Charley Crockett – The Man from Waco
Der nimmermüde Troubadour Charley Crockett bleibt seiner unversiegend sprudelnden Veröffentlichungsstrategie treu, variiert mit The Man from Waco das Erfolgsrezept in der angestammten Komfortzone um ein paar markante Stellschrauben.
Nicht, dass das ungefähre 12. Album des Mannes aus San Benito seit 2015 wirklich einen Paradigmenwechsel in der Karriere des 38 jährigen markieren würde. Doch zeigt sich schnell, was Crockett meint, wenn er sagt: „Everybody was telling me: ‘go right, go right, go right. I went left. I had to hold on to what has gotten me this far.”
Kleine Impulse reizen die Karriere von Crockett, der im weitesten Sinne doch so sehr auf Konsistenz setzt, weswegen auch im zweiten Anlauf des Jahres 2022 keine bequem auszurechnende Routine auf den vertraut bleibenden Pfaden entsteht – und sich ein ziemlich beispielloser Erfolgslauf nahtlos fortsetzt.
Konkret bedeutet dies: Anstelle wie zuletzt stets auf Billy Horton als Produzent zu setzen, hat Crockett diesmal (ohne externe Musiker, alleine mit seiner fabelhaften Backingband, den The Blue Drifters) mit der texanischen Szene-Größe Bruce Robinson (die bekanntlich ja auch seit einiger Zeit als Crocketts Manager fungiert) in dessen The Bunker-Studio aufgenommen: „I just wanted an honest partnership: do it at your place, live to tape, everybody in the room. The magic is in the performances on that tape. That’s what Bruce wanted to do, that’s what I wanted to do. When we were done, I said ‘these are masters, not demos.“
Ohne den typischen Crockett-Sound wirklich aufzugeben wirkt The Man from Waco so tatsächlich ein kleines bischen roher, ungeschliffener und direkter als seine Vorgängerplatten, unter dem Elektronenmikroskop irgendwo auch unverkrampfter und lockerer, leger und unverbindlich, agiert trotz zahlreicher instrumentaler Facetten niemals dick auftragend mit einem gewissen ungefilterten Understatement daherkommend, vielleicht sogar einer gleichmütigen Zeitlosigkeit.
Sicher aber hat der andere Zugang der Inszenierung auch einige frische Akzente hinsichtlich des Songwritings und der Ästhetik geöffnet.
Das beginnt mit einem losen Konzept, das sich mit der nostalgischen Vertrautheit einer schwelgenden Melodie mit dem eröffnenden Theme als Narrativ über die Platte zu legen beginnt, und vor dem Klavier-Nachhall Finale in Form des Titelsongs wie eine sinistre, verführerische Pulp-Ballade aus den 70ern samt Tex-Mex-Trompeten umgesetzt wird. In das selbe Jahrzehnt streunt I’m Just a Clown mit seien funky Licks und Bläsern, derweil das längst zum hauseigenen Klassiker avancierte Trinity River in seiner Neuaufnahme nun durch die jazziges Lounge flaniert. Ein Gedanke, den das Bob Dylan referenzierende Tom Turkey mit einem fast avantgardistischen Blues-Groove als vertrackter Drum-Jam rumpelnd weiterdenkt. Horse Thief Mesa skizziert dagegen mit Besenschlagzeug, Chor und Flamenco‘esken Gitarren eine klimpernde Ahnung davon, dass Calexico und Fleet Foxes als veritable Inspirations-Quelle durchgehen dürften, bevor July Jackson in seinen malerisch-dezenten Streicher-Arrangements aufgeht und die Akustik-Gitarre nur noch nebenbei begleitet.
Im weitesten Sinne ist man aber trotz solcher verschobener Facetten mit The Man from Waco mehr als alles andere in Summe vor allem auf der sicheren Seite – Crockett liefert einfach wieder zuverlässig. Cowboy Candy schwoft im behutsam-gemächlich angetriebenen Groove zu verträumten Gitarren und jauchzt den Refrain als simplen Instant-Ohrwurm, der angenehm dahinplätschert. Das entschleunigte Time of the Cottonwood Trees haucht seinen melancholischen Schwermut so unbeschwert hinaus, wohingegen es Just Like Honey beinahe mit seinem catchy Refrain übertreibt. Zumindest stampft die Nummer geschmeidig zur Gratwanderung mit einer typischen Formelhaftigkeit, die man kaum mehr aus dem Kopf bekommend eine Selbstverständlichkeit demonstriert, mit der Crockett potentielle Singles wie vom Fließband liefert.
Black Sedan knödelt dafür relaxt ohne Eile solierend dahin. Odessa ist eine wunderschöne, wirklich wunderschön heulende Ballade, deren nihilistisch Sehnsucht sich in die friedliche Anmut schmiegt und All the Way From Atlanta eine abgedämpft in stiller Einkehr pochende Erinnerung, die die Rastlosigkeit eines Nomaden mit traumwandlerischer Lethargie artikuliert.
Während es also in all diesen Szenen offenkundig ist, dass die beachtliche Release-Frequenz Crockett nicht schadet, werden zwar deswegen jene Kritiker nicht mundtot gemacht, die seine Nummern zu harmlos und benutzerfreundlich empfinden, ihnen attestieren zu angenehm und gefällig nebenbei laufend nicht viel zu fordern, um verarbeitet werden zu können.
All diese Punkte gehen aber eben (auch, wenn bei aller Liebe tatsächlich ein Fünkchen Wahrheit in diesen Bemängelungen stecken mag) am eigentlichen Thema vorbei (wo Diskussionen über den familiären Hintergrund des Musikers, seine Authentizität oder schmuck restaurierte Kauleiste ohnedies fehl am Platz sind). Denn letztendlich läuft es darauf hinaus, dass die Qualität der versammelten 45 Minuten (inklusive des gefühlten Bonustracks Name on a Billboard) das Niveau der Crockett‘schen Diskografie mühelos hält und vor allem den Spagat dahingehend schafft, zukünftigen Veröffentlichungen weiterhin freudig entgegenzufiebern. Eventuell sogar mehr noch, als vor diesem Trip nach Waco (oder wo auch immer das Coverfoto aufgenommen wurde).
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