ist, zeigt die locker schwofende Siesta I Think About Heaven als tänzelnde Strand-Gelöstheit: Auch wenn die Credits anderes behaupten, haben wir hier mit einem Cover zu tun. Dass Owens sein Material oft aus Erinnerungen an jene Musik speist, die er zu Children of God-Zeiten in der Kirche hörte, macht Owens andernorts kein Hehl. Welch ein weltliches Drama diese Inspirationen in seinen Händen entwickelt, ist dann aber ja auch Teil der Anziehungskraft von I Wanna Run Barefoot Through Your Hair – dem man, alle erfahrende Aufmerksamkeit verdienend, allerhöchstens den Vorwurf machen kann, dass Owens darauf noch nicht wieder derart auf den Punkt findet, wie er es mit Girls tat.

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