Car Seat Headrest – Commit Yourself Completely

von am 22. Juni 2019 in Livealbum

Car Seat Headrest – Commit Yourself Completely

So reichhaltig sich die Diskografie von Will Toledo und Car Seat Headdrest auch über die vergangenen Jahre gefüllt hat, herrscht auf dem Sektor der Livealben diesbezüglich noch Nachholbedarf. Commit Yourself Completely setzt bei diesem Missstand an.

This is a compilation of songs from shows we played in 2018” gibt Toledo zu Protokoll. “We recorded every show we did that year, and I went through about 50 of them to get the final tracklist for this album. This isn’t necessarily the best possible version of each track, but it’s some of the most fun we’ve had on stage. I particularly remember the show we did in the small French town of Amiens, maybe the smallest show we did that year, and how great it felt to be up in people’s faces with everyone plugging in to the music right away. The recordings we made of the shows came out very clean, so rather than try to artificially recreate how it sounded in the different venues night to night, I tried to give the whole album that in-your-face feeling, like we’re playing the songs right in front of you. When you’re onstage with everything happening at once, you never really know what it sounds like in the room anyways; all you know is how the music is feeling. Hopefully this will give you a sense of what these shows felt like.

Zusammengetragen aus in den USA, dem UK und Frankreich aufgenommenen Material versammelt die Quasi-Compilation Commit Yourself Commpletely nur Songs von (vornehmlich) Teens of Denial (2016) und Twin Fantasy von 2018.
Und um es vorwegzunehmen: Die finale Tour von Toledo (vocals), Seth Dalby (bass), Ethan Ives (guitar, vocals) und Andrew Katz (drums, vocals) mit der Supportgang Naked Giants – Grant Mullen (guitar, vocals) Gianni Aiello (guitar, keyboards, vocals) und Henry LaVallee (additional percussion) – als zusätzliche Unterstützer im Car Seat Headrest-Rücken einer siebenköpfigen Band mag Songs verschiedener Auftritte und Location verwenden, hatte diese Substanz aber ohne Clusterfuck-Feeling nahtlos zu einem ohne Bruchstellen auskommenden Ganzen zusammengeschnitten, dessen schlüssiger und stimmungsvoller Fluss durchaus glauben macht, es mit einer einzigen, organisch kurratierten Nacht zu tun zu haben.
Was man dabei schade finden darf: Die kreierte Setlist ist relativ überraschungsarm ausgefallen. Es gibt so zwar endlich eine soundtechnisch gute Version des Frank Ocean Originals Ivy – mit Toledo alleine an der Gitarre ist das jedoch eher „nur“ ein gelungenes Meme mit minimalistischen Mitteln und ein bisschen Langeweile, als ein wirklich einfühlsames Stück trauriger Fragilität auf Augenhöhe. Daneben bekommt man allerdings keine elementaren extrenen Ausflüge, kein Vincent (mit Paranoid Android im Schlepptau) oder Sweet Jane-Versatzstücke in Cosmic Hero.
Aber schon eben dieser ausgewählte Opener macht dafür auch wieder deutlich, dass die Sache auch so ohnedies spannend bleibt. Selbst vermeintlich ausformulierte, fertige Versionen sind für Toledo immerhin schließlich stets nur Momentaufnahmen. Es bleibt unberechenbar, wie er seine Kompositionen gerade live neu inszeniert, weswegen sich die Interpretationen von Commit Yourself Completely doch deutlich von den Studioversionen unterscheiden.

Besagtes Cosmic Hero baut sich etwa langsam aus dem ambienten Reverb auf, pocht bedächtig und lässt die vage bleibenden Gitarren erst spät mit der Präsenz der Rhytmussektion zusammenfinden, bleibt aber bis auf wenige zusammengebraute Spannungsentladungen relativ kontemplativ sinnierend im Midtempo verhaftet, stellt seine wunderbaren Texte in die elegische Auslagen und sucht den (auf der Bühne allgegenwärtigen, nicht immer förderlich) auflösenden Backinggesang. Treibend gönnt sich der Opener doch noch einen angedeuteten Ausflug in den Noiserock, ohne deswegen tatsächlich roh oder ungeschliffen aufzutreten.
Fill in the Blank konzentriert sich dagegen unmittelbar auf seinen flotten Indierock, kommt mit feinen Gitarren und zwingendem Twist hinten raus schnell zur Sache, während eine tolle Aufbereitung von Drugs With Friends torkelt, dann unaufgeregt flaniert und später den Mond anheult, um latent dringlicher zu pressen. Im hervorragenden Bodys poltert und pocht die Band sofort munter, liegt sich irgendwann überschäumend in den Armen. Cute Thing ist druckvoll und verspielt ausgeschmückt, bekommt ein bluesiger rumorendes Solo und „Dudududu“-Harmonien. Irgendwann bettet sich die Nummer sogar in ein konsequentes Synthies-Meer, drumherum klingt sie in dieser Hit-Stafette nach purem Klassiker.

Nicht immer klingt die Band jedoch so leidenschaftlich und energiegeladen wie hier. Oft wirkt sie (mit einem phasenweise stimmlich irgendwo als angetrunkener Beck-Soundalike anmutenden Toledo) zu schwerfällig und wenig explosiv. Gerade nach einer Platte wie Deforming Lobes als Maßstab und Vergleichswert schafft es Commit Yourself Completely nur mit enttäuschendem Erfolg, eine restlos überschäumende Intensität zu erzeugen, noch den ruhigeren Phasen der Mitschnitte eine gnadenlos bedeutende einnehmende Intimität zu verleihen.
Besonders deutlich wird das beispielsweise ausgerechnet bei Drunk Drivers/Killer Whales, das zwar wunderbar mit elektrischem Piano im Dreampop-Land und Thom Yorke-Gedächtnisgesang beginnt. Doch spätestens ab dem „It doesn’t have to be like this“-Part wirkt die Performance müde, mit angezogener Handbremse agierend und kaum mitreißend, zu gemütlich den belanglosen Singalong suchend. Auch Destroyed By Hippie Powers ist zu handzahm geraten – die Nummer deutet nur an, wie angriffslustig gegen den Strich gebürstet sie eigentlich die Gitarren zum Berserker zwingen könnte. Die ambivalenten Backingvocals sorgen zudem fast schon für ein hardrockiges Kneipenflair.
Also nein, Commit Yourself Completely ist nicht makellos. Aber es macht aber durchaus ansteckenden Spaß. Auch insofern, beispielsweise alleine all die verschobenen Facetten des unglaublichen Husarenritt Beach Life-in-Death zu entdecken. Sich zu fragen, ob man die mal zu nonchalante, mal mit ordentlich Saft schiebende Darbietung der Live-Konserve nun der Studioversion vorzieht und erahnen, warum offenbar ebenso viele Fans von den Liveshows der Band enttäuscht, wie davon begeistert sind. Ohne restlose Euphorie tendiert man nach diesen 67 Minuten tatsächlich jedoch eher zu zweiteren.

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