Chance The Rapper – The Big Day
Lange hat Chance The Rapper sein offizielles Debütalbum hinausgezögert und mit einer nahezu makellosen Reihe an Mixtapes begeistert. Nun verhebt er sich ausgerechnet für The Big Day im Liebestaumel an externen Erwartungshaltungen und den eigenen Ambitionen.
Nicht, dass The Big Day per se so viele katastrophale Szenen aus Totalausfällen und Rohrkrepierern hofieren würde – obwohl es sie in Form von durchaus gibt. Gerade wenn Chance The Rapper sich explizit an ziemlich misslungenen Trap-Beats verhebt, offenbar zu viel Drake, Migos oder Lil Xan konsumiert und lyrisch und performancetechnisch den bauchpinselnden Selbstgefälligkeitsmodus auf Autopilot geschalten hat, sich eindimensional und oberflächlich der Liebesbekundungen an seine frisch angetraute Gattin hingibt: Symptomatisch für die geradezu absurd-egomanische Rührseligkeit der Platte können die als Persiflage gedachten Hochzeitsrede-Skits herhalten, die jedoch ohne jegliches komödiantisches Talent kentern und die Platte geradezu ärgerlich weiter aufblasen.
Dann ist beispielsweise der grausame Bouncer Hot Shower ein einziger abgründiger Griff ins Klo und Roo ein gut gemeinter Familien-Clusterfuck von einer zerdachten Komposition, während die cheesy Anmut des Titelsongs durch das primitive Francis and the Lights-Feature ruiniert wird. Ballin Flossin mit Shawn Mendes bemüht eine seltsame Retro-House-Tanzfläche, die nicht nur im Vergleich zu Futurist Vince Staples als Referenz unsagbar altbacken wirkt. Get a Bag nervt einfach nur penetrant und Found a Good One (Single No More) wird zu seinem eigene Dance-Remix des Grauens .
Also ja, Chance macht auf seinem nominell ersten Studioalbum zwar auch verdammt viel ziemlich falsch. Gravierender aber ist, dass er zudem nur wenig wirklich gut gelingt, ihm über die absolut ermüdend-ausführliche Distanz von unerbittlich auslaugend-übersättigenden 77 Minuten (!) und 22 Tracks (!!) ernüchternderweise kaum (positiv) aus der Masse herausragende Momente von der Hand gehen, so dass der lange herbeigesehnte Big Day in eine mittelschwer frustrierenden Enttäuschung mündet, schlichtweg zu einer bisweilen sterbenslangweiligen Pseudo-Party mutiert.
Dabei ist der Einstieg noch erwartet stark, schließt an Coloring Book von 2016 an. Das sanfte Do You Remember überrascht etwa mit einem sphärisch plätscherndes Gastspiel von Death Cab for Cutie, das die angenehmen Sommer-Vibes der Platte nonchalant treibend krönt. Das soulige We Go High entspannt über einem zauberhaften Klavierloop und I Got You (Always and Forever) klingt (neben der ohnedies über das Tonlagen-Ziel hinausschießende „Together Forever“-Zeile) wahlweise hochnotpeinlich oder nicht uncharmant am 90er R&B kopiert – generell ein beliebtes Stilmittel zwischen all dem Soul, Pop und Gospel der Platte.
I Got You (Always and Forever) erliegt dem kontemplativen Sinnieren an Randy Newmans Piano und Town on the Hill der ätherischen Elegie, wo schon der tolle Opener All Day Long mit John Legend den Status Quo mit positivem Vibe, sentimentalen Anachronismen und angenehm optimistischen Charisma anzeigt, ohne den mediokren Spannungsbogen der folgenden Ewigkeit vorwegzunehmen.
Selbst in diesen Momenten lässt Chancelor Jonathan Bennett allerdings kaum inhaltliche Tiefe oder musikalisch Interessantes zu, pflegt lieber einen durch und durch netten, unbedingt eingängigen Feel Good-Brocken, der stets auf Nummer Sicher geht und sein potentielles Formatradio-Publikum niemals aus den Ohren verlieren will. Obwohl irgendwann unweigerlich der reine Durchzug einsetzt, beschallt The Big Day ungeachtet seiner inhaltlichen Plakativät nichtsdestotrotz nett und angenehm, ohne tatsächlichen emotionalen Impact den Hintergrund. Gerade gemessen an Chance’s bisherigen Output kann dies aber eben nicht der Anspruch sein – zumal sich aus der aufgefahrenen Fülle an Material durchaus/nur eine qualitativ adäquate EP destillieren hätte lassen.
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