Christian Fitness – I am Scared of Everything that isn’t Me

von am 22. September 2014 in Album

Christian Fitness –  I am Scared of Everything that isn’t Me

Andy Falkous ist derzeit arbeitslos. Weil seine Kumpels von Future of the Left aber keine Zeit hatten um ihm beim Vertonen seines Missmutes unter die Arme zu greifen, hebt Falco als Beschäftigungstherapie kurzerhand eine neue Baustelle („one ‚man‘. band. NOT a solo artist.„)  aus der Taufe. Tatsächlich neue Erkenntnisse über den musikalischen Kosmos des Walisers liefert Christian Fitness dabei allerdings keine.

Sicher gibt es auf ‚I am Scared of Everything that isn’t Me‚ einige Kniffe und ausgelebte Ansätze, die man genau so weder bei McLusky noch Future of the Left hören konnte. Etwa, wenn Falkous im schrammelnden Noisepop des Titelsongs Beach Boys-Harmoniegesänge gut gelaunt über die Klippe schickt, oder ‚carthage must be destroyed‚ soundtechnisch an ‚Modern Romance‚ anknüft, bevor entspannte „Ba-Ba-Ba-Ba„’s durch einen zurückgelehnt neben der Spur tingelnden Ohrwurm tänzeln. Immer wieder blitzt eine mutmaßlich gar nicht so kleine Verehrung für The Cramps auf, und auch dass Falco seine Gitarren für Christian Fitness deutlich entlang der Sonic Youth-Discography gestimmt hat sorgt für herausstechende Momente: da kratzt das gegen den Strich gebürstete ‚Transitory Breakdown‘ den atemlos rezitierenden Zampano, ‚Disturbing the Ache‘ quietscht unangenehm im Untergrund und bricht immer wieder als perlende Avantgarde-Erzählung nahezu episch auf; das grandiose ‚Teeth‚ beginnt hingegen wie eine alte, gänzlich entkomplizierte Biffy Clyro-Probe und lehnt sich danach in ein beunruhigend wohlklingendes Slint’sches Gitarrenzirpen zurück.

Genau genommen reicht allerdings auch alleine ein Blick auf die Songtitel um zu erkennen: allzu weit entfernt sich Falco letztendlich dennoch nicht aus seiner Wohlfühlzone, dem Hohheitsgebiet des blanken Zynismus, pechschwarzen Humors und gut gelaunten Giftspeiens. Was natürlich (nicht nur für Fans) an sich eine gute Ausgangslage und spätestens dann eine sichere Angelegenheit ist, wenn ein ‚Attack of the 50 Foot Side Project‚ den Schlagabtausch aus kreischenden Noise und rekapitulierenden Atempausen so versiert vollführt, wie das vielleicht niemand anderer sonst derzeit derart schmissig zelebrieren kann, oder der “Feel Good Hit of the Second Trimester‚ genau das ist, was er verspricht – ein Hit. Wenn ein ‚Soft Power Itches‚ aber als polternde Geisterbahnfahrt mit psychotisch oszillierenden Gitarren und grummelnder Rhythmusfraktion seine T-Shirt-tauglichen Slogans auspackt („I never see a diet Coke in the hands of an action man!„) krankt das an der sich an den Falco-Trademarks aufgeilenden Schablonenhaftigkeit, die manch einer bereits bei dem ‚How To Stop Your Brain In An Accident‚ diagnostiziert hat.

Dass das schludrig, „at home“ produzierte ‚I am Scared of Everything that isn’t Me‚ dazu einen stellenweise unfertigen Skizzencharakter zur Schau trägt, passt abseits der Stammbandspielwiese dennoch ins System: zwischen tollen Einzelsongs (‚Christian Fitness‚, der Song, groovt wie der rollende Soundtrack eines schmutzigen Agentenfilm, der ein bisschen so klingt als hätten die Arctic MonkeysDo Dallas‚ inhaliert und dabei Gitarren das machen lässt, was anderswo Bläser organisieren; ‚The Earth Keeps its Secrets‚ suhlt sich dagegen bis zum Exzess in seinem LoFi-Klangbild), skurrilen Ausreißern (‚Say Hello to Nobody‚ wankt 67 Sekunden lang wie eine Horde betrunkener, shuffletanzender Hunde um klackernde Hooklines sowie eine nette Singalongmelodie) und kleinen Enttäuschungen (das punkig nach vorne gehende ‚Aghast, Anew, Anon‚ steht als unterhaltsame Sex Pistols-Verneigung nicht restlos in der Tradition der bärenstarken Falco-Opener) tobt sich der Christian Fitness-Kopf merklich ohne Masterplan(-Korsett) im wild zusammengewürfelten Ideen- Karussel mit unperfekter Impulsivität aus, tut was er am besten kann.
‚I am Scared of Everything that isn’t Me‚ verortet sich irgendwo zwischen der Scheißegal-Attitüde von ‚The Difference Between Me and You Is That I’m Not on Fire‘, dem Sound von ‚My Pain and Sadness Is More Sad and Painful Than Yours‚ und einem potentiellen ‚FutureoftheLeftism‚, das sich als rundum souveränes bis bestechend zielsicheres Schubladenleeren anfühlt.

Nach 35 Minuten, in denen sich Falco endgültig als das immer schon vermutete federführende Hirn seiner Band(s) deklariert, weiß man auch, dass der ewige Zyniker den Future of the Left-Laden notfalls wohl sogar im Alleingang schmeißen könnte – das Zepter des prägenden Songwritings schwingt er auf ‚I am Scared of Everything that isn’t Me‚ bis auf wenige Ausnahmen notgedrungen bereits ohne fremde Hilfe: „drums on some songs by stuffy, who is a very good drummer. one bass-line by my wife, who is a very good bass-player (and wife)„.
Die hier so ungezwungen aus dem Handgelenk geschüttelten Nummern erreichen dabei nicht vollends an die Klasse des sonstigen Future of the Left-Repertoires – das gewisse, offenbar erst durch den Bandkontext geformte Etwas fehlt der Platte. Viele Nummer stehen an der Schwelle zum Ausnahmematerial, werden aber zu selten darüber geschupft. Weswegen ‚I am Scared of Everything that isn’t Me‚ als kurzweilige Fingerübung das Gefühl hinterlässt hinter seinen Möglichkeiten zurückzubleiben – und dennoch auf Heavy Rotation läuft. Deswegen klingt es durchaus nach einem guten Deal, den Falco da anbietet:
If you buy my songs i can make more a little quicker“. 

06

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