Carly Rae Jepsen – Dedicated
Auch ohne diesmal derartig überwältigende Instant-Killertracks wie Call Me Maybe oder Higher parat zu haben, kann einfach kaum jemand sonst an sich generischen Platsikpop so entwaffnend gut wie Carly Rae Jepsen. Nachzuhören auch auf ihrem vierten Studioalbum Dedicated.
Direkt nachprüfen lässt sich diese Feststellung übrigens beispielsweise gleich durch Now That I Found You – ein flotter Banger, der zwar nicht derart euphorisch explodiert, wie er mit mehr Druck könnte, aber dennoch die Endorphine in pure Wallung versetzt. Oder dem unaufdringlichen Ohrwurm für Sommerplaylisten namens Happy Not Knowing. Oder im entwaffnend liebenswert groovenden I’ll Be Your Girl. Oder in der schonungslos selbstreflektierenden Introspektive Too Much, die über einen pluckernden Afrobeat einen erstaunlich minimalistischen Ansatz wählt. Oder dem wunderbar entschleunigten Downbeat-Synthpop von Right Words Wrong Time. Oder….
Kurzum: Die 33 Jährige weiß einfach, wie man bedingungslose Hits in Form massentauglicher Konsens-Pop-Parties mit unfassbar catchy kommenden Melodien schreibt – und geizt auch auf Dedicated nicht mit diesem Know How, sondern knallt gut gelaunt absolut potente Singles aus allen Rohren.
Deswegen verzeiht man ihr auch die paar wenigen (im Kontext ohnedies kaum ins Gewicht fallenden) Verirrungen. Julien etwa, eine nervig zur ermüdenden Wiederholung neigende Daft Punkige Disco, wo das egal zur belanglosen Austauschbarkeit plätschernde Automatically In Love nur eindruckslos bleibt. Im hibbelig-funky auf die Tanzfläche schielenden Feels Right nervt der Refrain von Electric Guest und gerade als Closer kann die nette Strophe von Real Love nicht überzeugen, denn der Chorus forciert seine schwache Hook zu eindimensional.
Und wenn man schon bei Haaren in der Suppe ist: An sich ist Dedicated wohl weder besonders ambitioniert noch explizit unverwechselbar ausgefallen, während der Albumfluss eher mosaikartig gestrickt unter dem homogenen Sound zusammenfindet, Jespen aber höchstens eine kohärente Songsammlung ohne überspannendes Narrativ oder schlüssigen Spannungsbogen vorlegt. Ansonsten muss sich die Kanadierin aber eben höchstens den Vorwurf gefallen lassen, dass sie einen Gutteil des versammelten Materials ganz ähnlich nur schon mal ein kleines bisschen besser hinbekommen hat.
Womit man verdammt gut leben kann, wenn angenehme Ohrwürmer wie No Drug Like Me geradezu selbstverständlich erscheinen oder das Midtempo von Want You in My Room etwas weniger ausgelassen in heroische Bewegung versetzt (obwohl Jack Antonoff das finale Saxofon ruhig noch exzessiver Richtung Gunship dirigieren hätte dürfen). Die gewöhnungsbedürftig-gepitchten Chipmunk-Stimmen in Everything He Needs vergrämen hingegen nicht die nonchalant sommerliche Entspannung der Nummer. Und The Sound, das auf einem melancholischen, träumend-perlenden Piano basiert, sammelt auch kaum Minuspunkte, sobald der darüber drückende Beat für den Refrain eigentlich fast zu frontal funktioniert, und der Song zudem zu abrupt vorbei ist.
Denn hier trägt das Charisma und das Gespür der Carly Rea Jepsen auch die kleinen Mäkel auf die sichere Seite, unterhält das stilvoll-unbändige Wesen der Musikerin nahtlos. Ohne Plakativität oder erdrückenden Charakter ist das Trumpfass von Dedicated deswegen vielleicht seine Gabe, niemals nach unauthentischer Fließbandware zu klingen. Mögen Koleginnen wie Shura deswegen auch die eigenwilligeren Individualistinnen sein und die Pop-Krone von Lorde und ihrem Melodrama (2017) auch kurzzeitig an Billie Eilish ausgeborgt sein – in Sachen Kontinuität, Sympathie und Zuverlässigkeit muss sich Jepsen keinerlei Sorgen machen (und bekommt zwischen den Punkten liegend deswegen auch bedenkenlos die Aufwertung nach oben).
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