California X – Nights in the Dark
California X haben bei der Auswahl des Plattencovers durchaus selbstreflektierende Analytik unter Beweis gestellt: anstatt hemmungslose J. Mascis-Gitarren vor die sengende Sommersonne zu halten, fiebern die Kalifornier nun gemäßigteren, dunkleren Nächten entgegen. Vor allem aber zeigt das Zweitwerk eine Band auf der Durchreise: das Licht am Ende der Strecke ist zwar in Sichtweite, auf ‚Nights in the Dark‚ allerdings auch noch nicht erreicht.
Die explosiven, überschwänglichen Mascis-Fuzz-Gitarrenritte, für die man ‚California X‚ am Grenzübergang von Dinosaur Jr. und Torche so hemmungslos und schweißtreibend abfeiern musste, sie passieren auf ‚Nights in the Dark‚ immer noch, gestalten sich im zweiten Anlauf aber doch weniger impulsiv und fuzzverrückt auf dem Silvertablett serviert, weitschweifender und in gewissen Maße getragener, ohne deswegen freilich das Gaspedal mit der Bremse zu verwechseln – auch wenn mit dem verzichtbaren ‚Ayla’s Song‚ (ein uninspiriert in den Raum und Albumfluss grätschendes Akustikgitarrengeplänkel) und ‚Garlic Road‚ (ein wunderbar mediativ vom ‚Space Cadet‚ halluzinierender Melancholieausflug, der mal eben ein Piano aus dem Wüstenstaub zieht, letztendlich aber ohne Ziel verglüht) zwei Interludes den schnittig nach vorne gehenden Spieltrieb der Platte etwas den Wind aus den Segeln nehmen.
‚Nights in the Dark‚ ist eine Platte, die mit den Errungenschaften des Debüts als Trägermaterie doch vor allem den Reifeprozess einer Band ablichtet, indem es die expandierenden Ambitionen von California X über den Horizont des so oftmals unterstellten reinen Mascis-Tributs hinaustreibt: in der zweiten Plattenhälfte kreist das Quartett entsprechend über einem vordergründig instrumental ausgerichteten Jamrausch aus poppig-flirrenden Melodien, schwer drückenden und dösenden Riffs sowie zweiteiligen Songsuiten. ‚Blackrazor, Pt. 1‚ lässt seine psychedelischen Gitarrententakel in alle Poren sickern, ist ein herrlich entspannt köchelnder Stoner-Ausritt in die Prärie, während ‚Pt.2‚ sich breitbeinig in Metalpose begibt und praktisch The Sword mit Bierbong und dem Vermächtnis von Black Sabbath in skatende Feierlaune in Verbindung bringt. Das behäbige ‚Summer Wall, Pt. 1‚ kommt dann wohl einem ähnlichen Ergebnis nahe, wie wenn Torche jemals versuchen würden eine Ballade zu schreiben, aber dabei nicht auf ihren Doompop verzichten wollen würden, bevor ‚Pt.2‚ als versöhnlicher, gar lieblich polternder Ausklang kaum Eindruck hinterlässt.
Weswegen da vier eigenständige Songs zu zwei Zweiteilern deklariert wurden muss man freilich nicht zerdenken, wie auch den generischen Aufbau der Strukturen von in sich brütend zu losgelöst rockend nicht kritisieren – weil auch California X nicht daran interessiert sind ihre headbangenden Schweißkatapulte unnötig verkopft aufzublasen.
Es regiert ohnedies immer noch die unkomplizierte, breitbeinige Goodtime-Ausstrahlung, die gleich beim titelspendenden Opener einen Höhepunkt erreicht: Lemmy Gurtowsky pumpt soviel immanenten wie unterschwelligen Optimismus in den Song, bis sich zu „Just give me time/ ‚Cause I don’t want to leave anybody behind“ die Gitarren gegenseitig sich in den Himmel spielen und unmittelbar klar ist, dass California X den Kniff mit den Ohrwurmbrettern immer noch sauber heraußen haben. Trotzdem: wenn ‚Red Planet‚ seine Metalsoli genau so true spielt, wie Rivers Cuomo das liebt, und auch das Tempo drosselnde ‚Hadley, MA‚ breitet seinen Teppich vor Weezer ausbreitet, dann sind das Momente, die so durchaus bereits auf ‚California X‚ passieren hätten können, aber eben nicht sind.
Wo Album Nummer Zwei theoretisch allerdings mehr Potential aufzeigt als sein Vorgänger, bringt es seine PS praktisch gesehen weniger effektiv auf den Highway. Was ‚Nights in the Dark‚ fehlt ist bisweilen die unwerfende Schmissigkeit von ‚California X‚, vor allem aber die Stärke des Albums als Gesamtpaket: wo das Debüt als geballtes, endorphinausschüttendes Kraftpacket mit der Tür ins Haus fiel, wirkt der Fluss der neun neuen Songs weniger intuitiv und mitreißend, er kickt weniger heftig, obwohl die Sause natürlich wieder sympathischen Spaß macht. Ein bisschen so, als würde die Band etwas zu unentschlossen gegen die oft kritisierte Referenzlast des selbstbetitelten Erstlings anspielen wollen und sich dabei nicht zum Eingeständnis durchringen können, dass man 2013 eigentlich bereits alles richtig gemacht hat.
Wo das Momentum fehlen mag, legt ‚Night in the Dark‚ jedoch auch deutlich die basiserweiternden Grundsteine, um California X sich selbst finden zu lassen und legt nahe: dies könnte eine interimistische Aufwärmrunde sein, das nächste Album wirklich groß werden.
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