Car Seat Headrest – Making a Door Less Open

von am 14. Mai 2020 in Album

Car Seat Headrest – Making a Door Less Open

Making a Door Less Open scheitert auch an seinen stilistischen Ambitionen, mehr noch aber an der grundlegenden Substanz des Songwritings: Will Toledo riskiert – und verliert den Nimbus des Indie-Genies.

Wo sich die bisherigen drei Major-Studioalben von Car Seat Headrest nach der überproduktiven Phase als Lo FI-Soloprojekt und einer folgenden Bandwerdung auch zu einem Gutteil aus der geschickt eingefädelten Kunst des Recyclings gespeist haben, hätte der grundlegend spannende und ambitionierte Ansatz von Making a Door Less Open durchaus eine interessante Frischzellenkur versprechen können (bzw. schon vorab Sorgenfalten bereiten konnte, wenn man 1 Trait High und 1 Trait World Tour kennt).
Seit 2015 haben Mastermind Will Toledo und später auch Schlagzeuger Andrew Katz in zweifacher Ausführung an dem Werk gearbeitet – einmal im klassischen Indierock-Kontext von Car Seat Headrest, einmal unter dem Banner von 1 Trait Danger, dem Elektro-Nebenprojekt der beiden. Making a Door Less Open stellt nun quasi die Symbiose dieser zwei konträr veranlagten Einzelversionen dar, ein Amalgam, wie Toledo zusammenfasst: „The songs contain elements of EDM, hip hop, futurism, doo-wop, soul, and of course rock and roll. But underneath all these things I think these may be folk songs, because they can be played and sung in many different ways, and they’re about things that are important to a lot of people: anger with society, sickness, loneliness, and love.

Wie die beiden Extreme dieses Experimentes geklungen hätten, zeigt derweil noch noch das Doppel aus Deadlines. Deadlines (Hostile) ist dabei so lange gelungen, wie es als ein gelungener Car Seat Headrest Standard agiert, bevor die Nummer im gediegenen Uff-Zack-Midtempo mit trägem Schlagzeug ohne Biss wie ein Schatten früherer Großtaten stampft; Deadlines (Thoughtful) übersetzt die selbe Nummer dagegen wiederum mit wummerndem Sub-Bass auf die elektronische Tanzfläche und zeigt zumindest mehr Dynamik, wo all das motivierte Knöpfchen-Drücken dilettantisch anmutet.
Im Verlauf der gesamten Platte halten sich die Pole aus konventionellen Car Seat Headrest und 1 Trait Danger-Einflüssen jedoch eben die Waage, finden eine gleichberechtigte Balance und ausgegliche Gewichtung, stehen sich bestenfalls kaum im Weg – allerdings lässt die vermeintliche Reibungsfläche der Diskrepanz die typischen Melodie von Toledo auch durch keine Synergie wachsen. Schwerwiegender noch: Das grundlegende Songwriting erreicht ungeachtet des Outfits und der Dualität in der harmonisierten Inszenierung nie die emotionale Katharsis von Teens of Denial (2016) oder Twin Fantasy (Face to Face) von 2018, versetzt zu keinem Zeitpunkt in überwältigende Euphorie, packt zwingend oder setzt über die Melancholie Endorphine frei.

Der Opener Weightlifters wird von einem pulsierenden Elektro-Beat getrieben, elektrifizierte Dancepunk-Gitarren achteln zackig mit vibrierend-funkelnden Synthies und pluckernden Schaltkreisen, beinahe catchy und betont hibbelig, simuliert den Tumult und die Ausgelassenheit aber nur und kultiviert vor allem ein zutiefst unbefriedigend entlassendes Element in den neuen Songs. Can’t Cool Me Down setzt diesen Weg als modifiziertes Stückwerk fort, das durch eine Abfolge aus mal mehr, mal weniger vielversprechenden Einzelmomenten mäandert, einen hymnischen Refrain skizziert, aber doch vor allem am minimalistischen Rhythmus-Gerüst und bemühter Verrücktheit festhält: Car Seat Headrest betreiben hier pures Handwerk, ohne in irgendeiner Weise zu berühren.
Am anderen Ende der Platte verabschiedet Famous als Karambolage aus gepitchter Stimmen und uninspiriertem Dosen-Gerümpel. Mag schon sein, dass sich da ein brauchbarer Song versteckt, nur wird er von Personen gespielt, die die Kunst von The Notwist nicht verstanden haben. Zudem ist Famous gerade als Closer eine schwache Wahl, irgendwo aber repräsentativ für eine Platte, die mehr Stückwerk als alles andere ist.

Zumindest funktioniert Making a Door Less Open nach einer ersten Phase der absoluten Enttäuschung letztendlich doch solide, pendelt im Rahmen qualitativ inkonsistent. Es gibt schließlich Momente, in denen die Rechnung von Toledo und Katz halbwegs aufgeht; oder aber solche, in denen sie den Karren so richtig in den Dreck ziehen.
Hymn (Remix) schrammt mit Vocoder als Industrial auf halben Weg zur Club-Party ohne Plan auf einem solchen Ausfall zu, wirft Ideen wahllos in den Mixer und überzeugt alleine über den körperbetonten Drive seines Rhytmusgefühls. An vorderster Front an der negativen Seite des Spektrums agiert jedoch klar Hollywood – eine Katastrophe am Rande des Hip-Hop-Zusammenbruchs, in der das Duo seine skandierten Texte zum debilen Pseudo-Zynismus hyperaktiv brüllt, sich altbacken und beschämend am Comedy-Crossover der 90er bedient.
Der einzige nicht alleine von Toledo geschrieben Song ist der wohl schlechteste in der Geschichte von Car Seat Headrest – und hinterlässt in dieser Funktion leider auch mehr bleibenden Eindruck, als die gelungenen Momente der Platte.

Das sympathische Martin fußt locker auf einer Akustik-Basis und gönnt sich gar eine Bläsersektion, What’s With You Lately  ist als kurzes Intermezzo eine nette Ballade mit Gitarrist Ethan Ives am Mikro. Life Worth Missing (toller Titel alleine schon!) klopft melancholisch nach vorne, setzt seine Synthies endlich behutsam ein, anstatt die Brechstange zu verwenden, und entwickelt eine verträumte Aufbruchstimmung. There Must Be More Than Blood  treibt kontemplativ einnehmend ohne Eile an der krautigen Indietronic ausgerichtet zu einer starken, weil nachhaltigen Hook, fliesst im Einklang mit sich selbst und sein diametralen Wesen als Mediation zu einer einnehmenden Atmosphäre mit viel Herz.
Diese kleinen, relativen Highlights passieren allesamt wie zufällig in einen Clusterfuck von einem Album gestreut, dessen variierende Erscheinungsform in den verschiedenen Trägermedien (Vinyl, CD und digital) exemplarisch weniger als der plakative Wille zur zeitgemäßen Adaption erscheint, sondern vielmehr als Ausdruck einer gewissen Willkür ohne konkreten Masterplan. Man kann diesen Mut zu einer weniger auf Sicherheit setzenden, die angestammte Komfortzone verlassende Arbeitsweise durchaus zu schätzen wissen – zu einem gelungenen Alben macht selbst dieses Wohlwollen Making a Door Less Open allerdings nicht.

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