Car Seat Headrest – Teens of Denial

von am 4. Juni 2016 in Album, Heavy Rotation

Car Seat Headrest – Teens of Denial

Will Toledo’s Car Seat Headrest vollzieht den Sprung zur Major-Professionalität mit Teens of Denial meisterhaft und schüttelt – darauf darf man sich durchaus bereits jetzt festlegen – eines der stärksten Indiealben des Jahres 2016 scheinbar mühelos aus dem Handgelenk. Davor bereitet er seinem Label aber noch 50,000 Dollar an ungewollten Mehrkosten.

Vertrauen ist gut, doppelte Kontrolle aber besser: Während Toledo und seine neue Heimat Matador Records alle diesbezüglichen Formalitäten geklärt zu haben meinten, war The Cars Vorstand Ric Ocasek doch nicht sonderlich erfreut über die nicht lizensierte Nutzung von Just What I Needed im Song Just What I Needed / Not Just What I Neededdie produzierten und bereits ausgelieferten Vinyl-Exemplare mussten wieder zurückgerufen und der physische Veröffentlichungstermin nach hinten verschoben werden.
Womit Teens of Denial gleich um weitere außergewöhnliche Fußnote reicher ist. Stellen die versammelten Songs doch gleichzeitig das bereits dreizehnte Album von Toledo aka Car Seat Headrest dar – und markieren dennoch das offizielle Debüt seines zur Vier-Mann-Band ausgewachsenen One-Man-Show-Rücksitz-Projekts. Zwar hatte er bereits die Werkschau/Neubearbeitung/Einstiegsdroge [amazon_link id=“B014VLVTE4″ target=“_blank“ ]Teens of Style[/amazon_link] vor knapp 7 Monaten via Matador und mit bandtechnischer Unterstützung veröffentlicht, doch erst Teens of Denial entstand nun tatsächlich gemeinsam mit regulärer Kombo (Ethan Ives, Andrew Katz und Seth Dalby) im Rücken und Produzent Steve Fisk als externen Imputgeber, was das Schaffen des 23 Jährigen Toledo auf eine ganz neue Ebene hievt.
Der Do it Yourself-Charme ist Car Seat Headrest erhalten geblieben, der dünne und verwaschene Lo-Fi Sound aber einem so schrullige-schiefen wie doch kräftigen Gewand gewichen, unter dem sich das Songwriting fokussierter und effizienter präsentiert, ohne seinen nonchalant übersprudelnden Spielwitz deswegen in gezähmte Korsette zwängen zu müssen. Der gereifte Bandkontext bietet Toledo wiederum mehr Raum für organische Exkursionen, lässt die Fähigkeiten von Car Seat Headrest dank dem Können seiner Mitstreiter ähnlich wachsen, wie seinerzeit der Dylan Baldi’sche Leistungsschub beim Evolutionsprozess von Cloud Nothings.
Teens of Denial ist damit das bisher sicherlich konventionellste, aber auch kompletteste Car Seat Headrest-Album geworden, das das immense Potential der charismatischen Ausnahmeerscheinung aus Leesburg unangestrengt funkensprühend als feuchter Traum zwischen den Polen Pavement, Tigers Jaw und (nunmehr weniger) Guided by Voices abruft.

Zumal es eben auch ohne Cars-Verneigung so unheimlich viel auf Teens of Denial und seinen kaum zu bremsenden Songs zu entdecken gibt. 70 erstaunlich kurzweilige Minuten schlendern wie getrieben als Abfolge von sich ständig toppenden Augenblickem aus einem unerschöpflich scheinenden Pool an schmissigen Melodien und smarten Einfällen vorbei. Selbst in ohnedies bereits so schmissigen kleinen Hits wie dem schrammelnden Killerrefrain-Anbieter 1937 State Park, dem überwältigend wuchtig die Catchyness mit Cowbells suchenden Pegeldrücker Destroyed by Hippie Powers oder dem Clap Your Hands Say Yeah-in-Collerock-Inferno Unforgiving Girl (She’s Not An) scheint hinter jeder lässig arrangierten Ecke ein weiterer Geistesblitz zu warten, eine noch zwingendere Wendung, eine finale Hookline, die mit entwaffnender Leichtigkeit das Herz aufgehen lässt. Selten wäre da weniger zwar mehr gewesen, an Understatement mangelt es der Platte dennoch nur bedingt. So tummeln sich also schon mal unbemüht und lethargisch-leidenschaftliche Ideen für 5 Songs in einer Komposition, die Toledo nun deutlich detailierter inszeniert als auf seinen früheren Platten, jede Passage stärker ausgeprägt erarbeitet.
Plötzlich taucht da entspannt und melancholisch eine die Harmonien einsammelnde Folk-Zurückgelehntheit wie (Joe Gets Kicked out of School for Using) Drugs with Friends [But Says This Isn’t a Problem] auf, die erst er alle Okkervil River-Fans im Alleingang abholt und in seiner letzten Minute einen Climax auspacken, der mit heulenden Gitarren die ganze Built to SpillWelt der 90er gemeinschaftlich im Sturm erobert; während anderswo unausweichliche Ausbrüche launig im softrockigem Keyboardflimmern umherschlängelnd bis zur Glückseligkeit hinausgezögert werden (Drunk Drivers / Killer Whales) und sich Bläserintros zu einem lakonischen Reigen aufschaukeln (Cosmic Hero).

Teens of Denial strotzt vor diesen zu entdeckenden Lieblingsmomenten am Fließband, ist eine thematische Achterbahnfahrt, eine das Tempo geschickt variierende Schlagfolge von umwerfenden Wirkungstreffern, die nicht lange fackeln: Wo der indirekte Vorgänger How To Leave Town seinen Start etwa noch mit ellendslangen Synthieausflügen dehnte, geht es diesmal gleich unmittelbar zur Sache – Toledo serviert mit Fill in the Blank einen unwerfend impulsiv nach vorne rumpelnden, stampfenden, mitreißenden Hit zum Einstieg. Und das, obwohl die erste Single Vincent im Grunde trotz (oder gerade wegen) seiner 8 Minuten als der systematischere Opener angeboten hätte. Dort pendeln sich Car Seat Headrest nämlich erst mit langer Anlaufzeit loppend ein, um den Rocker dann aber schnell zum Postpunk-Selbstläufer mutieren zu lassen, den Parquet Courts vor allem auf diese Länge nicht zustande bringen, und Ought oder Protomartyr nicht derart poppig mit scharfkantigen Gitarren, Trompeten-Kanonen, Call-And-Responses-Pingpong, RadioheadErinnerung und Feedback-Spielereien über die Ziellinie bringen wollen würden.
Über der restlichen, nahezu ohne Leerlauf auskommenden Hatz steht jedoch noch einmal klar die überragende Meisterleistung The Ballad of the Costa Concordia. Ein Weltklasse Wechselspiel der Dynamiken, das als betrüblicher Schleicher samt traurigen Bläsern beginnt und über den Umweg einer niedergeschlagen rezitierten Pianoballade zum alle Sicherungen kappenden Rockexzess findet  – dabei inmitten dieser emotionalen Achterbahnfahrt aber sogar noch den Platz findet, um Dido’s White Flag-Zeile „I’m in love and always will be“ zu „I won’t go down with this shit/I will put my hands up and surrender/There will be no more flags above my door/I have lost, and always will be“ umzudeuten. Und selbst dann gefühltermaßen dennoch das eingangs hinausgehauene Credo („You have no right to be depressed/ You haven’t tried hard enough to like it„) im Hinterkopf zu behalten, um ein bisschen Zuversicht in der Depression zu finden: „And you wake up trembling/From a dream where I swam into the river/I reach out and hold you in my arms/I love you, I love you, I love you„.
Toledo hat Just What I Wanted/Not Just What I Needed übrigens letztendlich umgeschrieben – und bei der Gelegenheit gleich ein längeres, anderes Stück daraus gemacht: „I spent the last 48 hours working on an alternate cut of the track, which is now called “Not What I Needed.” It’s not merely an edit — it is its own thing, about half a minute longer than the original track, and goes in a much different direction. Honestly, despite the apparent clusterfuck, I had fun doing it, and I think it’s a stronger song now„. Darüber kann man natürlich diskutiren, es verdeutlicht jedoch den den über den Platte flimmernden Optimismus, der thematisch in all der Orientierungslosigkeit und dem Selbstzweifel von Teens of Denial nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen ist, und mit all den variablen Songwriting-Großtaten wachsen muss. Das kann Zeit benötigen, rechtfertigt aber jede aufgebrachte Sekunde mit der vielleicht in ihrer enormen Referenzlastigkeit nicht originärsten, aber durchaus aufregendsten Indierock-Sause seit langer Zeit. „I feel like I’ve been making albums long enough that I know when I’ve made a good one. This one seemed like a good one.“ bringt es Toledo insofern auch selbst am besten auf den Punkt. Ein Urteil, auf das man übrigens blind vertrauten darf.

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