Celeste – Animale(s)

von am 12. November 2013 in Album, Heavy Rotation

Celeste – Animale(s)

Der längsten Pause zwischen zwei Veröffentlichung lassen Celeste das erste Doppelalbum ihrer Karriere folgen. Wo andere Bands dabei wahrscheinlich die Möglichkeit ergriffen hätten ihr Songwriting in aller Vielfalt aufzubrechen gehen die Franzosen darauf genau den entgegengesetzten Weg.

Celeste stehen seit dem Ende von Mihai Edrisch für einen bitterbösen, nihilistisch-tiefschwarzen und vollkommen Optimismusbefreiten Malstrom an der Grenze zwischen Black Metal, (Post-)Hardcore, Sludge und Screamo, so polarisierend wie einzigartig. Die auf französisch gebrüllten Texte muss dabei niemand verstehen um zu kapieren: das Quartett aus Lyon zerfleischt sich förmlich selbst in seinem rasenden Sumpf aus bestialischen Hass und hemmungsloser Wut, aus verzweifelter Rage und absoluter Destruktion. Das war bereits  auf jedem der vier zwischen 2006 und 2012 im Akkord erschienenen Veröffentlichungen so, doch erst auf ‚Animale(s)‚ kommen Celeste in der Hölle an, die sie seit jeher angesteuert haben: „I think you can actually see our albums – ‚Pessimiste(s)‚, ‚Nihiliste(s)‚ and ‚Misanthrope(s)‚ – as a deep fall, y’know. The titles say it all. It’s pessimistic to nihilistic to misanthropic, so it’s getting tougher and tougher each time.“ zieht Mastermind Johan den roten Faden selbst, und dirigiert seine Band folgerichtig endgültig hin zur Entmenschlichung.

Animale(s)‚ kehrt seine konzeptuelle Ausrichtung zur philosophischen Sozialstudie und moralischen Reflexion anhand der in die Katastrophe führenden Geschichte einer jungen Liebe und der Verkettung darum herum eskalierender Umstände. Wer genaueres wissen will darf sich angefangen beim wie immer bildschönen Artwork auf die Suche nach Antworten machen.
Inszenatorisch richten Celeste den Blick jedoch noch weiter nach innen als je zuvor, verdichten und konzentrieren all die kräfteverzehrenden Trademarks ihrer schonungslosen Sound-Katharsis, formulieren aus und ja, formvollenden ihre ureigene Vision von apokalyptischer Brutalität in aller Ausführlichkeit auch: ‚Animale(s)‚ ist in seiner mähenden, mitleidlosen Urgewalt gründlicher als seine Vorgänger, monumentaler auftretend, massiver produziert – man hört förmlich jeder Sekunde der Platte ihre sorgfältige dreijährige Entstehungsgeschichte an.

Dass Celeste ihr Gewächs aus anhand weitläufiger Spannungsbögen gebauten, bohrenden Heuschreckenschwarm-artigen Darkened-Postrock-Gitarren, den mal finster lauerenden, aber zumeist hirnwütig rasant tackernden Double-Bass-Atacken und wie besessen gebrüllten Vocals diesmal trotz der seinen Vorgänger hinsichtlich der Spielzeit locker überbietenden Länge von 70 Minuten (ja, das Doppelalbum-Format dient damit vor allem ästhetischen Gründen) kurzweiliger, kompakter und zielgerichteter wirken lässt als seine bereits makellosen Vorgänger, hängt dann auch damit zusammen, dass ‚Animale(s)‚ über das erste Dutzend an Durchgängen vielleicht „nur“ wie business as usual wirkt , seine Vorzüge nach und nach aber nur zu ausführlichim Detail vorführt: Celeste haben die durchdachtesten Songs ihrer Karriere geschrieben (die nicht wenigen Kritiker werden behaupten: die am wenigsten monotonen) und diese zum dynamischsten Ganzen verschweißt: es existieren nervöse Slo-Mo Doom-Brocken wie ‚(X)‚ oder ‚(Y)‚ in diesem hetzenden Inferno; abgründige Ruhepole in den ausführlichen ‚Cette silhouette paumée et délabrée qui sanglote et meurt‚, ‚Dans ta salive, sur sa peau‚ oder ‚Outro‚ fungieren als schleppende Atempausen, Nahverwandte wie der Denovali Records-Labelkollege und TALVIHORROS-Chef Ben Chatwin oder die Sounddesigner Sabrina Duval und Jean Charles Bastion helfen dabei trügerische Momente beklemmender, schleppender, geißelnder, verstörender Alptraum-Schönheit zu erschaffen, ohne einen Funken Sonnenlicht zu gewähren.

Dennoch ist ‚Animale(s)‚ nicht ohne Hoffnung: „On ‚Misanthrope(s)‚ I had already dealt with some of the topics that I deal with on ‚Morte(s) Nee(s)‚, such as paedophilia, violence against women, rape, incest and so on. I really wanted to stress these topics more on ‚Morte(s) Nee(s)‚ though, and show not just the bad sides, but also the brighter side – the power that women have to be able to deal with these problems.” findet Johan Spuren der Zuversicht in einer Platte, die als wütender Sturm im Herz der Finsternis ihr unheilvolles Unwesen treibt.
Was hiernach noch kommen soll bleibt freilich offen: das Feinschliffmanifest ‚Animale(s)‚ reizt das vertraute musikalische Vocabular der Franzosen bis auf den letzten Zentimeter aus, artikuliert die Maximalausdehnung der Celeste’schen Bedrohlichkeit nahe der Perfektion. Dass sich das Quartett zukünftig mit neuen Impulsen auseinandersetzen wird müssen um spannend zu bleiben hieß es freilich nach jeden ihrer Alben. Definitiver war diese Vermutung allerdings nie als nach diesem schwarzen Loch einer Platte, ihrem Opus Magnum: einem Meisterwerk.

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