Carpenter Brut – Blood Machines

von am 23. April 2020 in Soundtrack

Carpenter Brut – Blood Machines

Seit Ende 2016 sammelt Seth Ickerman via Kickstarter Geld, um im Verbund mit Franck Hueso alias Carpenter Brut endlich Blood Machines, den Nachfolger von Turbo Killer, zu realisieren.

Two space hunters are tracking down a machine trying to free itself. After taking it down, they witness a mystical phenomenon: the ghost of a young woman pulls itself out of the machine, as if the spaceship had a soul. Trying to understand the nature of this entity, they start chasing the woman through space…
Während die abgefahrene Sci-Fi-Story von Blood Machines seit jeher feststeht, befinden sich andere Dinge noch in der Schwebe. Zu den Hintergründen ist der Stand der Dinge offenbar weiterhin folgender: „Inspired by the spirit of the 80’s films and music, BLOOD MACHINES is a 50-minutes science-fiction film written and directed by Seth Ickerman, scored by the synthwave artist Carpenter Brut. BLOOD MACHINES is the sequel of the music video TURBO KILLER, their first collaboration. Shot in late 2017, the film is currently in post-production.
Wie dem auch sei serviert Carpenter Brut den Soundtrack von Blood Machines nun zumindest via Bandcamp bereits digital vorab, und zeigt dabei gewissermaßen einen Zwischenschritt von Leather Teeth (2018) zum nominellen Zweitwerk des Elektro-Derwischs.

Der Einstieg setzt allerdings noch relativ konventionell beim etablierten Trademark-Handwerk des Synthwave-Spezialisten Hueso an. Intro baut eine heroisch Stimmung auf und Blood Machines Theme kippt auf dieser in den typischen, neon-pumpenden Trademark-Carpenter Brut-Sound, flimmert mit treibenden Beats am Highway, bekommt über sphärische Passagen auch eine immer radikalere Dringlichkeit und deutet das Epische zumindest an.
Doch bis es soweit kommt, nutzt Carpenter Brut erst einmal die ambienter ausgelegten Freiheiten, die der Kontext einer Soundtrack-Arbeit einerseits verlangt und andererseits eben überhaupt erst möglich macht; er kontrastiert das erwartbare Rahmenprogramm feingliedriger, lässt mehr Raum zum atmen, öffnet die Strukturen dem Müßiggang. Dadurch bindet Hueso eine neue Vielseitigkeit und Variabilität in seinen patentierten MO ein und öffnet Carpenter Brut neue Perspektiven – ebenso imaginativ wie assoziativ.

Attack of the Amazons dröhnt als Klanglandschaft mit bedrohlichen Eruptionen in den dunklen Gefilden der 80er, Vangelis stehen jedoch ebenso Pate wie aktuelle Ulver, Mandy oder Stranger Things. Das lauert und brodelt, die Spannung spitzt sich zu und verdichtet sich, doch detoniert sie nicht. The Ceremony schiebt in eine Fläche für unheimliche Begegnungen der dritten Art und jener mystischen Imposanz, die Blade Runner 2049 verliehen wurde: Eine ergebende Haltung scheint Chöre zu erwecken, doch wenn der Rhythmus sich nicht wirklich bändigen lassen will, kommt die Handschrift von Hueso durch.
Kleine Intermezzi wie Mima treiben den Puls dystopisch nach oben, ein Souls Wreck pendelt abgründig und geduldig, erstrahlt dann stellar, bevor The Last Ceremony angespannt unter einem orgelnden Suspence vibriert, die Schaltkreise unter Strom stehen, die Nummer mit bedrohlicher Geduld und Gewicht an Bewegung aufnimmt.
Touchdown pulsiert wie Cliff Martinez im Thriller, bleibt aber wie weite Strecken fragmentarisch – das grandiose Heart Ship baut die Drive’eske Stimmung mit methodischem Detail präziser auf, addiert dazu eine beinahe Wüsten-tauglich bratende Atmosphäre mit futuristischer Ader. Die ätherisch-entschleunigte Synthie-Elegie Bloody Kisses – The Swift setzt dort so versöhnlich wie hoffnungsvoll an, das maschinell Abgründige bekommt Zugriff auf eine tickende Symbiose aus dem Lehrbuch von Johnny Jewel mit dem beklemmend harten Synthwave französischer Prägung, zumal Hueso mit martialischer Rhythmik samt Goth-Orgel Patina liebäugelt – ohne die Möglichkeiten der Entwicklung auszuloten.

Überhaupt zeigt sich das große Manko von Blood Machines trotz eines generell zu skizzenhaften Wesens, das aber über weite Strecken durch den ständig neue Impulse setzenden Fluß der Platte aufgefangen wird, gerade hinten raus doch sehr deutlich: Carpenter Brut schöpft das Potential der vorhandenen Ideen, Motive, Umbrüche und Szenen als Songwriter einfach nicht aus, lässt viele Möglichkeiten für überragende Augenblicke zu abrupt agierend links liegen und den Hörer damit abseits der atmosphärischen Dichte zu oft in der Luft hängen.
Lago’s Sleep atmet retrofuturistisch düsteres durch, besticht durch seine esoterisch-chorale Pastoralität, ist aber eher ein Versprechen, als eine tatsächliche Kathedrale. In Grand Finale bekommen der Signature Sound von Carpenter Brut hymnischen Auslauf, einen legendären Überbau gewissermaßen, die Chöre beschwören den Pathos ohne Kirsch nahe der Gänsehaut, und plötzlich explodiert Hueso am Wellenkamm nach patentierter Art, bevor die Stränge in einer Synthpop-Anmut ala Gunship samt Turbo Killer-Reminiszenz kulminieren – doch jedes Segment hier hätte gerne dreimal soviel Spielzeit bekommen können, dürfen und müssen, um sich wirklich ergiebig entfalten zu können. Dass Gone Now als Closer mit Pencey Sloe am Mikrofon an sich eine wunderbar heroisch bratende Elektro-Ballade darstellt, ist danach zudem ebenso nicht die Extase, die man ansonsten von Carpenter Brut mit Gastgesang gewöhnt ist, die in greifbarer Nähe gewesen wäre.
Anstelle von Frustration steht letztendlich aber eher eine gewisse Diskrepanz in der Wahrnehmung, gepaart mit einer an sich unfairen, diese 36 Minuten ein bisschen unter Wert verkaufenden Vorfreude. Denn was als Score durchaus stimmig sein mag, funktioniert als eigenständiges, nicht entsprechend für diese Form arrangiert auftretendes „Album“ an sich nur bedingt. Zwar sollte man wohl ohnedies nicht den Fehler machen sollte, Blood Machines an den regulären Veröffentlichungen von Carpenter Brut zu messen – allerdings nimmt Blood Machines gefühltermaßen dann doch die Rolle einer phasenweise unausgegorenen, sich aufwärmenden Übergangsplatte und anteasernden Versuchsanordnung mit (in)konsequentem Ausblick auf neue Karriere-Höhepunkte des Franck Hueso ein.

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